
Nachdem er ein Attentat überlebt und die Wiederwahl mit klarem Vorsprung bei der Wählerstimmenmehrheit gewonnen hatte, galt Donald Trump – kurzzeitig und zum ersten Mal in seiner politischen Karriere – vielen Kommentatoren als Verkörperung der Zukunft statt der Vergangenheit. In seinen ersten Monaten zurück im Weißen Haus hat der Radikalismus und die Rachsucht seiner Regierung viele unabhängige Wähler, die maßgeblich zu seinem Sieg beigetragen hatten, verunsichert und den Widerstand seiner langjährigen Kritiker weiter verhärtet. Jeder flüchtige Eindruck, die MAGA-Bewegung sei kulturell auf dem Vormarsch, scheint vorerst verflogen.
Und doch hält sich die verbreitete Ansicht, dass ein grundlegender Stimmungswechsel von Dauer sei. Ab 2013 oder 2014 dominierte für ein Jahrzehnt der Aufstieg des Wokeismus die Mainstream-Kultur – am besten wohl zu verstehen als Mischung aus einer neuen linksidentitären Ideologie und dem unbedingten Willen, jeden, der gegen die moralischen Normen dieser Ideologie verstößt, aus der Gemeinschaft der Anständigen auszuschließen. Doch diese Kultur, so heißt es nun, sei an ihrer tiefen Unbeliebtheit gescheitert. Gegner des Wokeismus trauen sich inzwischen viel eher, sich offen und klar dagegen zu positionieren. „Cancellations“ sind deutlich seltener geworden. Der Wokeismus, so lautet die Erzählung, ist auf dem Rückzug.
Ich bin mir da nicht so sicher. Der Extremismus der Trump-Regierung droht derzeit, linke Institutionen und Organisationen genauso reaktiv zu machen, wie sie es schon in seiner ersten Amtszeit waren. Während Joe Biden im Amt war, war es mit Bedacht und Vorsicht möglich, den Wokeismus, DEI oder die radikaleren Ausprägungen der Trans-Ideologie auch aus einer linksliberalen Perspektive zu kritisieren. Doch nun beginnt jede solche Abweichung erneut als „Rückendeckung für Trump“ zu gelten. Die Rückkehr zu jener Kultur, die zwischen 2016 und 2020 vorherrschte, steckt erst in den Anfängen – und sie wird womöglich nie ganz abgeschlossen sein. Doch sobald man für diese Möglichkeit sensibilisiert ist, sieht man die Anzeichen überall.
Hier, in wahlloser Reihenfolge, einige aktuelle Nachrichten und persönliche Beobachtungen, die nahelegen, dass die Berichte über den Tod des Wokeismus stark übertrieben sind:
Bei einem kürzlichen Townhall-Treffen erklärte Tim Walz, wie Kamala Harris, seine Vizepräsidentschaftskandidatin, gegen Donald Trump verloren habe: „Wir haben ihnen erlaubt, das Thema Einwanderung zu definieren. Wir haben ihnen erlaubt, das Thema DEI zu definieren. Und wir haben ihnen erlaubt, zu definieren, was woke ist.“ Das Gegenmittel, das Walz – ein möglicher Präsidentschaftskandidat für 2028 – den Demokraten verordnete, war eine kompromisslose Hinwendung zur Identitätspolitik: „Wir sind in dieses Schlamassel geraten, weil wir nicht mutig genug waren, aufzustehen und zu sagen: ‘Verdammt, ja, wir sind stolz auf diese Politik. Wir werden sie umsetzen, und wir werden sie durchziehen.’“
