Jesse Singal über Krisen in Politik und Sozialwissenschaft
Jesse Singal ist Co-Host des Podcasts Blocked and Reported, Autor des Newsletters Singal-Minded und schreibt regelmäßig für The Dispatch. Sein erstes Buch trägt den Titel The Quick Fix: Why Fad Psychology Can’t Cure Our Social Ills; derzeit arbeitet er an einem zweiten, das sich mit der amerikanischen Debatte über medizinische Geschlechtsumwandlungen bei Jugendlichen befasst.
In der aktuellen Folge sprechen Yascha Mounk und Jesse Singal darüber, ob wokeness vorbei ist, wie es mit der Demokratischen Partei weitergeht – und warum sich die Sozialwissenschaften in einer tiefen Krise befinden.
Das Transkript wurde gekürzt und zur besseren Verständlichkeit leicht bearbeitet.
Yascha Mounk: Ich habe das Gefühl, du und ich gehören zu einer kleinen – und schnell schrumpfenden – Gruppe von Leuten, die sich sehr kritisch gegenüber gewissen identitätspolitischen Auswüchsen auf der Linken äußern, aber zugleich sehr klar vor dem warnen, was die Trump-Regierung mit den Institutionen der amerikanischen Demokratie anstellt – und wie sie ihren eigenen Kulturkampf über das Land legt. Wie nimmst du im Moment die intellektuelle Landschaft wahr? Bist du eher optimistisch oder pessimistisch, was den Raum für Leute angeht, die im sprichwörtlichen Sinne gehen und Kaugummi kauen können? Und wie, glaubst du, wird sich diese Debatte weiterentwickeln?
Jesse Singal: Ich bin eigentlich ziemlich optimistisch – vor allem, weil inzwischen so viele Menschen Trump kritisieren. Ich denke tatsächlich, dass ausgerechnet die Zölle für einen Teil der Leute, die vielleicht offen gegenüber Trump waren, der Wendepunkt waren. Sie haben erkannt: Da ist schlicht niemand am Steuer.
Enttäuschend finde ich allerdings, wie wenig einige der anti-woken Publikationen und Figuren darauf reagiert haben. Und das ist kompliziert. Als Autor – oder in deinem Fall als öffentlicher Intellektueller – hat man nicht die Pflicht, auf jeden neuen Skandal sofort zu reagieren. Das ist eher so ein Twitter-Ding, oder? Fünf Minuten nach einem Amoklauf: Warum hast du dich noch nicht dazu geäußert?
Aber manche Dinge, die gleich zu Beginn der Trump-Regierung passiert sind – etwa Menschen ohne ordentliches Verfahren in salvadorianische Foltergefängnisse zu schicken – sind einfach nur grotesk. Laut Cato hatten viele dieser Menschen gar nichts verbrochen, sie suchten lediglich auf legalem Weg Asyl. Natürlich gab es auch kleinere Fälle – diese klassische Geschichte etwa von dem Mann, der seinen Job verlor, weil jemand völlig falsch verstand, was er gerade tat. Ich habe über ungerechte Feldzüge auf dem Campus geschrieben. Katie Herzog und ich haben in unserem Podcast darüber gesprochen, wie Freunde von uns ihren Job in den Medien verloren haben. Solche Geschichten sind wichtig. Die epistemische und moralische Gesundheit liberaler Institutionen ist wichtig. Und vielleicht hat ihr Verfall ja tatsächlich mit dazu beigetragen, dass wir heute an diesem Punkt stehen. Aber es kann einfach nicht sein, dass dir das Schicksal eines Elektrikers, der zu Unrecht entlassen wurde, am Herzen liegt – aber nicht das von Menschen, die zu Unrecht in Foltergefängnisse abgeschoben werden.
Gerade aus einer Perspektive der Meinungsfreiheit heraus ist da jetzt offenbar etwas im Gange. Die Regierung scheint im Moment, wenn es um ausländische Studierende geht, einfach alle ins Visier zu nehmen. Ich habe das nicht ganz durchdrungen, aber eine Zeit lang war das ziemlich eindeutig – besonders im Fall von Rümeysa Öztürk, der Tufts-Studentin.
Mounk: Genau. Sie hatte gemeinsam mit mehreren Co-Autoren einen Meinungsbeitrag in der Studentenzeitung von Tufts veröffentlicht. Ich muss gestehen, ich habe ihn nicht gelesen. Vielleicht hätte ich bei ein paar Punkten widersprochen – aber das klang alles ziemlich harmlos.
Singal: Ich habe ihn gelesen. Ja, er ist harmlos. Und ja, sie wurde auf offener Straße in Somerville festgenommen und nach Louisiana verfrachtet – und ist jetzt zum Glück wieder frei. Aber es ist völlig klar, dass gezielt gegen pro-palästinensischen oder israelkritischen Aktivismus vorgegangen wird. Und das war sogar noch bevor dieser spannende Artikel in der New York Times über Project 2025 erschien. Und dann gab es da auch noch Project Esther. Man kann nicht behaupten, für Meinungsfreiheit einzutreten, und gleichzeitig zu einem Angriff dieser Größenordnung schweigen.
Manche Leute haben eingewendet, dass jemand mit Studentenvisum oder Green Card technisch gesehen nicht dieselben Rechte habe wie ein US-Bürger. Aber das ist Haarspalterei. Hier geht es ganz offensichtlich um einen Angriff auf die Meinungsfreiheit – und der ist schlicht entsetzlich.
Ich denke, wir beide kennen Leute bei The Free Press und haben ein gutes Verhältnis zu ihnen. Ich habe sie dafür kritisiert, dass sie sich nicht etwas entschlossener positionieren. Sie haben zwar gute Recherchen zu den Folgen all dessen veröffentlicht, aber es ist kompliziert. Wenn du als anti-woke Figur oder Medium auftrittst, ziehst du zwangsläufig ein bestimmtes Publikum an – entweder Trump-Anhänger, Leute vom Typ alles niederbrennen – oder beides. Ich glaube, du und ich sind im Kern Institutionalisten. Wir wollen nichts niederbrennen – denn so fehlerhaft Institutionen auch sein mögen: Was aus ihrer Asche aufersteht, wird vermutlich schlimmer sein.
Mounk: Das ist, glaube ich, im Moment die grundlegende Trennlinie an den Universitäten. Ich sehe sehr klar, was an amerikanischen Hochschulen alles im Argen liegt. Es gibt gute Gründe, warum sie in den Augen der US-Bevölkerung von breiter Zustimmung auf nur noch ein Drittel gefallen sind. Professoren und Universitätspräsidenten sollten deutlich mehr Selbstkritik üben und darüber nachdenken, wie sie dieses Vertrauen zurückgewinnen können. Aber eine Regierung, die es ehrlich meint mit einer Erneuerung, müsste diese Institutionen reformieren und stärken wollen. Was die Trump-Regierung stattdessen getan hat, ist eine parteipolitische Kalkulation – rational vielleicht, aber nicht moralisch: Sie geht davon aus, dass diese Orte ihnen ohnehin feindlich gesinnt sind. Und statt sie zu verändern, will sie sie mit allen Mitteln schwächen.
Wie du sagst: Ich bin kein alles niederbrennen-Typ. Das ist fatal – für all die Leute, die dort gute Arbeit machen, und für das langfristige Interesse der Vereinigten Staaten. Ganz zu schweigen von Menschen weltweit, die an Krebs oder anderen Krankheiten leiden und auf wissenschaftlichen Fortschritt angewiesen sind.
Was den größeren intellektuellen Raum betrifft: Wir befinden uns in einer seltsamen Situation, und ich bin innerlich etwas zerrissen. Aus zwei Gründen.
Erstens gibt es eine Gruppe von anti-woken Stimmen, deren Identität von Anfang an ausschließlich anti-woke war. Viele davon haben zu Trump beschämend geschwiegen – oder ihn sogar offen unterstützt und zur Wiederwahl aufgerufen. Ich habe mich nie als Teil dieses Lagers verstanden. Meine erste öffentliche Rolle bestand darin, vor der Bedrohung durch Populisten zu warnen – insbesondere von rechts –, die die liberale Demokratie gefährden. Einer der Gründe, warum mich die Exzesse der Linken so umgetrieben haben, war, dass ich überzeugt war: Sie stärken diese rechten Kräfte eher, als dass sie sie schwächen – zumindest auf der Wahlebene. Und ich muss sagen, die Leute, denen ich mich in den letzten Jahren am meisten verbunden gefühlt habe – bei denen ich ein echtes intellektuelles Verwandtschaftsgefühl hatte – haben sich sehr konsequent gezeigt. Klar, es gibt Leute wie Dave Rubin, die komplett ins Trump-Lager übergelaufen sind. Aber den kenne ich nicht. Das waren nie Leute, mit denen ich mich identifiziert hätte. Viele der klügeren Denker aus dem gemäßigten linken oder gemäßigten konservativen Spektrum, die sich sowohl über identitätspolitische Trends auf der Linken als auch über Trump und seine erste Amtszeit Sorgen machen, waren in ihrer Haltung durchweg konsistent.
Das gilt auch für Institutionen. Nimm zum Beispiel die Foundation for Individual Rights and Expression (FIRE). Auf Bluesky oder Twitter heißt es ständig: Warum äußert ihr euch nicht zu Fall X? Und wenn man dann auf deren Feed oder Website schaut, sieht man: Haben sie längst.
