Miles Taylor über den Widerstand gegen Donald Trump
Miles Taylor ist ein Experte für nationale Sicherheit. Er lebt in Washington, D.C., und ist Herausgeber des kürzlich gestarteten Newsletters Treason auf Substack. Zuvor war Taylor Stabschef im US-Heimatschutzministerium und veröffentlichte in dieser Funktion unter dem Pseudonym „Anonymous“ einen Essay in der New York Times, in dem er auf Fehlverhalten des Präsidenten aufmerksam machte.
Im Gespräch dieser Woche diskutieren Yascha Mounk und Miles Taylor, inwiefern die „Erwachsenen im Raum“ in Donald Trumps erster Amtszeit einen Unterschied gemacht haben, wie der Präsident rechtsstaatliche Prinzipien missachtete – und warum Taylor den anonymen New York Times-Beitrag über den inneren Widerstand gegen die erste Trump-Regierung schrieb.
Das Transkript wurde gekürzt und zur besseren Verständlichkeit leicht bearbeitet.
Yascha Mounk: In den ersten sechs Monaten der Trump-Regierung ist so viel passiert, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Du hast dich – sowohl aus persönlichen Gründen als auch, weil du darin einen entscheidenden Angriff auf den Rechtsstaat in den USA siehst – besonders für die Frage interessiert, wie Trump versucht, sich an seinen politischen Gegnern zu rächen. Erzähl uns ein bisschen darüber, was er in diesem Bereich bislang tatsächlich unternommen hat.
Miles Taylor: Man müsste eigentlich eher fragen: Was hat er nicht getan? Wir werden noch darauf zu sprechen kommen, was er im Sinne von Vergeltung künftig womöglich noch tun wird. Aber bereits jetzt, nach nicht einmal sechs Monaten im Amt, erleben wir die mit Abstand umfassendste Rachekampagne, die je ein amerikanischer Präsident gestartet hat – und zwar nicht nur gegen politische Gegner, sondern in einer Dimension, die selbst Leute wie mich überrascht hat, obwohl wir mit vielem in einer zweiten Trump-Amtszeit gerechnet hatten.
Ich würde das Ganze in zwei Bereiche unterteilen: Zum einen sind da die Bemühungen von Donald Trump und seinem Umfeld innerhalb der Exekutive, sich an dem sogenannten „deep state“ zu rächen – also an jenem Apparat, von dem er glaubt, dass er ihn in seiner ersten Amtszeit ausgebremst hat. Und zweitens die Angriffe auf externe Institutionen, die in einem funktionierenden System normalerweise als Kontrollinstanzen gegenüber einem Präsidenten fungieren. Diese Kampagne ist ziemlich weitreichend.
Innerhalb der Exekutive ging es darum, Behörden zu zerschlagen, deren Existenz er ablehnt oder die ihm früher Widerstand geleistet haben. Zivilbedienstete wurden systematisch entlassen – darunter gezielt auch Personen, die als „problematisch“ galten. Gleichzeitig hat Trump viele der internen Kontrollmechanismen der Exekutive unter seine Kontrolle gebracht: etwa die Behörden für interne Aufsicht, Prüfstellen und Ethikbüros. Ziel ist es, diese Institutionen auszuschalten, damit ihm bei seiner Rachekampagne niemand mehr in den Arm fällt oder sagt: Das ist rechtswidrig.
Doch diese Offensive bleibt nicht auf den inneren Bereich der Exekutive beschränkt. Trump hat auch Anwaltskanzleien in den USA ins Visier genommen – mit präsidentiellen Erlassen sanktioniert und gefügig gemacht. Ja, einige Kanzleien haben sich gewehrt und vor Gericht gewonnen. Aber die größten Kanzleien des Landes haben weitgehend klein beigegeben und Absprachen mit dem Weißen Haus getroffen – aus Angst, in ihrer Arbeit eingeschränkt zu werden. Die Institutionen, die sonst an vorderster Front gegen verfassungswidriges oder illegales Handeln des Präsidenten auftreten würden, sind dadurch weitgehend verstummt.
Er hat sich Bildungsinstitutionen und eine ganze Reihe anderer Einrichtungen vorgenommen, von denen er Widerstand erwartet. Und er hat gezielt Einzelpersonen angegriffen – darunter mich und andere, die in seiner ersten Amtszeit gedient und ihn später öffentlich kritisiert haben.
Mounk: Erzähl uns etwas mehr über diese Angriffe auf Einzelpersonen. Ich weiß, dass mehreren Personen die Sicherheitsfreigabe entzogen wurde – das ist ein massiver Eingriff in ihre berufliche Existenz. Dabei geht es noch nicht einmal um persönliche Gefährdung. Aber wenn ich es richtig verstehe, gab es auch Fälle, in denen Personen, die aufgrund früherer Positionen tatsächlich unter besonderem Schutz standen, weil sie potenzielle Ziele ausländischer Gegner waren, diesen Schutz verloren haben. Das wäre aus meiner Sicht noch ein Schritt weiter: ein politisches Signal, das sinngemäß sagt: Wer sich gegen uns stellt, den lassen wir im Ernstfall auch dann fallen, wenn er in echter Gefahr ist.
Taylor: Genau. Und der Präsident ist noch weiter gegangen. Vor ein paar Monaten hat er am selben Tag zwei Erlasse unterzeichnet – einen gegen mich und einen gegen einen früheren Kollegen von mir, Chris Krebs. Wir waren beide in Trumps erster Amtszeit politische Ernennungen. Ich war Stabschef im Heimatschutzministerium und damit für eine Behörde mit 250.000 Mitarbeitenden und einem Budget von 60 Milliarden Dollar verantwortlich. Chris leitete die führende Cyber-Sicherheitsbehörde des Landes.