Willkürliche Entlassungen und „Cancellations“ feiern ihr Comeback. Sewell Chan ist ein angesehener Journalist, der als leitender Redakteur bei der New York Times, den Los Angeles Times und als Chefredakteur des Texas Tribune gearbeitet hat. Vor weniger als einem Jahr wurde er beauftragt, mehr oder weniger um das kriselnde Columbia Journalism Review zu retten, und konnte dort schnell einige große journalistische Erfolge verbuchen. Dann wurde er abrupt entlassen – aus Gründen, die stark an die Hexenjagden einer angeblich vergangenen Zeit erinnern. Zu den „Verfehlungen“, die offenbar zu seiner unsanften Kündigung führten, zählt, dass er eine Mitarbeiterin anwies, ins Büro zu kommen, anstatt von zu Hause zu arbeiten, sowie dass er einen anderen Mitarbeiter wegen Interessenkonflikten rügte, nachdem dieser mehrfach in einer radikalen Publikation veröffentlicht hatte, nur kurz nachdem er ein überschwängliches Porträt über eben jene Publikation geschrieben hatte. Ein Schmähartikel warf Chan zudem solch abscheuliche „Vergehen“ vor wie sichtbare Verärgerung, als er online eine exklusive Story recherchierte, und dass er dabei einem Mitarbeiter zu nahe gekommen sei.1
Eine Gruppe linksliberaler Akademiker hat in den vergangenen Jahren an einer großen amerikanischen Universität auf zentrale Reformen gedrängt: Sie wollten verpflichtende Diversity-Erklärungen bei der Einstellung von Professoren abschaffen; dafür sorgen, dass die Einführungsveranstaltungen für neue Studierende die Bedeutung des offenen Dialogs betonen; und sich gegen das Freund-Feind-Denken stellen, das die DEI-Abteilung durchdringt. Bis vor kurzem, erzählte mir eine Freundin, die an dieser Universität lehrt, hätten viele ihrer Kollegen solchen pragmatischen Anliegen aufgeschlossen gegenübergestanden. Doch das änderte sich schlagartig, als Donald Trump zum zweiten Mal ins Amt zurückkehrte. In den jüngsten Fakultätsversammlungen zeigten sich selbst vergleichsweise moderate Professoren, die sie zuvor als Verbündete wahrgenommen hatte, äußerst feindselig gegenüber den vorgeschlagenen Reformen. Jegliches Nachgeben wurde nun als „Kapitulation vor Trump“ gebrandmarkt.
Als der prominente Meinungsforscher Nate Silver kürzlich mit Galen Druke, einem ehemaligen Kollegen von 538, darüber sprach, wer die Demokratische Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2028 anführen könnte, waren sich beide schnell über den wahrscheinlichsten Kandidaten einig: „Mein erster Pick im Draft ist Alexandria Ocasio-Cortez“, warf Druke ein. „F**k you! Das wäre mein verdammter erster Pick gewesen!“ konterte Silver. Obwohl AOC, wohl die bekannteste nationale Vertreterin der „woken“ Politik, in der Gesamtbevölkerung schlechte Zustimmungswerte hat, betonte Silver, wie stark sie in einem Vorwahlkampf auftreten würde: Sie ist bei demokratischen Wählern äußerst beliebt, dominiert das progressive Lager und versteht es, enorme mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.2
In den vergangenen Monaten habe ich an mehreren Treffen, Konferenzen und Abendessen teilgenommen, bei denen die Spitzen einiger der größten Stiftungen Amerikas eine Strategie suchten, wie sich die Demokratie verteidigen lässt. Nur wenige von ihnen bekannten sich noch so offen zu den extremsten Ausprägungen der identitätspolitischen Ideologie, wie es vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre; Namen wie Robin DiAngelo und Ibram X. Kendi fielen kaum. Doch das vorherrschende Weltbild an der Spitze der philanthropischen Szene hat sich seit dem Sommer 2020 kaum verändert. Der allgemeine Konsens lautet, dass die Wähler Trump gewählt haben, weil die amerikanische Demokratie für die „historisch Marginalisierten“ nicht geliefert habe. Die Lösung liege angeblich darin, „unterrepräsentierte Communities zu mobilisieren“. Das dringendste Gebot der Stunde sei es, „für Gerechtigkeit zu kämpfen“ und der „globalen Mehrheit zuzuhören“.