Singal: Auf Bluesky gibt es diesen Konsens, dass Leute wie Matt Yglesias, du oder ich insgeheim reaktionär oder faschistisch seien. Und das behaupten sie schon ewig. Aber die Leute, die ich respektiere – und in New York auch persönlich kenne – Leute wie dich, Mike Pesca, Katie Herzog – ich glaube, wir haben angemessen reagiert.
Viele sind noch immer extrem wütend darüber, dass es in den Jahren 2016 bis 2020 so etwas wie eine liberale kulturelle Hegemonie gab. Und eigentlich war sie nicht mal liberal – genau das war ja der Punkt. Ich will das Wort wokeness gar nicht verwenden, weil man dann sofort eins auf den Deckel bekommt. Aber wir haben damals Dinge kritisiert, die ganz real problematisch waren. Und manche Leute haben uns das nie verziehen. Es gibt sogar gerade wieder eine ganze Welle von Rückblicken auf den Harper’s Letter – fünf Jahre später. Die damalige Reaktion darauf irritiert mich bis heute. Aber es scheint da eine seltsame Obsession zu geben. Eine Gruppe von Leuten ist offenbar auch im Jahr 2025 noch überzeugt, dass das Zentrum der Linken die Wurzel allen Übels sei.
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Mounk: Der Harper’s Letter ist ein gutes Beispiel. Da haben über 200 Leute unterzeichnet. Es wurde versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die meisten davon sich nie gegen Trump geäußert hätten. Aber ehrlich gesagt: Es ist ziemlich schwer, jemanden auf dieser Liste zu finden, der nicht klar gegen Trump positioniert ist. Unter 200 Leuten gibt es vermutlich zwei oder drei Ausnahmen – wäre seltsam, wenn nicht.
Singal: In einer dieser Tabellen, die ein linkes Magazin zusammengestellt hat, haben sie Martin Amis aufgeführt. Das Problem dabei: Er ist 2023 gestorben – er konnte sich also nicht mehr gegen die Trump-Regierung äußern.
Mounk: Eine Frechheit, wirklich. Was mich als jemand, der selbst redaktionelle Entscheidungen trifft – in meinen Texten wie in diesem Podcast – immer wieder beschäftigt, ist die Frage: Was füge ich dem Diskurs eigentlich hinzu? Ich könnte jeden Tag eine Anklage gegen das schreiben, was die Trump-Regierung gestern schon wieder verbockt hat – an jedem einzelnen der vier Jahre ihrer Amtszeit. Und meistens hätte das auch Hand und Fuß. Bislang hat diese Regierung ja tatsächlich fast täglich irgendetwas völlig Ungeheuerliches getan. Aber das Problem ist: Tausend andere tun das auch. Ich bin kein Nachrichtenmedium. Die Leute hören diesen Podcast oder lesen meine Texte nicht, um zu erfahren, was gestern in Washington, D.C. passiert ist.
Ich kann da nur wärmstens ein Abo der New York Times empfehlen – oder meinetwegen auch vom Wall Street Journal oder der Washington Post. Oder man schaut bei der BBC vorbei. Aber das ist schlicht nicht meine Rolle im Diskurs. Meine Rolle besteht darin, etwas zur Debatte beizutragen – eine Ebene der Analyse, einen unterbelichteten Aspekt, ein ideologisches blinder Fleck innerhalb der jeweiligen politischen Bubble aufzuzeigen.
Ich finde es schwierig, mich zwischen diesen beiden Polen zu bewegen. Im Grunde versuche ich, auf jede dritte Kolumne eine zu setzen, in der ich meine Sorge über die Trump-Regierung thematisiere – und dazwischen zwei, in denen es einfach um ein intellektuelles Thema geht, das sonst gern untergeht.
Als wir das hier aufnehmen, habe ich gerade einen Artikel veröffentlicht, in dem ich zeige, wie irreführend die gängige Definition von Extraversion ist – und ich schlage eine neue Perspektive auf diesen Begriff vor. Ich finde es wichtig, sich diese Freiheit zu nehmen – einfach mal über ein interessantes Thema nachzudenken, das mit dem politischen Tagesgeschehen nichts zu tun hat. Aber ich bin da oft hin- und hergerissen. Jedes Mal frage ich mich: Will ich diesen Artikel wirklich schreiben? – wie neulich über den Versuch der Regierung, internationale Studierende an der Harvard University ins Visier zu nehmen? Was mich auch persönlich betrifft, da ich selbst internationaler Student an Harvard war. Ich glaube nicht, dass dieser Artikel dem Diskurs besonders viel Neues hinzugefügt hat. Ich hoffe, ich habe ihn gut geschrieben. Ich hoffe, ich habe ein paar interessante Punkte untergebracht. Aber es gab eben eine riesige Welle von Artikeln, die im Grunde dasselbe gesagt haben. Steven Pinker hatte in der New York Times einen sehr guten Beitrag mit ganz ähnlicher Argumentation.
Ich versuche also, das über die Zeit hinweg auszubalancieren. Aber es ist schwierig. Wie gehst du damit um – in deinem Podcast und in deinen eigenen Texten?
Singal: Es ist kompliziert. Ich glaube, du und ich haben den Vorteil, dass wir auch für andere Themen bekannt sind. Du bist für vieles bekannt – aber vor allem für deine Arbeit zum Populismus. Das gibt dir die Möglichkeit, solche Fragen mit einem fundierteren, eher analytischen Blick zu behandeln – und nicht einfach nur ständig wütend zu sein.
In meinem Fall – ich weiß nicht. Ich arbeite gerade an einem Buch über die Debatte rund um die medizinische Behandlung von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie. Ein großer Teil meines Newsletters dreht sich inzwischen darum. Ich denke, es gibt nach wie vor Raum für Kritik an linken Identitätspolitiken. Aber ja, ab und zu sage ich auch etwas zu Donald Trump, wenn mir danach ist. Ich glaube, die überwältigende Mehrheit meiner zahlenden Abonnenten ist anti-Trump. Aber sie bezahlen nicht, um noch eine weitere Trump-Schelte zu lesen.
Und ich stimme dir zu: Die wichtigste Arbeit leisten hier nach wie vor jene vielgescholtenen, klassischen Medienhäuser. Im Moment gibt es einfach niemanden außer der New York Times, der Washington Post und The Atlantic, der ernsthaft über Trump berichtet oder überhaupt in der Lage ist, neue Informationen ans Licht zu bringen – bei allem, was man an diesen Medien auch kritisieren kann.
Und dann ist da noch der Punkt: Du, ich, jeder andere Autor – wir haben nur dieses eine Leben. Wenn ich mich ausschließlich auf Trump konzentrieren würde, würde ich durchdrehen. Es ist einfach eine permanente Quelle von Empörung und moralischer Groteske.
Nur ein Beispiel – wir haben im Podcast über seine Meme-Coin-Abzocke gesprochen, oder generell über Meme-Coins. Das ist so ein Bereich, wo sich unsere Beschäftigung mit Online-Kultur plötzlich mit Trump überschneidet. Ich glaube, man muss sich seine Momente gezielt aussuchen. Manche Leute haben daraus eine ganze Karriere gemacht: ständige Wut auf Republikaner, auf Konservative. Die machen ihr Ding – und einige verdienen nicht schlecht damit. Aber das ist nicht unser Ansatz. Und ich habe gute Gründe – auch ganz pragmatische –, warum ich diesen Weg nicht gehe.
Mounk: Du hast vorhin erwähnt, dass du versuchst, den Begriff woke zu vermeiden. Ich tue das meistens auch – obwohl es die wohl kompakteste Art ist, um das zu benennen, was wir mit identitätspolitischen Haltungen auf der Linken meinen.
James Lindsay – der in den letzten Jahren eine ziemlich interessante Reise quer durchs politische Spektrum gemacht hat – hat sich kürzlich auf überraschende und durchaus mutige Weise gegen die destruktivsten, teils offen rassistischen und antisemitischen Ecken der Online-Rechten positioniert. Er nennt dieses Phänomen nun die woke Rechte. Die Implikation ist: Es gibt inzwischen auf der Rechten ganz ähnliche ideologische Reflexe und Disziplinierungsmechanismen wie früher auf Seiten der woken Linken – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Was hältst du von dem Begriff? Ich bin da ein wenig hin- und hergerissen – ich erkläre gleich, warum. Aber findest du ihn hilfreich? Bringt er etwas auf den Punkt?
Singal: Ich finde es durchaus sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass Ideologen jeglicher Couleur oft dieselben Taktiken benutzen – und auch dieselben kognitiven Muster zeigen. Es gibt dieses berühmte Bonmot: Dass Nazi-Offiziere und sowjetische Offiziere sich am Ende ganz gut verstanden – weil sie merkten, dass sie sich gar nicht so unähnlich waren. Das ist natürlich ein Extrembeispiel.
Aber woke Rechte ist ein brauchbares Schlagwort, um das Phänomen zu beschreiben. Es ist ohnehin schwierig, die MAGA-Bewegung zu fassen – keine Ahnung, wie historisch einmalig das ist –, aber sie basiert im Kern auf Ressentiment. Da ist kein Substanzkern. Wenn die Zölle steigen: „super“. Wenn sie fallen: „auch super“. Art of the Deal, und so weiter. Die identitätspolitische Linke hat immerhin ein Set an heiligen Überzeugungen. Jonathan Haidts Konzept der sacred beliefs (unantastbare Überzeugungen) finde ich da sehr hilfreich. Geh mal in ein MAGA-Milieu und versuch zu erklären, dass es keine massenhafte Mordwelle durch Einwanderer gibt, dass diese Erzählung maßlos übertrieben ist – unabhängig davon, wie man die aktuelle Migrationspolitik unter Biden bewertet. Ich weiß nicht, ob woke Rechte wirklich mehr erklärt als die bisherigen Kategorien, aber ich finde schon: Wenn man eines ihrer heiligen Themen berührt, rasten sie aus – genau wie auf der anderen Seite.
Andererseits – wenn du und ich mit MAGA-Leuten zu tun haben, dann meist auf X. Aber das ist nicht das, was zählt. Das sind nicht die Leute, die Wahlen entscheiden. Es sind wie immer die politikferneren, informationsärmeren Wählergruppen in Gegenden, die wir kaum sehen. Und was die denken? Keine Ahnung. Ich glaube aber, einige davon werden sich von Trump abwenden.
Mounk: Ich glaube, da ticken wir ähnlich. Also lass uns mal ein paar Dinge auseinanderhalten. Ich sehe zwei Parallelen zwischen woker Linken und woker Rechten, und eine wichtige Unterscheidung. Woke Rechte ist ein nützliches Schlagwort, um auf diese Parallelen aufmerksam zu machen. Aber die Parallelen, die man sieht, gibt es auch bei einer ganzen Reihe anderer politischer Bewegungen – deshalb finde ich den Begriff letztlich weniger treffend, als er zunächst scheint.
Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an. Erstens: das Loyalitätsgebot, das du gerade erwähnt hast. Wenn du zur Rechten gehörst und dazugehören willst, musst du Trump gut finden. Sobald du ihn kritisierst, bist du raus. Auf der Linken ist das oft nicht ganz so strikt – aber auch dort gibt es diesen Reflex. Ich höre gerade das Buch von Jake Tapper und Alex Thompson über Biden. Wer 2023 oder 2024 auch nur andeutete, dass Biden vielleicht nicht mehr ganz fit für das Amt sei, wurde sofort mit Loyalitätsforderungen konfrontiert – auch von Leuten, die keineswegs woke waren.
Singal: Du musstest zum Beispiel Black Lives Matter sagen. Natürlich zählen schwarze Leben – aber in vielen linken Mainstream-Milieus wurde das fast zu einem Kult. Leute wurden zu Vordenkern hochgejubelt, die wenig Substanz hatten oder intellektuell kaum überzeugten. Diese Art von Konformitätsdruck – dieses „Sag den Satz, Bart“ – gab es definitiv in demokratischen Mainstream-Kreisen.
Und auf der Rechten dreht sich inzwischen alles nur noch um eine Person. Die einzige ideologische Voraussetzung ist der Glaube an Trump. Es gibt eigentlich nichts anderes – außer vielleicht einer Abneigung gegen Einwanderer. Aber selbst da: Wenn Trump morgen seine Meinung ändern würde – was er natürlich nicht tun wird –, würden sie sofort mitziehen und sagen: „Jetzt mögen wir Migranten.“ Es ist eine seltsame Bewegung.
Mounk: Das ist eine Parallele – aber eine, die viele hochmobilisierte politische Bewegungen in polarisierten Gesellschaften teilen. Wenn du AMLO in Mexiko kritisierst, kriegst du dieselbe Reaktion. Wenn du Modi in Indien kritisierst – vor allem, wenn du früher Unterstützer warst – ganz genauso. Und es gäbe noch viele weitere Beispiele. Es gibt also tatsächlich eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen woker Linken und woker Rechten, aber sie ist Teil eines viel größeren Musters.
Dasselbe gilt für manche dieser Cancel-Mechanismen. Ich habe schon immer argumentiert, dass die zutiefst illiberale Art, wie auf der Linken mit kleineren Abweichungen umgegangen wird, nicht neu ist – sondern erinnert an andere Momente moralischer Panik oder ideologischer Disziplinierung in der Geschichte. Die Extrembeispiele wären die Hexenprozesse von Salem oder die Kulturrevolution. Es gibt aber auch mildere Varianten davon, bei denen Menschen aus dem gesellschaftlichen Diskurs gedrängt werden – ohne dass es gleich tödlich endet wie im Massachusetts des 17. Jahrhunderts oder im China der 1960er.
Und wieder lohnt es sich, die Doppelmoral aufzuzeigen: Man hasst dieses Verhalten auf der Linken – aber wenn jemand Trump widerspricht oder innerhalb der Rechten versucht, rassistische oder antisemitische Stimmen an den Rand zu drängen, dann heißt es plötzlich: Der gehört nicht mehr zu uns, der ist moralisch verdorben. Das ist ein ekelhafter Mechanismus – und sehr ähnlich dem, was wir in den letzten Jahren auf der Linken gesehen haben. Aber auch hier gilt: Das ist kein woke-spezifisches Problem. Es ist Teil eines breiteren, zutiefst menschlichen Musters, vor dem wir uns immer wieder in Acht nehmen müssen.
Und mein dritter Punkt – warum ich gegenüber dem Begriff woke Rechte etwas skeptisch bin: Ich glaube, die woke Linke – kein Begriff, den ich besonders mag; mir ist Identitätssynthese lieber – war tatsächlich eine ideologische Bewegung. Sie hatte ein Set konkreter Ideen, die ihr zugrunde lagen. Man kann sie nicht verstehen, ohne sich mit ihrer ideengeschichtlichen Herkunft auseinanderzusetzen. Ich sehe keine echte ideologische Entsprechung auf der Rechten.
Singal: Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, was eigentlich die Ideologie dieser sogenannten woken Linken war. Im Großen und Ganzen war sie gegen Rassismus, gegen schlechte Dinge und für gute Dinge. Manche Vertreter forderten, die Polizei abzuschaffen oder zu entfinanzieren, andere meinten dann wieder: Nein, nein, so war das nicht gemeint. Deshalb weiß ich nicht genau, was das ideologische Projekt eigentlich sein sollte – außer dieser merkwürdigen Mischung aus bürgerlich-progressiven Anliegen. Siehst du da mehr Substanz? Ich glaube jedenfalls, dass sie ideologisch stringenter war als der Trumpismus.
Mounk: Keine politische Bewegung hat ein vollkommen einheitliches Programm, und jede umfasst ein gewisses ideologisches Spektrum. Selbst marxistische Bewegungen – die ja stark koordiniert waren, teils durch Organisationen wie die Sozialistische Internationale, teils durch harte Repression, sowohl innerhalb der Bewegung als auch insbesondere dort, wo sie an der Macht war – hatten reale innere Spannungen. Es gab etwa die berühmte Auseinandersetzung zwischen Karl Kautsky und Georg Lukács darüber, ob reformistische Sozialdemokratie legitim sei oder ob man eine revolutionäre Strategie verfolgen müsse.
Ich denke, zwei Personen, die wir beide gern kritisieren – und vielleicht auch ein bisschen verspotten – Robin DiAngelo und Ibram X. Kendi, haben vermutlich ziemlich unterschiedliche Ansichten. Und beide sind definitiv weniger reflektiert als die Gründergestalten der Bewegung – etwa Derrick Bell oder Kimberlé Crenshaw.
Ich glaube aber schon, dass es ein paar grundlegende Annahmen gibt, die den meisten Vertretern dieser Strömung gemeinsam sind. Erstens: Die Welt soll primär durch die Brille von Identitätskategorien wie Rasse, Geschlecht oder sexueller Orientierung verstanden werden.
Zweitens: Eine tiefe Ablehnung universeller politischer Prinzipien. Diese Ideologien gründen sich explizit auf die Zurückweisung von Bewegungen wie der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die sagten: Wir wurden von den eigentlich neutralen Prinzipien der amerikanischen Verfassung ausgeschlossen. Die Gründerväter sagten, alle Menschen seien gleich geschaffen – aber das entsprach offensichtlich nicht der Realität schwarzer Amerikaner. Die Lösung, so die Bürgerrechtler, bestand darin, diese Prinzipien endlich ernst zu nehmen.
Im Kern der woken Ideologien steht genau das Gegenteil: Die Lösung besteht nicht darin, diesen Prinzipien gerecht zu werden – sondern darin, eine Gesellschaft zu schaffen, in der unser Umgang miteinander, im Privaten wie in staatlichen oder institutionellen Kontexten, explizit davon abhängt, welcher Identitätsgruppe man angehört.
Singal: Und genau das war ja das Problem. Die Leute sagten: Verwendet nicht den Begriff wokeness. Was soll das überhaupt heißen? Aber wenn man seit 2015 in progressiven Milieus unterwegs war, war völlig klar, dass sich da ein ganzes Regelwerk rund um Identität etabliert hatte. Und vieles davon lief im Kern darauf hinaus: Wer mehr unterdrückt ist, gewinnt. Im Rückblick klingt das lächerlich – aber so war es nun mal. Und das war von Anfang an eine Sackgasse, weil es viel zu kompliziert ist.
Erstens: Die Person mit der größeren Opferrolle kann schlicht im Unrecht sein. Zweitens: Es ist wahnsinnig schwer zu bestimmen, wer „mehr“ unterdrückt ist – dafür bräuchte man eine komplizierte, intersektionale Bewertungsmatrix.
Ich lag damals sicher auch bei vielem falsch – aber einige von uns haben das erkannt und darüber geschrieben. Matt Bruenig und Freddie deBoer zum Beispiel – beides linke Denker – haben das schon sehr früh thematisiert. Sie wurden ignoriert. Wir wurden ignoriert. Ich glaube, heute ist das alles ein bisschen leiser geworden – aber keiner will so recht zugeben, wie übertrieben und abschreckend das Ganze war. Ich glaube nicht, dass es da eine direkte Linie zu Trump gibt.