Im Februar veröffentlichte Laurel Libby, eine republikanische Abgeordnete im Parlament von Maine, auf Facebook eine Montage aus zwei Fotos von Preisverleihungen des Stabhochsprung-Wettbewerbs der High Schools des Bundesstaates. Sie zeigte denselben Schüler vor und nach seiner Geschlechtsangleichung. „Vor zwei Jahren belegte John im Stabhochsprung der Jungen den geteilten fünften Platz“, schrieb Libby. „Heute Abend gewann ‚Katie‘ den ersten Platz.“3 Die Demokraten in Maine beließen es nicht dabei, Libbys Haltung zur Teilnahme von Trans-Frauen an Frauenwettkämpfen öffentlich abzulehnen oder ihre Entscheidung zu kritisieren, das Foto dieser Athletin in den sozialen Medien zu veröffentlichen; 75 von 76 demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus des Bundesstaates stimmten dafür, Libby zu sanktionieren und ihr damit faktisch die Möglichkeit zu nehmen, ihre Arbeit als gewählte Abgeordnete auszuüben. Solange sie sich weigert, den Beitrag zu löschen, ist es ihr untersagt, im Plenarsaal des Hauses zu sprechen oder über Gesetzesvorlagen abzustimmen.
Einige führende Strategen der Demokraten, berichtete kürzlich die New York Times, haben sich auf eine neue Strategie verständigt, die sich am Dark-Brandon-Meme orientiert – einem Versuch aus der Biden-Ära, dem über achtzigjährigen Präsidenten einen Hauch kultureller Coolness zu verleihen. Dieser Ansatz besteht darin, alte progressive Positionen auf provokativere, angeblich social-media-taugliche Weise zu verteidigen. Zu den Hauptvertretern dieser Strategie gehören Abgeordnete wie Jasmine Crockett, die darauf beharrt, dass nur „mittelmäßige weiße Jungs“ Grund hätten, sich wegen DEI Sorgen zu machen, und Greg Abbott, der im Rollstuhl sitzt, als „Gouverneur Hot Wheels“ bezeichnet hat. Der Name der Strategie, die angeblich die Demokraten retten soll? „Dark Woke.“
Die Geschichte reimt sich, wie das berühmte Sprichwort sagt, aber sie wiederholt sich nicht. Man sollte sich also keinen Illusionen hingeben: Die neue Ära des Wokeismus wird sich in wichtigen Punkten von der alten unterscheiden.
Das Schweigen über die Unmoral und Widersprüchlichkeit zentraler woke Positionen, das im liberalen Mainstream über weite Teile eines Jahrzehnts hinweg aufrechterhalten wurde, ist durchbrochen. Die Ideologie genießt längst nicht mehr die vollständige Dominanz, die sie für einige Jahre innehatte. Die verrückte Phase, in der man bestimmte Formen des „falschen Denkens“ nur den engsten Freunden anvertrauen konnte – wobei der Lautstärkepegel des Gesprächs merklich sank, sobald man sich in der Öffentlichkeit befand –, wirkt bereits jetzt wie ein ferner Albtraum. Die extremsten Ausprägungen der identitätspolitischen Ideologie, die so offensichtlich absurd waren, dass sie nur in diesem Klima des Verschweigens Bestand haben konnten, dürften endgültig passé sein.
Doch das bedeutet keineswegs, dass die grundlegenden Annahmen der identitätspolitischen Ideologie oder die Neigung, Menschen für deren Verletzung zu canceln, aus den linken Institutionen und Milieus verschwunden wären, in denen sie seit langem vorherrschen. Ein großer Teil der Professoren an Ivy-League-Universitäten, die Spitzen vieler bedeutender Stiftungen und selbst die Manager mancher Großkonzerne betrachten die Welt weiterhin durch die Brille von „Equity“, sozialer Gerechtigkeit und Intersektionalität. Und auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass wir in jene Zeiten zurückfallen, in denen Professoren renommierter Universitäten suspendiert wurden, weil sie im Unterricht geläufige chinesische Wörter benutzten, oder Elektriker ihren Job verloren, weil ein Passant fälschlicherweise glaubte, eine aus dem LKW baumelnde Hand gebe ein geheimes rechtsextremes Zeichen – so bergen Abweichungen von den Konsenspositionen nach wie vor erhebliche Risiken für Karriere und Ruf.