Aber ich glaube sehr wohl, dass jeder – und das gilt auch heute noch für diese radikal-linken Online-Räume – der dem einfach als normaler Durchschnittsamerikaner begegnet, das als zutiefst abstoßend empfindet: dieses Konkurrenzspiel der Unterdrückung, diese Kaltherzigkeit im Umgang miteinander.
Die MAGA-Rechte ist inzwischen in anderen – und deutlich gravierenderen – Punkten kaltherzig. Aber wir haben es auf der Linken einfach nicht geschafft, ein offenes, tolerantes Umfeld zu schaffen, das Widerspruch zulässt. Denkst du, dass es nun – angesichts der erneuten Trump-Bedrohung – eine echte Aufarbeitung geben könnte? Zumindest innerhalb der Demokratischen Partei? Ein Beispiel ist ja Ezra Klein und Derek Thompson. Ihr Buch Abundance dreht sich nicht direkt um woke Fragen – aber es formuliert eine positive Vision, statt sich nur in destruktiver Kritik zu erschöpfen.
Mounk: Das Buch wurde sofort von einer ganzen Reihe progressiver Stimmen verdammt. Es hat eine zuvor eher technokratisch geführte Debatte in der Demokratischen Partei plötzlich sehr polarisiert. Ich teile die Positionen von Klein und Thompson in weiten Teilen. Aber viele in der breiteren demokratischen Koalition haben sich sehr klar dagegen positioniert. Zwei Beobachtungen dazu.
Erstens: Ich teile dein Gefühl, dass es keine wirkliche intellektuelle Aufarbeitung dieser Jahre gegeben hat – und auch keine politische. Ich habe The Identity Trap teils deshalb geschrieben, weil ich davon ausging, dass wir hier eine Debatte führen werden, die uns 20 oder 25 Jahre lang begleiten wird. Und ich war überrascht, wie plötzlich bei vielen der zentralen Streitpunkte von vor fünf Jahren nur noch betretenes Schweigen herrscht.
Es ist, als würde man sagen: Ach, das hat doch nie jemand wirklich geglaubt. Warum fragst du überhaupt? Das Ganze wurde abmoderiert, ohne dass man sich mit den damaligen Positionen ernsthaft auseinandergesetzt hätte. Besonders toxische politische Forderungen – etwa die Idee, die Polizei abzuschaffen – wurden zwar stillschweigend beerdigt, aber das ideologische Fundament, das damals formuliert wurde, steht immer noch.
Und genau deshalb stehen wir beim nächsten politischen Zyklus wieder vor denselben unpopulären Forderungen. Denn die demokratische Parteistruktur – stark beeinflusst von Aktivistengruppen, die vorgeben, für unterrepräsentierte Gruppen zu sprechen, tatsächlich aber von wohlhabenden Akademikern geführt und finanziert werden – treibt die Partei in die falsche Richtung. Die ideologischen Ursachen wurden nie wirklich hinterfragt.
Zweitens: Ich fürchte, dass Trump – einfach durch die Radikalität seiner Politik – diese Aufarbeitung massiv erschwert. Es gab einen Moment, direkt nach dem Rückzug von Kamala Harris, in dem es so aussah, als würde sich tatsächlich etwas bewegen. Als stünde ein Kurswechsel bevor. Aber sobald Trump zurück im Amt war und wieder extreme Dinge tat, setzte sich der Reflex durch: Jetzt ist nicht die Zeit für interne Debatten, jetzt keine Selbstkritik, jetzt keine strategische Neuausrichtung für 2028. Stattdessen: Trump ist gefährlich – und was wir machen, ist schon in Ordnung. Dabei werden dann teilweise ziemlich schlechte Positionen verteidigt oder man solidarisiert sich mit ausgesprochen unpopulären Figuren.
Was wir eigentlich bräuchten, ist mehr Differenzierung. Wir müssen Harvard gegen die aktuellen Angriffe verteidigen – wie ich es auch in meinen Texten tue – und gleichzeitig anerkennen, dass es dort echte Probleme gibt. Wir müssen Studierende verteidigen, die ohne ordentliches Verfahren abgeschoben werden – oft unter fadenscheinigen Vorwänden. Aber wir müssen auch sagen dürfen, dass einige der pro-palästinensischen Proteste – so berechtigt das Anliegen sein mag – gegen Uni-Regeln verstoßen haben, wahrscheinlich Gesetze gebrochen haben und gezielt Druck auf Andersdenkende ausgeübt haben – auf eine Art, die wirklich bedenklich ist. Aber genau diese Art von differenzierter Argumentation ist kaum möglich, wenn der politische Gegner Trump heißt.
Deshalb fürchte ich, dass wir – gemessen daran, wie MSNBC heute klingt, wahrscheinlich auch CNN, und wohl auch der nächste demokratische Präsidentschaftskandidat im Jahr 2028 – uns nicht wirklich von den unpopulärsten Positionen der letzten Jahre distanzieren werden. Vielleicht tun wir das in Einzelfragen – etwa bei der Frage, ob Menschen, die männliche Pubertät durchlaufen haben, im Frauensport antreten dürfen. Vielleicht. Aber eben nicht eine Ebene tiefer.
Singal: Bei den demokratischen Vorwahlen spielt eine ganze Reihe dynamischer Faktoren eine Rolle, und es kann gut sein, dass am Ende jemand nominiert wird, der nicht gerade überzeugend ist. Ich bin trotzdem ein bisschen optimistischer – einfach, weil so viele Leute involviert sind. Es gibt da zwei Dinge: Einerseits die Gruppen, also Aktivistengruppen, die sich in den letzten Jahren ein Stück weit mit einer Art sanfter Erpressung durchgesetzt haben. Ich weiß nicht mehr, woher ich das habe – ich glaube, es war eine Kolumne von Ezra Klein –, aber da hieß es sinngemäß: „Es wäre doch schade, wenn du uns widersprichst und wir dich daraufhin öffentlich als Rassisten bezeichnen müssten.“ Ich glaube, viele gemäßigte Demokraten in Washington haben einfach keine Lust mehr, sich dem zu beugen. Diese Art von Vorwürfen hat ihren Biss verloren.
Außerdem gibt es viele Leute, die wirklich Macht und Einfluss wollen. Ich mache hier ein marktökonomisches Argument: Viele Menschen setzen viel daran, dass die Demokraten regieren. Und ich denke, sie merken inzwischen, dass das, was in den letzten Jahren gelaufen ist, einfach nicht funktioniert.
Was mir wirklich Sorgen macht, ist dieses Argument: Wie kannst du behaupten, Kamala Harris sei zu weit links gewesen? Sie war doch so moderat, so zentristisch! Das finde ich wirklich abwegig – es gibt schließlich Videos. Wir wissen genau, was sie 2019 und 2020 gesagt hat.
Ich hoffe einfach, dass man jemanden findet, der über Jahre hinweg eine gemäßigte, verlässliche Linie vertreten hat. Und gemäßigt zu sein heißt ja nicht, dass man nicht über wirtschaftliche Ungleichheit oder wichtige Themen wie Wohnungsnot reden darf. Es heißt nur: keine Positionen vertreten, bei denen 80 Prozent der Wähler auf der anderen Seite stehen. Ich hoffe, die Demokraten beginnen zu verstehen: Wer das tut, ist schlicht kein geeigneter Kandidat für ein landesweites Amt. Was mir Sorgen macht, ist dieses Spannungsverhältnis zwischen dem, was von oben gesteuert wird, und dem, was an der Basis passiert. Vielleicht glauben viele an der Basis weiterhin, dass AOC eine vielversprechende Präsidentschaftskandidatin ist – und vielleicht landen wir dann tatsächlich da. Ich hoffe nur, es kommt anders.
Mounk: Interessant ist ja: Ich glaube gar nicht, dass es entscheidend ist, wo jemand früher einmal stand. Idealerweise ist man nicht allzu eng mit unpopulären Positionen aus der Vergangenheit verbunden. Wichtiger ist, ob jemand bereit ist, sich offen gegen jene Flügel der eigenen Partei zu stellen, die an diesen unpopulären Positionen festhalten. Kamala Harris’ Problem war, glaube ich, nicht, dass sie 2019 oder 2020 Unpopuläres gesagt hat. Das Problem war, dass sie sich 2024 nicht aktiv davon distanziert hat.
Singal: Dass sie es unterlassen hat, klar zu sagen, was sie heute anders machen würde – und Joe Biden nicht öffentlich in Frage zu stellen, obwohl das ihr einziger Weg nach vorn gewesen wäre –, wird rückblickend als monumentaler strategischer Fehler gelten. Es war katastrophal.
Mounk: Gerade im Umgang mit einem amtierenden Präsidenten, der damals extrem unpopulär war, stimmt das absolut. Aber selbst bei den kulturellen Themen reicht es eben nicht, zu sagen: Ich habe 2019 und 2020 Dinge gesagt, die als unpatriotisch wahrgenommen wurden – heute sage ich, dass ich patriotisch bin. Man muss auch offen sagen: Ich lag damals falsch. Und die Leute in meiner Partei, die heute noch diese Positionen vertreten, liegen ebenfalls falsch.
In der Demokratischen Partei gibt es ein riesiges Bedürfnis, die Koalition irgendwie zusammenzuhalten – das ist verständlich. Es liegt auch am politischen System in den USA, das sehr breite Koalitionen erfordert. Aber viele Menschen haben den Eindruck: Harris traut sich nicht zu Joe Rogan, weil sie Angst hat, dass ihre jüngeren Mitarbeiter sie dann kritisieren. Sie scheut sich davor, diese unpopulären Positionen anzugreifen. Sie vertritt sie zwar nicht aktiv – aber sie sagt auch nicht klar, dass sie sie ablehnt. Sie wirkt gefangen in den Erwartungen gewisser Parteiflügel. Und dann fragt man sich: Wenn sie mal im Amt ist – kann ich ihr wirklich zutrauen, dass sie die Interessen normaler Amerikaner vertritt? Oder wird sie dann immer noch an diesen Erwartungen kleben?
Ich glaube, das Wichtigste für einen demokratischen Kandidaten im Jahr 2028 wird sein: Ich vertrete Werte, die mit der Mehrheit der Bevölkerung übereinstimmen. Vielleicht sehe ich in bestimmten Punkten etwas anders – aber ich bin ehrlich genug, das offen zu sagen. Und dazu gehört eben auch, Dinge zu sagen, die dem linken Flügel meiner Partei nicht gefallen werden. Und davor habe ich keine Angst. Genau diese Authentizität und diese Art von Mut braucht es.
Man kann das als eine Art "kostspieliges Signal" betrachten: Wie kann ich einem Politiker glauben, dass er wirklich für gesunden Menschenverstand eintritt? Indem er bereit ist, sich dafür auch mal Gegenwind einzuhandeln. Und das Problem an Harris’ Kampagne war: Sie wollte nie solche Signale aussenden – und deshalb glaubte ihr am Ende niemand.
Singal: Ja, sie hing in der Luft – frühere Aussagen standen im Raum, aber sie ging ihnen nie offensiv entgegen. Und solange sie das nicht tat, blieb sie darin gefangen.
Ich kann mir auch kaum vorstellen, wie AOC so eine Rede halten würde – in der sie sagt: Ich bin in manchen Punkten zu weit gegangen. Es gibt ja jetzt schon viele Leute auf der Linken, die AOC nicht links genug finden. Sie wird regelmäßig in sozialistischen Kreisen kritisiert. Ich glaube, sie hätte große Schwierigkeiten, sich wirklich zurückzunehmen.
Mounk: Da stimme ich dir zu. Ich bin wirklich kein Fan von AOC – und ich finde es bezeichnend, dass sie auf manchen Wettportalen derzeit als Favoritin für die Nominierung gehandelt wird. Es gibt sogar viele gemäßigte Demokraten, die sagen: Vielleicht wäre sie gar nicht so schlimm.
Ich glaube nicht, dass sie das tun würde, was du gerade beschrieben hast. Das entspricht weder ihrer Ideologie noch ihrem Charakter. Aber wenn sie es täte – wenn sie offen sagen würde: Ich habe mich bei vielem geirrt, aber ich war immer authentisch, und ich spreche heute genauso offen über meine Irrtümer, wie ich damals offen für diese Positionen eingetreten bin –, dann könnte das tatsächlich eine interessante politische Positionierung sein. Aber ich halte es nicht für wahrscheinlich.
Ich möchte noch auf zwei Dinge zu sprechen kommen, über die du viel geschrieben hast – und gerade schreibst. Fangen wir mit den Sozialwissenschaften an. Du hast vor ein paar Jahren ein Buch über die sogenannte Replikationskrise geschrieben. Für diejenigen, die das nicht mitbekommen haben: Was genau ist das Problem, und wie ernst ist es? Und für die, die das damals verfolgt haben und ein Update wollen: Hat sich zehn Jahre später etwas verbessert? Kommt die akademische Forschung heute besser mit diesen Schwächen klar – oder steckt die Sozialwissenschaft immer noch in der Krise?
Singal: Die These war damals schlicht: Viele publizierte Forschungsergebnisse – weil Wissenschaftler Abkürzungen nehmen, manchmal bewusst, manchmal unabsichtlich, und weil grundlegende statistische Zusammenhänge oft unterschätzt werden – sind schlicht falsch oder irreführend. Einige dieser Ideen landeten dann auf TED-Bühnen, klangen gut, aber hielten keiner Überprüfung stand. Sobald andere Forscher – oder dieselben – versuchten, das Ergebnis zu replizieren, scheiterten sie. Das ist die Replikationskrise.
Hat sich seither etwas verbessert? Insgesamt eher nicht. Es gibt gute Debatten dazu, und es wurden Replikationszentren eingerichtet. Vielleicht eine leichte Besserung. Mein nächstes größeres Projekt ist ein Buch über medizinische Behandlungen von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie – ein Mix aus medizinischer und psychologischer Forschung, die die Grundlage für Pubertätsblocker, Hormone oder sogenannte Top-Surgery bildet. Und was ich da gefunden habe – fast alles seit 2020 erschienen – ist schlicht katastrophal. Es fehlt an Qualitätssicherung – selbst in führenden Fachzeitschriften wie dem New England Journal of Medicine oder den Journals der American Medical Association. Das ist erschütternd.
Ich versuche eigentlich immer, der vorsichtige, vernünftige Typ zu sein – der Yascha-artige Typ. Und wenn ich hier „erschütternd“ sage, dann meine ich: In diesen Studien finden sich Fehler und Übertreibungen, die man schon im ersten Semester eines Methoden-Seminars lernen sollte – selbst im Bachelorstudium. Es wird einfach maßlos übertrieben, was die Daten hergeben.
Mounk: Gib uns mal ein Beispiel. Was ist eine besonders auffällige oder einflussreiche Studie, bei der solche methodischen Fehler aufgetreten sind?
Singal: Sicher. Da gab es eine Studie im New England Journal of Medicine. Ich habe mehrere Texte dazu geschrieben. Die Autoren hatten ihre Studie vorab registriert. Ich weiß die Zahlen nicht mehr ganz genau, aber sie hatten angekündigt, acht Variablen zu untersuchen. Die Hypothese war: Wenn Jugendliche Hormone erhalten, verbessern sich diese acht Faktoren.
Erstens: Das waren Jugendliche in Gender-Kliniken – viele erhielten parallel Psychotherapie oder Medikamente, zum Beispiel gegen Depressionen oder Angstzustände, wie sie oft mit Geschlechtsdysphorie einhergehen. Wenn man solche Einflussfaktoren nicht kontrolliert – wenn man also einfach jemanden bei Zeitpunkt null, eins, zwei, drei beobachtet und eine Verbesserung sieht –, dann weiß man nicht, woran das liegt. Man darf dann keine kausalen Aussagen treffen. Genau das aber haben sie getan. Sie behaupteten, die Hormone hätten geholfen.
Sie hatten acht Variablen vorab registriert – Angst, Depression, Trauma, Körperbild, Suizidalität etc. – aber sechs davon tauchten im finalen Paper einfach nicht mehr auf.
Mounk: Heißt: Sie hatten vorher angekündigt, acht Variablen zu analysieren. Und der Sinn einer Vorabregistrierung ist ja gerade, dass man im Nachhinein nicht einfach herumrechnet, bis etwas Signifikantes herauskommt – oder alles weglässt, was nicht ins gewünschte Ergebnis passt. Man legt sich vorher fest: Diese acht Faktoren werden untersucht.
Und dann erscheinen in der Veröffentlichung nur zwei dieser Faktoren, die sich angeblich verbessert haben – aber die anderen sechs fehlen, vermutlich, weil sie sich nicht verbessert haben. Sonst wären sie ja wohl genannt worden. Habe ich das richtig verstanden?
Singal: Genau. Außerdem haben sie im Nachhinein ihre Hypothese geändert – das nennt man Hypothesenbildung im Nachhinein. Man durchsucht also die Daten und behauptet dann, was immer in die gewünschte Richtung zeigt, sei ohnehin die ursprüngliche Hypothese gewesen. Das ist kein sauberes wissenschaftliches Arbeiten.
Einige der Verbesserungen waren zudem so gering, dass man nicht einmal weiß, ob sie klinisch relevant sind. Und nochmal: Das ist nicht irgendein obskures Journal. Das ist das New England Journal of Medicine. Und das waren Fehler, die sogar mir aufgefallen sind – und ich bin kein Experte.
Insgesamt ist mein Bild vom Zustand der Wissenschaft sicher davon beeinflusst, dass ich mich gerade in einem Bereich bewege, der massive – und sehr folgenreiche – Probleme hat. Es geht hier zwar nicht um 20 Millionen Kinder, die solche Behandlungen erhalten. Aber es geht um gravierende Eingriffe, und wer darüber nachdenkt, hat ein Anrecht auf verlässliche Daten.
Ich finde das alles ziemlich verstörend. Ich denke, viele Forscher wissen inzwischen, wer ich bin, und dass ich ein eher skeptisches Buch zu dem Thema schreibe. Aber es sagt einiges über den Zustand des intellektuellen Diskurses, dass man solche Studien veröffentlichen kann – und dann keinerlei Rückfragen mehr beantworten muss.
Das eigentliche Problem liegt aber bei den Gatekeepern. In der Studie hieß es wörtlich: Wir haben unserem vorab registrierten Studienplan gefolgt – obwohl das nachweislich nicht stimmt. Und das New England Journal of Medicine hat das durchgehen lassen. Sie haben es erlaubt, kausale Aussagen zu machen, die völlig unbegründet sind. Und wenn schon die Herausgeber solcher Zeitschriften ihren Job nicht ernst nehmen – was bleibt dann noch?
Mounk: Ich erinnere mich vielleicht nicht an jedes Detail ganz korrekt, aber ein weiterer Fall, der mich stutzig gemacht hat, war eine Studie, die mit erheblichen öffentlichen Mitteln finanziert wurde und der Frage nachging, wie hoch das Suizidrisiko bei Menschen mit Geschlechtsdysphorie ist. Ich glaube, es ging darum, ob dieses Risiko durch Hormontherapien oder gar geschlechtsangleichende Operationen verringert werden kann.