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Diejenigen, die überzeugt sind, dass ein Stimmungswechsel stattgefunden hat, werden natürlich darauf hinweisen, dass meine Belege für das Wiedererstarken des Wokeismus anekdotisch seien; das sind sie derzeit zweifellos. Doch interessanterweise ist das angebliche Beweismaterial für eine systematische Abkehr von diesen Praktiken ebenso anekdotisch – und noch weitaus spärlicher.
Wenn ich Freunde und Bekannte nach konkreten Beispielen für den angeblichen Stimmungswechsel frage, nennen sie nahezu immer Seth Moulton und Gavin Newsom, die vorsichtige Vorbehalte dagegen geäußert haben, Sportler, die die männliche Pubertät durchlaufen haben, an Frauenwettkämpfen teilnehmen zu lassen. Doch Moultons Aussagen fielen direkt nach der Wahl und stießen auf heftigen Gegenwind. Selbst Newsom hat seine angeblichen Ansichten in seiner täglichen Arbeit als Gouverneur von Kalifornien in keiner relevanten Weise umgesetzt; tatsächlich haben die Demokraten im Bundesstaat kürzlich einen Gesetzentwurf abgelehnt, der trans Frauen von der Teilnahme an Frauensportarten ausgeschlossen hätte. Bislang sind die Belege dafür, dass die Demokraten bereit wären, ihre unpopulärsten kulturpolitischen Positionen zu korrigieren, auffallend dünn4 - und andere Beispiele für den angeblichen Stimmungswechsel sind noch dünner gestreut.
In Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, wahrscheinlich das einflussreichste Buch über die Wissenschaftsgeschichte der letzten hundert Jahre, versuchte Thomas Kuhn, ein seltsames Paradox zu verstehen. Immer wieder versagten wissenschaftliche „Paradigmen“ dabei, die Welt in dem Maße zu erklären, wie sie es versprachen. Während die newtonsche Mechanik einige wichtige Naturphänomene beschreiben konnte – etwa die Geschwindigkeit, mit der ein Apfel vom Baum fällt –, vermochte sie andere Phänomene nicht zu erklären, wie zum Beispiel den Orbit des Merkur um die Sonne. Und doch weigerten sich viele etablierte Wissenschaftler, die sich dieser Erklärungslücken sehr wohl bewusst waren, hartnäckig, das Paradigma aufzugeben. Warum?
Kuhns Erklärung lag in dem menschlichen Bedürfnis, die Welt durch irgendeine Art kohärenter Linse zu betrachten. Newtonsche Physiker, die zu verstehen suchten, wie die Welt funktioniert, waren sich im Laufe der Zeit durchaus der „Anomalien“ bewusst geworden, die die Unvollkommenheit ihres Modells offenbarten. Doch solange die newtonsche Physik besser funktionierte als alle verfügbaren Alternativen, waren sie nicht bereit, sie aufzugeben. Erst als Albert Einstein die Relativitätstheorie veröffentlichte und damit ein alternatives Paradigma zur Betrachtung der Welt anbot, begannen einige von ihnen, das alte Modell hinter sich zu lassen. „Die Entscheidung, ein Paradigma abzulehnen, ist immer zugleich die Entscheidung, ein anderes zu akzeptieren“, bahauptete Kuhn.
Kuhns Erkenntnis, ursprünglich im wissenschaftlichen Kontext entwickelt, hilft auch zu verstehen, warum es so schwer ist, überkommene Glaubenssätze in vielen anderen Bereichen zu überwinden – einschließlich des Einflusses, den eine etwas abgeschwächte Form des Wokeismus noch immer auf die Vorstellungskraft der amerikanischen Linken ausübt.
Viele der einflussreichsten Vertreter dieser Strömung beginnen zu erkennen, dass das woke „Paradigma“ zu zahlreichen „Anomalien“ führt. Mit unterschiedlichem Maß an Klarheit und Ehrlichkeit begreifen sie, dass Latinos und andere Minderheiten dazu beigetragen haben, Trump wieder ins Weiße Haus zu bringen – obwohl „People of Color“ doch die Rettung der Demokratischen Partei sein sollten. Sie erkennen, dass die extremen kulturpolitischen Positionen, für die „The Groups“ 5 eingetreten sind, am Ende eine Mehrheit der Amerikaner entfremdet haben, obwohl sie als logische Vollendung des moralischen Fortschritts galten. Vielleicht haben sie sogar in ihren eigenen Organisationen und sozialen Kreisen erlebt, wie eine Ideologie, die ein inklusives Amerika versprach, sich in eine Waffe verwandelte, die willkürlich viele ihrer eigenen Kollegen, Freunde und Familienmitglieder traf.
Doch wie Kuhn vorhergesagt hat, reicht es nicht aus, die Anomalien eines herrschenden Paradigmas zu erkennen, um es auch tatsächlich aufzugeben. Im Laufe der 2010er Jahre feierte der Wokeismus einen derart vollständigen Triumph, dass er ältere Strömungen der Linken – vom wirtschaftlichen Radikalismus bis zum liberalen Progressivismus – faktisch zu Relikten gemacht hat.6 Dadurch fehlt den elitären Kreisen, die heute das linke Amerika prägen, eine tragfähige Alternative zur vorherrschenden Ideologie. Für alle, die entschlossen sind, Teil der Linken zu bleiben, gibt es schlicht kein alternatives Paradigma zum Wokeismus. 7
Die Trump-Regierung nutzt die gewaltige Macht des amerikanischen Staates, um jede Praxis auszulöschen und jede Institution zu bestrafen, die sie des Wokeismus verdächtigt. Das macht es – scheinbar – schwer für all jene von uns, die sich philosophisch-liberalen Prinzipien wie Meinungsfreiheit und individuellen Rechten verpflichtet fühlen, einen Weg zu finden, um gegen die identitätspolitische Ideologie zu kämpfen, ohne dabei das liberale Kind mit dem woke Bade auszuschütten.
Manche Angriffe der Trump-Regierung auf den Wokeismus erweisen sich als berechtigt.8 Viele andere vermeintliche Attacken auf den Wokeismus hingegen zielen darauf ab, missliebige politische Meinungsäußerungen zu bestrafen oder konkurrierende Machtzentren zu schwächen. Am Beispiel der führenden Universitäten des Landes hatte die Trump-Regierung zwei Optionen: Sie konnte gegen tatsächliche Formen ethnischer Diskriminierung und ideologischer Gängelung vorgehen. Oder sie konnte sich damit abfinden, dass Universitäten stets eine starke progressive Schlagseite haben werden, und sich darauf konzentrieren, sie so weit wie möglich zu schwächen. Zum Schaden des nationalen Interesses hat sich die Regierung eindeutig für Letzteres entschieden.9
Doch wie so oft in der Politik erweist sich das, was auf den ersten Blick wie ein Dilemma aussieht – wessen Seite man ergreifen soll –, als weitaus einfacher, wenn man es aus Prinzipien heraus analysiert. Sowohl die identitätspolitische Ideologie der Linken als auch die daraus hervorgegangene Praxis des Cancelns sind zutiefst illiberal; wer sich Grundsätzen wie Meinungsfreiheit verpflichtet fühlt, sollte keinerlei Zögern haben, gegen die Macht vorzugehen, die diese Strömungen über Jahre hinweg in einigen der wichtigsten Institutionen Amerikas ausüben konnten. Doch die Angriffe der Trump-Regierung auf Meinungsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind ebenso illiberal – und umso gefährlicher, weil sie die geballte Macht des föderalen Staates in den Dienst dieser Angriffe stellen. Philosophisch Liberale dürfen nicht zulassen, dass berechtigte Sorgen über den Wokeismus sie dazu verleiten, offenbare Verstöße gegen ihre eigenen Grundprinzipien schönzureden.