Soweit ich weiß, kam die Hauptautorin der Studie zu dem Ergebnis, dass sich die erhofften Verbesserungen nicht einstellten – und veröffentlichte die Studie dann jahrelang nicht. Ich glaube, sie hat sogar öffentlich eingeräumt, dass sie sich aus Sorge vor politischen Folgen gegen eine Veröffentlichung entschieden habe – weil das Ergebnis Gesetzgebungsverfahren beeinflussen könnte, und zwar in eine Richtung, die sie selbst ablehnt.
Singal: Ein paar Details stimmen so nicht ganz, aber im Kern geht es tatsächlich um dasselbe Team wie in der Studie, die ich gerade beschrieben habe – eine staatlich finanzierte Gruppe, die im New England Journal of Medicine publiziert hat. Die betreffende Forscherin ist Dr. Johanna Olson-Kennedy. Die Studie zu den Pubertätsblockern war sozusagen das Pendant zur Hormonstudie, von der ich eben sprach. Und ja: Sie sagte gegenüber Azeen Ghorayshi von der New York Times, man habe die Studie nicht veröffentlicht, weil man befürchtete, die Ergebnisse könnten politisch instrumentalisiert werden.
Was die Replikationskrise insgesamt angeht: Vielleicht gibt es in anderen Bereichen der Psychologie großartige Fortschritte – ich bin da eher skeptisch. Aber was ich beobachte, sind weiterhin gravierende Probleme.
Es gab auch ein Buch von Charles Piller mit dem Titel Doctored, das sich stärker mit medizinischen Themen befasst. Darin ging es unter anderem um einen massiven Skandal in der Alzheimer-Forschung – in diesem Fall handelte es sich um echten Betrug, nicht nur um schlampiges Arbeiten.
Wenn man das alles zusammenführt, ist klar: Diese Krise des Vertrauens in wissenschaftliche Autorität ist für sich genommen schon ein Desaster. Wir sollten den Studien, die veröffentlicht werden, vertrauen können. Aber ein Nebeneffekt ist, dass Figuren wie Trump dadurch Auftrieb erhalten – mit ihrer burn-it-all-down-Mentalität. Inzwischen spricht sogar jemand wie RFK Jr. – selbst ein Verschwörungstheoretiker – über die Replikationskrise. Und das Tragische ist: Er hat damit nicht völlig unrecht. Aber wir sollten nie in diese Lage geraten sein. Dass wir es doch sind, liegt daran, dass Experten immer wieder so gravierend versagt haben.
Mounk: Ich sehe hier zwei unterschiedliche Fragen im Hinblick auf die Sozialwissenschaften – aber ich will zuerst bei der Jugendmedizin bleiben.
Erstens: In jedem Forschungsfeld, das ideologisch stark aufgeladen ist, habe ich inzwischen große Zweifel an der Verlässlichkeit akademischer Studien. Das sieht man an vielen Stellen. Etwa wenn es um die Frage geht, ob bestimmte Gruppen – Frauen, ethnische oder religiöse Minderheiten – diskriminiert werden. Studien, die Diskriminierung feststellen, beruhen häufig auf kleineren Stichproben und sind methodisch oft schwächer als Studien, die keine Diskriminierung nachweisen. Das verzerrt unser Gesamtbild systematisch in eine Richtung. Ich glaube, dass es reale Diskriminierung gibt – aber durch den Auswahlmechanismus in der Publikationspraxis wird die Wahrnehmung in eine bestimmte Richtung gedrängt.
Zweitens: Es gibt Studien, die nicht wegen ideologischer Schlagseite, sondern wegen medialer Aufmerksamkeit veröffentlicht werden. Berühmt ist der Fall Francesca Gino, Professorin an der Harvard Business School, die sich – ironischerweise – mit Unehrlichkeit beschäftigte und dann offenbar wegen Datenmanipulation entlassen wurde. Solche Studien kommen in Umlauf, weil sie aufmerksamkeitsträchtig sind – nicht unbedingt wegen ihrer Ideologie.
Drittens: Karriereorientierung. In der Alzheimer-Forschung gab es eine Theorie, die nicht besonders medienwirksam oder ideologisch war – aber sie brachte einem Forscher enormen Status. Die gesamte Forschung richtete sich zwanzig Jahre lang auf eine biologische Erklärung aus, die sich inzwischen als falsch herausstellt. Das heißt: Zwanzig Jahre Forschung – im Grunde vergeudet.
Singal: Genau das thematisiere ich auch in meinem Buch. Es gibt diese nicht-politischen Faktoren – soweit überhaupt etwas unpolitisch ist –, bei denen sich eine Theorie durchsetzt, einfach weil sie früh da war. Sie bekommt den First-Mover-Vorteil, vor allem wenn sie mediale Aufmerksamkeit erzeugt. Und dann wird es extrem schwer, sich gegen sie zu stellen.
Im Fall Alzheimer war das die Amyloid-Plaque-Hypothese. Ich kenne die genaue Geschichte nicht, aber über zwanzig Jahre lang war die Forschung davon geprägt, dass diese Plaques im Gehirn ursächlich für die Krankheit seien. Dabei könnte es genauso gut sein, dass ein dritter Faktor sowohl die Symptome als auch die Plaques verursacht – dass die Plaques selbst also gar nicht der Auslöser sind. Laut den stärksten Kritikern dieser Theorie gab es fast so etwas wie ein Kartell, das andere Forscher draußen hielt.
Etwas Ähnliches, wenn auch weniger dramatisch, sah ich beim Implicit Association Test – dieser Computertest, der angeblich unbewusste Vorurteile misst. Anfangs gab es eine Flut von Studien, dann kam der große Medienhype – und bald machten Millionen den Test zuhause. Aber wenn man sich 2025 fragt, ob dieser Test irgendwo praktisch und zuverlässig angewendet wird: Fehlanzeige. Ich glaube, wenn der Test damals ergeben hätte, dass die meisten Menschen nicht rassistisch seien, hätte er sich nie durchgesetzt – weil das nicht dem Wunschbild vieler liberaler Wissenschaftler und Medienleute entsprochen hätte.
Was ich aus all dem gelernt habe: Wissenschaft ist im Grunde wie jede andere menschliche Institution. Es gibt nichts Unantastbares an der Wissenschaft oder an Wissenschaftlern. Gut gemachte Wissenschaft kann uns Erkenntnisse liefern wie nichts anderes – aber sie ist schwer gut zu machen.
Mounk: Ich glaube, es gibt eine überraschende Verbindung zwischen diesen beiden Debatten – der Frage, ob sich die Demokratische Partei von ihrer identitätspolitischen Ausrichtung lösen kann, und der Frage, wie sich wissenschaftliche Dogmen so lange halten können, selbst wenn sie längst überholt sind.
Thomas Kuhn erklärt das in Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Wenn Newtons Mechanik fast alles auf der Erde erklärt, aber z. B. nicht die Bahn der Venus um die Sonne – wie kam es dazu, dass Einsteins Relativitätstheorie akzeptiert wurde? Kuhn beschreibt: Ein wissenschaftliches Modell erklärt vieles, aber nicht alles. Anomalien häufen sich. Aber solange es kein besseres Modell gibt, hält man am alten fest. Selbst wenn ein neues Modell existiert, wird es lange nicht akzeptiert – weil Karrieren, ganze Leben an der alten Theorie hängen. Wer das Lebenswerk auf Newton aufgebaut hat, wird nicht mit Begeisterung auf Einstein umsteigen. Kuhns berühmtes Fazit: Wissenschaftliche Paradigmen ändern sich – ein Begräbnis nach dem anderen.
Ich glaube, genau das braucht auch die Demokratische Partei. Sie hat begonnen, die Schwächen ihres aktuellen Paradigmas zu erkennen – aber sie hat noch kein neues. Und solange das fehlt, bleibt alles beim Alten.
Gleichzeitig: Auch in der Wissenschaft bleibt man beim alten Modell – nicht, weil es gut funktioniert, sondern weil es keine brauchbare Alternative gibt. Und wer seine Karriere auf eine bestimmte Theorie gebaut hat – gerade wenn dabei auch wissenschaftlich unsauber gearbeitet wurde –, wird sie mit aller Kraft verteidigen. Aus Angst vor dem Absturz.
Singal: Ich glaube, da ist etwas dran – an dieser neuen Klasse von Alzheimer-Medikamenten, die als die ersten echten Fortschritte seit Jahrzehnten gefeiert wurden. Aber ehrlich gesagt: Sie wirken, soweit man sagen kann, so gut wie gar nicht.
Und genau diese Tendenz, sich an einer Theorie festzuklammern, obwohl man längst loslassen sollte – gerade wenn es keine überzeugende Alternative gibt –, sieht man hier besonders deutlich. Im Fall von Alzheimer ist es besonders schwierig: Es ist nicht wie bei Newton und Einstein, wo Einsteins Theorie die Mechanik in bestimmten Randbereichen besser beschreibt. Hier hat man eher das Gefühl, man müsste komplett neu anfangen. Vielleicht ist Alzheimer gar keine einzelne Krankheit, sondern ein Bündel verschiedener, miteinander verwobener Zustände. Oder – was schwer zu ertragen ist – vielleicht wird es einfach nie eine Heilung geben. All das ist denkbar.