Wie ich schon oft geschrieben habe, ist es ein schwerer Irrtum zu glauben, dass Links-Identitätspolitik und Rechtsreaktion unversöhnliche Feinde seien. In Wirklichkeit stärkt jeder Sieg der einen ideologischen Strömung unmittelbar jene, die für die andere kämpfen. Der Ausweg aus dieser gefährlichen Spirale besteht nicht darin, eine Seite als das kleinere Übel zu wählen und über deren Gefahren zu schweigen, sondern darin, ruhig und konsequent beiden zu widerstehen.
Offen gesagt: Ich bin seit längerem freundschaftlich mit Sewell verbunden, seit er meinen allerersten Gastbeitrag für die New York Times aus dem Einreichungsstapel gefischt hat. In all dieser Zeit habe ich ihn als fordernden und, ja, leidenschaftlichen Redakteur erlebt, der überlegt handelt, junge Autoren mit seltener Hingabe fördert und sich penibel an journalistische Standards hält. Jeder ambitionierte Autor oder Redakteur sollte sich glücklich schätzen, mit ihm zu arbeiten, und ich bin überzeugt, dass ein großes Medium klug genug sein wird, ihn bald unter Vertrag zu nehmen.
Auch andere prominente Beobachter wie Sarah Longwell halten sie für einen der wahrscheinlichsten Kandidaten der Demokraten im Jahr 2028. Auch auf den Wettmärkten gehört sie zu den Favoriten.
Libby ergänzte den Beitrag später mit dem Hinweis, dass die beiden Fotos in Wirklichkeit nur ein Jahr auseinander aufgenommen worden seien.
Moulton wurde von den Demokraten scharf verurteilt und scheint inzwischen innerhalb seines eigenen Fraktionssaals weitgehend isoliert zu sein. In New Hampshire verließen die Demokraten demonstrativ den Saal, als Jonah Wheeler, ein junger afroamerikanischer Abgeordneter des Bundesstaates, eine Rede hielt, in der er erklärte, warum er in dieser Frage anderer Meinung war als seine eigene Fraktion. Unterdessen bleiben extreme Gesetze – von der Erlaubnis in Oregon, dass 15-Jährige sich ohne elterliche Zustimmung die Brüste operativ entfernen lassen dürfen, bis hin zu (möglichen) Sanktionen gegen nicht „gender-affirmierende“ Eltern in Sorgerechtsstreitigkeiten in New York und Minnesota – in den „blauen“ Bundesstaaten weiterhin in Kraft.
„The Groups“ ist zur Kurzbezeichnung für das Geflecht progressiver Thinktanks, Non-Profit-Organisationen und Interessenverbände geworden, die enormen Einfluss auf die Demokratische Partei ausüben.
In dieser Hinsicht ähneln diese älteren ideologischen Strömungen ihren Verwandten auf der Rechten: Bei all ihren Stärken sind sie nicht tragfähiger als der Konservatismus eines George W. Bush oder Ronald Reagan es heute in der amerikanischen Rechten noch ist.
Kuhn machte noch eine weitere Beobachtung, die für das Thema hier relevant ist: Selbst als ein alternatives Paradigma verfügbar war, vollzog sich der Wandel im wissenschaftlichen Konsens deutlich langsamer, als es die Beweislage nahegelegt hätte. Das führte Kuhn zu einer weiteren wichtigen Einsicht darüber, wie Gruppen ihre Überzeugungen ändern. Weil erfahrene Wissenschaftler ihre gesamte Karriere darauf verwendet haben, das alte Modell weiterzuentwickeln, haben sie zu viel in dessen Gültigkeit investiert, um es einfach aufzugeben. Meistens sind es jüngere Wissenschaftler, die sich ihren Ruf erst noch erarbeiten müssen, die bereit sind, ein neues Denksystem zu übernehmen. Deshalb, so Kuhn, vollziehen sich Paradigmenwechsel in der Regel „ein Begräbnis nach dem anderen“.