Man kann sich alle soziologischen und psychologischen Gründe vorstellen, warum Menschen lieber an einer strauchelnden Theorie festhalten, als einzugestehen, dass sie falsch liegt. Und das zeigt einmal mehr: Wissenschaft ist zutiefst menschlich. Das dürfen wir nie vergessen.
Mounk: Eines der Themen, über die du in den letzten Jahren viel geschrieben hast, ist Transidentität – unter anderem eine Titelgeschichte für The Atlantic, die zu den ersten großen Beiträgen gehörte, die das Phänomen der sogenannten Detransitionen thematisierten: Menschen, die eine Transition durchlaufen haben und diese später bereuen. Kürzlich gab es ein wichtiges Urteil des Supreme Court in den USA – United States v. Skrmetti –, in dem der Gerichtshof Staaten das Recht zugesteht, bestimmte medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung bei Minderjährigen zu verbieten. Erklär uns, worum es bei dieser Debatte geht – und warum sie so kontrovers ist.
Singal: In den 2010er-Jahren gab es eine große Aufklärungskampagne zu Transidentität im Jugendalter – vor allem in liberalen Kreisen. Die Kernaussage war: Wenn ein Kind oder ein Teenager sagt, es sei trans, dann sollte man das im Regelfall ernst nehmen – ein bekannter Leitsatz war: „Trans-Kinder wissen, wer sie sind.“ In dieser Zeit stieg die Zahl der Minderjährigen, die sich in Gender-Kliniken vorstellten, stark an – mit dem Wunsch nach Pubertätsblockern, Hormonen oder, seltener, Operationen. Bei Minderjährigen ging es meist um sogenannte Top-Surgery – also Brustentfernungen. Bottom-Surgery – also die operative Veränderung der Genitalien – ist bei Minderjährigen sehr selten, kommt aber vor.
Mounk: Zur Klärung der Begriffe: Top-Surgery meint in der Regel eine doppelte Mastektomie – also die Entfernung der Brüste bei einer biologischen Frau. Bottom-Surgery bedeutet in der Regel entweder die Konstruktion eines Penis bei biologisch weiblichen Personen oder die Konstruktion einer künstlichen Vagina inklusive Penisentfernung bei biologisch männlichen Personen. Richtig?
Singal: Genau. Es gibt Streit darüber, wie oft solche Eingriffe tatsächlich stattfinden – die Datenlage ist schlecht, meist basierend auf Versicherungsdaten, die das Bild nicht vollständig abbilden. Aber was wir wissen: Doppelte Mastektomien wurden bei Jugendlichen im Alter von 13 oder 14 Jahren durchgeführt. Und es gibt praktisch keine belastbaren Daten dazu. Einige sehr schwache Studien fragen drei Monate später mit fragwürdigen Messinstrumenten nach dem Befinden. Die medizinische Fachwelt hat diese schwerwiegenden Eingriffe ohne echte Evidenz einfach vorangetrieben. Das führte irgendwann dazu, dass republikanisch regierte Bundesstaaten Gesetze erließen, um diese Behandlungen zu verbieten oder stark einzuschränken. Im Fall des Gesetzes in Tennessee haben liberale Gruppen gemeinsam mit betroffenen Eltern dagegen geklagt. Wenn man Nick Confessores Artikel im New York Times Magazine liest – der deckt sich mit vielem, was ich seit Jahren höre –, wird deutlich, dass viele Aktivisten das nicht für den richtigen Schauplatz hielten. Die Kläger versuchten, das Gesetz als geschlechtsdiskriminierend darzustellen: Man würde einem Jungen Testosteron geben, einer trans Frau aber nicht – also Diskriminierung.
Ich halte dieses Argument für ziemlich weit hergeholt, weil es hier um zwei völlig unterschiedliche medizinische Situationen geht. Das Gesetz richtet sich gegen bestimmte Behandlungen bei Geschlechtsdysphorie – nicht gegen Menschen aufgrund ihres biologischen Geschlechts.
Mounk: Ein Beispiel: Man gibt Kindern Pubertätsblocker, wenn sie eine verfrühte Pubertät haben – etwa mit sechs oder sieben Jahren. Ziel ist, das Einsetzen der Pubertät auf ein normales Alter zu verschieben. Liberale Argumentation: Wenn wir das für Kinder tun, um die natürliche Entwicklung zu fördern, warum nicht auch bei Kindern mit Geschlechtsdysphorie? Ist es nicht Diskriminierung, ihnen diese Medikamente zu verweigern? Konservative entgegnen: Es sind zwei unterschiedliche medizinische Ziele. Hier geht es nicht um das biologische Geschlecht der Person, sondern um die Indikation. Bei verfrühter Pubertät wartet man später einfach ab, bis die natürliche Entwicklung einsetzt. Bei Blockern zur Geschlechtsangleichung folgt fast immer die Gabe gegengeschlechtlicher Hormone – mit völlig anderen, langfristigen biologischen Folgen. Der Supreme Court äußerte sich nicht zur Schwere möglicher Nebenwirkungen, aber befand: Der Staat darf sich darüber Sorgen machen – und das ist ein legitimes öffentliches Interesse. Stimmt das so circa?
Singal: Es gibt juristische und logische Argumente. Juristisch ging es beim Vorwurf der Geschlechterdiskriminierung eher um Hormone, also Testosteron oder Östrogen – denn Pubertätsblocker gibt man beiden Geschlechtern. Hätten die Kläger mit dem Diskriminierungsargument Erfolg gehabt, hätte das eine strengere juristische Prüfung ausgelöst.
Aber bleiben wir bei der Logik: Die Argumentation von trans Aktivisten und liberalen Juristen lautete, dass es unfair sei, einem Mädchen mit Hirsutismus Gesichtsbehaarung zu entfernen, aber einer trans Frau – also einem biologischen Mann – nicht. Solche Vergleiche hinken. Pubertätsblocker bei verfrühter Pubertät enden mit der natürlichen Pubertät. Blocker in Kombination mit gegengeschlechtlichen Hormonen sind ein völlig anderes Protokoll. Und die Daten zeigen: Wer Blocker bekommt, nimmt fast immer anschließend Hormone. Nur weil es dieselbe Substanz ist, ist es nicht dieselbe Behandlung. Auch in der Medizin macht es einen Unterschied, ob ich jemandem mit Depressionen ein Antidepressivum verschreibe – oder jemandem mit Diabetes. Solche Differenzierungen sind normal. Das ist kein „konservatives“ Argument – es ist einfach logisch.
Mounk: Die eine Frage also ist: Diskriminiert man auf Basis des Geschlechts, wenn man dieselbe Substanz für das eine, aber nicht das andere Krankheitsbild einsetzt? Das sollen die Juristen beurteilen. Aber reden wir über die grundlegende Sachfrage: Warum müssen solche Entscheidungen so früh getroffen werden? Warum entscheiden 12- oder 13-Jährige über irreversible Schritte – in einem Alter, in dem sie nicht wählen dürfen? Es gibt einen Grund dafür: Wer Geschlechtsdysphorie erlebt, leidet oft massiv, wenn die Pubertät im „falschen“ Körper beginnt. Und wer vor der Pubertät mit medizinischer Transition beginnt, hat später deutlich bessere Chancen, gesellschaftlich als das gewünschte Geschlecht wahrgenommen zu werden. Das erzeugt enormen Druck, diese Entscheidung früh zu treffen. Deshalb sollten wir verstehen, warum viele Menschen diese frühe Behandlung für notwendig halten – und welche Risiken auf der anderen Seite stehen.
Singal: Es hängt immer stark vom Kontext ab. Wenn ein Kind bereits ganz zu Beginn der Pubertät Pubertätsblocker bekommt – also im allerfrühesten Stadium – und anschließend gegengeschlechtliche Hormone, dann hat man es a) mit Unfruchtbarkeit zu tun und b) höchstwahrscheinlich mit dauerhaft gestörter sexueller Funktion. Das wirft wirklich schwierige Fragen und Abwägungen auf. Denn: Das kann bei einem neun- oder zehnjährigen Kind der Fall sein. Die meisten Menschen haben Kinder. Die meisten Menschen haben Sex. Kann ein Kind wirklich in eine Entscheidung einwilligen, die bedeutet, dass es womöglich nie auf eine „normale“ Weise Sex haben oder eigene Kinder bekommen kann? Es gibt, aus meiner Sicht, eine ganze Menge irreführender Aussagen von Experten – wirklich verantwortungslose Irreführung.
Zum Beispiel wird oft behauptet, Pubertätsblocker führten nicht zur Unfruchtbarkeit – mit Verweis auf Studien über Kinder mit verfrühter Pubertät. Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es um Kinder, die Blocker bekommen und anschließend Hormone – die also nie ihre eigene, körpereigene Pubertät durchlaufen. Ich finde, gerade in liberalen Räumen wird über diese Abwägungen viel zu wenig offen gesprochen. Wir wissen es schlicht nicht. Ich könnte dir keine genauen Prozentsätze nennen. Wie viele Kinder erleben in welcher Phase sexuelle Funktionsstörungen? Ich habe mit einem Endokrinologen gesprochen, der diese Behandlungen grundsätzlich befürwortet. Ich habe ihn gefragt: Wenn ein Junge zwei Jahre lang Östrogen nimmt und dann merkt, dass er doch nicht trans ist – wird er dann noch sexuelle Funktion haben? Funktioniert sein Penis noch? Das ist unangenehm, weil es um Teenager geht – aber genau darum geht es hier. Und dieser führende Experte auf dem Gebiet sagte: Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, ob zwei Jahre dieser Behandlung dazu führen, dass man später keinen Sex mehr haben kann.