Dass viele Führungspersonen der amerikanischen Linken sowohl persönlich als auch institutionell an der Etablierung des Wokeismus mitgewirkt haben, schafft eine ganz ähnliche Resistenz gegenüber Veränderung. Wie alternde Wissenschaftler, die ihre Karriere auf Entdeckungen aufgebaut haben, deren Gültigkeit ein längst überholtes Paradigma voraussetzt, haben alle – von den potenziellen Kandidaten der demokratischen Vorwahlen 2028 bis zu den Präsidenten der reichsten Stiftungen Amerikas – die prägenden Jahre ihrer Laufbahn damit verbracht, über „Equity“ zu sprechen und sich zu Anti-Rassismus-Aktionsplänen zu bekennen. Auch wenn viele von ihnen gewandt genug sein dürften, um sich von den peinlichsten Vertretern dieser Ideologie wie Kendi oder DiAngelo zu distanzieren, werden nur wenige die intellektuelle Neugier oder strategische Klarsicht besitzen, um sich ein neues Paradigma anzueignen, das ihnen erlauben würde, das alte tatsächlich hinter sich zu lassen.
Vor einigen Wochen las ich mit Sorge in der New York Times einen Artikel über drastische Kürzungen bei den Fördermitteln der National Science Foundation. Im letzten Absatz des Artikels wurde ein Wissenschaftler zitiert, der diese Kürzungen als ernsthafte Bedrohung für die Grundlagenforschung beschreibt: „Damit überlassen wir die Führungsrolle Amerikas in Wissenschaft und Technologie China und anderen Ländern. Ich glaube, es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis sich die amerikanische Wissenschaft und biomedizinische Forschung davon erholt.“
Als ich dem Link zu einer öffentlich zugänglichen Datenbank der gestrichenen Förderungen folgte, war ich überrascht, wie konsequent ideologisch diese Anträge waren: „Veränderung von Forschungserfahrungen, -strukturen und (In)Toleranz durch die Anpassung vielversprechender Gleichstellungspraktiken“ lautet der Titel des ersten auf der Liste. „Förderung von Gleichstellung zur Verbesserung der Bindung“ heißt der zweite. „Verständnis institutioneller Veränderungsprozesse zur Förderung von Gleichstellung und Bildung in MINT-Fächern“ nennt sich der dritte. Die Liste, in deren Rahmen Hunderte Millionen Dollar vergeben werden sollten, zieht sich in diesem Tonfall endlos weiter.
Es ist natürlich ein legitimes Ziel, sicherzustellen, dass Wissenschaftler aus allen demografischen Gruppen die gleichen Chancen haben. Doch die Terminologie und die stillschweigenden Annahmen, die diesen Förderanträgen zugrunde liegen, machen deutlich, dass es hier keineswegs darum geht, Hindernisse unvoreingenommen zu untersuchen. Vielmehr basieren sie von Anfang an auf der Richtigkeit dessen, was ich als „Identitätssynthese“ bezeichnet habe.
In einem rein parteipolitischen Sinne folgt diese Entscheidung einer klaren Logik. Es ist tatsächlich fraglich, ob Universitäten bereit sind, ihre ideologische Monokultur zu verändern; aus Sicht der Republikaner mag es sinnvoll erscheinen, sie aufzugeben. Doch dabei wird übersehen, wie wichtig Universitäten trotz all ihrer Schwächen weiterhin für Amerikas globale Führungsrolle in Technologie und Soft Power sind. Auch wenn Trump mit seiner Einschätzung richtig liegen mag, dass Universitäten reale Probleme haben, und es in seinem persönlichen Interesse liegt, sie zu schwächen, bedeutet das noch lange nicht, dass dies auch im Interesse Amerikas liegt – geschweige denn im Interesse all jener von uns, die sich philosophisch-liberalen Prinzipien verpflichtet fühlen. Ein besonders wichtiger dieser Grundsätze lautet schließlich, dass zentrale gesellschaftliche Institutionen wie Universitäten frei von staatlichem politischem Druck bleiben sollten. Dafür Beifall zu klatschen, wäre grundfalsch.
Dieser Text wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.