Für mich steht fest: Wer Eltern und Kinder umfassend aufklären will, muss über genau solche Risiken und Nebenwirkungen offen sprechen. Und ich stimme dir völlig zu: Für viele trans Menschen – vor allem in früheren Generationen – war das „Passing“, also gesellschaftlich als das gewünschte Geschlecht anerkannt zu werden, nicht nur wichtig, sondern eine Frage der Sicherheit. Besonders bei Transitionen von Mann zu Frau. Testosteron ist in vieler Hinsicht ein wirkmächtigeres Hormon als Östrogen – es verändert den Körper stärker. Wer eine männliche Pubertät durchläuft, wird später große Schwierigkeiten haben, als Frau zu „passen“.
Bei Frauen – also bei Transitionen von Frau zu Mann – ist es ein bisschen anders. Wenn man den kompletten Weg gehen will, muss man sich vielleicht die Brüste entfernen lassen. Aber man kann Testosteron nehmen, bekommt etwas Bartwuchs und wirkt wie ein kleiner, männlich erscheinender Mensch. Für Männer, die zur Frau transitionieren wollen, steht mehr auf dem Spiel. Und das ist nicht nichts. Wenn jemand trans ist und unter schwerer Dysphorie leidet, lehne ich diese konservative Haltung ab, die sagt: Es gibt keine trans Kinder oder man kann das Geschlecht nicht ändern. Das sind philosophische Aussagen. Wenn ein zehn- oder elfjähriges Kind in tiefer Not ist, muss man versuchen, zu helfen. Aber ich sehe eine massive Übertreibung auf Seiten der Befürworter dieser Behandlungen – und eine echte Korruption innerhalb der medizinischen Fachgesellschaften, die zu diesen Themen Richtlinien herausgeben.
Mounk: Was wäre denn deiner Meinung nach ein sinnvoller politischer Umgang mit diesem Thema? Einige europäische Länder, die gesellschaftlich durchaus als progressiv gelten, haben diese Art der geschlechtsangleichenden Behandlungen für Jugendliche zunächst relativ breit zugänglich gemacht – etwa im Fall der Tavistock-Klinik im Vereinigten Königreich. Später haben viele dieser Länder jedoch einen Rückzieher gemacht, weil sich herausstellte, dass es dort zu Fehlbehandlungen gekommen war, dass Ergebnisse nicht systematisch erfasst wurden, und dass es schlicht keine verlässlichen Langzeitdaten zu den Auswirkungen dieser Eingriffe auf Jugendliche gibt. Inzwischen sind solche Behandlungen in vielen Ländern außerhalb von Studien für Minderjährige verboten. In den USA wiederum verbieten einige Bundesstaaten die Behandlungen ganz, während andere sie ermöglichen. Die Position der Demokraten ist nach wie vor: Das ist allein eine Entscheidung, die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern treffen sollten.
Neulich habe ich mit Interesse beobachtet, dass Rahm Emanuel in der Show von Megyn Kelly sehr deutlich über Trans-Themen sprach – deutlich kritischer, als du es gerade getan hast. Er sagte sinngemäß: Männer können keine Frauen werden und umgekehrt. Aber als es um die medizinischen Entscheidungen für Minderjährige ging, sagte er: Letztlich ist das eine Entscheidung, die Eltern und Kinder gemeinsam treffen sollten – da hat der Staat sich rauszuhalten. Angesichts des berechtigten Wunschs vieler trans Menschen nach Behandlung, der hohen Tragweite dieser Eingriffe und der unklaren Studienlage: Ist das deiner Meinung nach ein sinnvoller Weg – oder eher ein Ausweichen vor der Verantwortung? Sollte der Staat, der in so vielen anderen medizinischen Fragen regulierend eingreift, hier wirklich völlig raushalten?
Singal: Ich würde ein paar Dinge dazu sagen. Ich tue mich inzwischen immer schwerer, eine ganz klare Antwort darauf zu geben, was die einzig richtige Lösung wäre. Aber ich kann vielleicht sagen, was sicher keine gute Antwort ist. Die Aussage, das sei allein eine Entscheidung zwischen Eltern, Kindern und Ärzten, setzt voraus, dass diese Ärzte auf einer soliden Wissensbasis arbeiten – oder dass sie sich auf Fachgesellschaften verlassen können, die ihre Arbeit gut machen. Aber wenn man sich anschaut, was bei WPATH – der World Professional Association for Transgender Health – passiert ist, wirkt das fast wie ein Klischee aus konservativen Horrorvisionen. In welchem Maß diese Organisation wissenschaftliche Prozesse blockiert und sogar eigene Forschung unterdrückt hat, um diese Behandlungen zu fördern – das ist wirklich schlimm. Und es war genau diese Organisation, an die man sich wendet, wenn man sich orientieren will. Wenn Eltern und Ärzte auf Grundlage der WPATH-Leitlinien solche schwerwiegenden Entscheidungen treffen, kann man nicht einfach sagen: Das ist ihre Entscheidung – Punkt. Also: Was tun?
Ich weiß es nicht. Der Vorteil in europäischen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Finnland oder Schweden ist, dass sie ein staatliches Gesundheitssystem haben. Dort gibt es zentrale Stellen, die sagen: Das decken wir ab, das nicht. Die machen systematische Evidenzprüfungen. Es gibt einen eingebauten wissenschaftlichen Konsens. Das, was wir gerade in den USA erleben, erscheint mir dagegen wie ein Worst-Case-Szenario. Wir haben fast schon eine „Post-Dobbs“-Situation, wie beim Abtreibungsrecht: In einem Bundesstaat ist alles verboten, im nächsten völlig erlaubt – und dazwischen ein paar Meilen Staatsgrenze. So kann man das Problem nicht lösen. Es gäbe durchaus Möglichkeiten für sinnvolle Gesetze auf Bundesstaatsebene – aber aus politischen Gründen haben die Republikaner das nie ernsthaft verfolgt. Man könnte sich ein Gesetz vorstellen, das einfach eine sorgfältigere Abklärung verlangt, mehr medizinische Sorgfalt.
Ich habe für den Economist über eine Klage gegen Joanna Olson Kennedy berichtet – wohl die prominenteste Verfechterin dieser Behandlungen in den USA. Sie macht das seit fast 20 Jahren. Ein Kind mit schwer traumatischer Vorgeschichte und anderen psychischen Problemen kam mit zwölf Jahren in ihre Klinik in Los Angeles und bekam beim ersten Besuch Pubertätsblocker, mit 13 Testosteron, mit 14 eine Mastektomie. Heute ist diese Person eine 20-jährige Studentin – und bereut alles. Niemand kann ernsthaft sagen, das sei verantwortungsvolle Medizin. Wenn es irgendwie möglich wäre, ein Gesetz zu schreiben, das solche Fahrlässigkeit verbietet, ohne gleich alles zu verbieten – ich könnte mir vorstellen, so ein Gesetz zu unterstützen. Aber ich weiß einfach nicht, wie so etwas genau aussehen müsste. Ich weiß nur: Der schizophrene Flickenteppich, auf den wir gerade zusteuern, ist keine Lösung.
Mounk: Vielleicht zum Abschluss nochmal ein Bogen zurück zum größeren Bild: Was mich immer wieder frappiert, ist, wie extrem polarisiert in den USA einfach jedes Thema wird – auf eine Weise, die wirklich destruktiv ist. Ich erinnere mich an die Pandemiezeit: Ich war ein paar Monate in Florida – das Wetter war toll, ich war mit Freunden in einer Art Pandemie-Bubble, wir gingen draußen essen. Und in der Mittagshitze saßen dann drinnen die 70- und 80-Jährigen dicht gedrängt in geschlossenen Räumen – völlig ohne Not. Später war ich im Juni – also lange nach der breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen – beim Fußballspiel meiner Nichte in einem Vorort von Philadelphia. Und da saßen die Eltern draußen, trugen Masken und hielten mehrere Meter Abstand.
Es scheint einfach unglaublich schwierig, in einer Gesellschaft wie dieser den richtigen Weg zu finden. Man kann medizinischen Autoritäten kaum noch trauen, weil sie sich zum Teil selbst zu Aktivistenorganisationen gemacht haben. Das wiederum führt zu einem Backlash, bei dem man die realen medizinischen Bedürfnisse und Nöte von Jugendlichen mit schwerer Dysphorie einfach leugnet. Das ist wohl das Amerika, mit dem wir uns jetzt abfinden müssen.
Singal: Ja, das ist wirklich traurig. Ich weiß es auch nicht. Aber ich stimme dir absolut zu. Es gibt eine massive konservative Überreaktion, und die Sprache in Trumps Exekutiverlassen ist darauf ausgelegt, noch Öl ins Feuer zu gießen. Das widert mich ehrlich gesagt an – weil er hier einfach auf eine wirklich verletzliche Gruppe einprügelt. Ich kann gar nicht genug betonen, wie verantwortungslos viele amerikanische Genderkliniken agiert haben – die diese Behandlungen ja teils seit den frühen 2000ern anbieten, spätestens aber seit Anfang der 2010er Jahre. Sie haben keine Daten erhoben, nichts veröffentlicht, einfach losgelegt – ohne wirklich zu wissen, was sie tun. Ich glaube, das wird als ein zutiefst enttäuschendes Kapitel in Erinnerung bleiben. Und die Leidtragenden werden Kinder sein, die ohnehin schon in großer Not sind. Ob medizinische Maßnahmen helfen oder nicht – was hier gerade passiert und wie politisch dieses Thema geworden ist, wird ihnen nur schaden.
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Dieses Transkript wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.