Wir beide – obwohl wir lebenslange Konservative und Republikaner sind – haben uns öffentlich gegen Donald Trump gestellt. Wir haben das Fehlverhalten angeprangert, das wir innerhalb der Regierung beobachten konnten: Korruption. Als Vergeltung dafür hat Trump im April zwei Präsidialerlasse unterzeichnet, mit denen er föderale Ermittlungen gegen uns beide anordnete.
Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein Präsident per Erlass eine Untersuchung gegen einen Kritiker der Regierung einleitet – wegen einer Äußerung, die eindeutig durch den ersten Verfassungszusatz geschützt ist. Verfassungsrechtler im ganzen Land haben öffentlich erklärt, dass es so etwas in 249 Jahren US-Geschichte noch nie gegeben hat: Dass ein Präsident gezielt Gegner beim Namen nennt und Ermittlungen gegen sie anordnet.
Mounk: Was ist der Zweck eines solchen Erlasses? Der FBI-Direktor Kash Patel ist ganz offensichtlich ein Trump-Loyalist. Er hat, auf weniger direkte Weise, auch schon vorher Anweisungen gegeben, politische Gegner – darunter auch Ex-Präsident Barack Obama – untersuchen zu lassen, und das offenbar ohne offiziellen Erlass. Warum dann überhaupt ein Präsidialerlass? Was steht darin, das über einen simplen Anruf nach dem Motto „Schaut euch doch mal diesen Miles Taylor an“ hinausgeht – was ja an sich schon ein schwerer Bruch demokratischer Normen wäre?
Taylor: Weil es die schwarze Liste offiziell macht. Es ist das eine, wenn der Präsident im Stillen zum Hörer greift und sagt: „Ich will, dass ihr diesen Menschen untersucht.“ Es ist etwas völlig anderes, wenn er im Fernsehen im Oval Office sitzt, ein Papier unterzeichnet und der Welt verkündet, dass du des Hochverrats schuldig bist. Dass du ein Verräter bist. Dasselbe, was er letzte Woche über Barack Obama gesagt hat, hat er in meinem Fall per Erlass festgehalten. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat – ohne Beweise, ohne Verfahren, ohne rechtliche Grundlage – der Welt erklärt, ich hätte Hochverrat begangen. Ich sei ein Verräter. Und dann hat er das Justizprinzip umgedreht: Statt auf Beweise zu warten, um eine Anklage zu prüfen, sagt er mit dem Erlass de facto zu seinem Team: „Ich habe entschieden, dass Miles Taylor des Hochverrats schuldig ist. Jetzt liefert mir die Beweise dazu.“
Was bedeutet das konkret? Im Weißen Haus weiß man genau: Wer auf diese Weise auf eine schwarze Liste gesetzt wird, verliert alles. Ich kann dir sagen, was das beruflich für mich bedeutet hat: Ich musste die Firma verlassen, die ich selbst aufgebaut hatte. Ich musste meinen Job aufgeben. Meine Frau, die sich um unsere Tochter kümmert, musste wieder arbeiten gehen – weil ich der Alleinverdiener in unserer Familie bin. Und wir stehen nun unter realen Sicherheitsbedrohungen.
Das ist kein abstraktes Risiko. Wir haben Morddrohungen gegen unsere zehn Monate alte Tochter erhalten, gegen Familienangehörige. Fotos unseres Hauses wurden veröffentlicht, unsere persönlichen Daten ins Netz gestellt, man hat sich online als wir ausgegeben. Selbst wenn der Präsident die Anschuldigungen des Hochverrats nicht ernst meint – seine Anhänger nehmen sie ernst. Deshalb habe ich letzte Woche davor gewarnt, dass diese Anschuldigungen gegen Barack Obama das Risiko für ihn erhöhen. Unsere Familie weiß das aus eigener Erfahrung: Wir stehen seit Wochen vor Gericht, wegen Stalkern und Verrückten, die offenbar glauben, sie müssten Trumps Erlass eigenhändig umsetzen – indem sie unsere Familie und unser Umfeld einschüchtern.
Das Ganze ist brandgefährlich. Es hebt das ohnehin schon aufgeheizte Klima politischer Einschüchterung und Gewalt in den USA auf eine neue Stufe.
Mounk: Der Begriff „Verräter“ hat ja diese merkwürdige Doppelfunktion. Man benutzt ihn ganz alltäglich, wenn jemand einen im Privatleben hintergeht – „Du bist ein Verräter“ als persönliche Beleidigung. Aber gleichzeitig ist es auch ein ganz konkreter Straftatbestand. Und zwar einer mit der denkbar schwersten Strafe. Wenn also ein amtierender Präsident dir Hochverrat vorwirft, ist das alles andere als eine bloße rhetorische Spitze.
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Lass uns noch einmal kurz zurückgehen zur ersten Trump-Regierung. Du hattest vermutlich schon gewisse Bedenken, als du 2016 das politische Amt angenommen hast. Was waren damals deine Hoffnungen und deine Befürchtungen? Was hat dich letztlich überzeugt, in diese Regierung einzutreten?
Taylor: Ich bin in die erste Trump-Regierung gegangen, obwohl mir völlig klar war, mit wem wir es zu tun hatten. Ich kannte Donald Trump damals nicht persönlich oder gesellschaftlich, aber für jeden, der den Präsidentschaftswahlkampf 2016 verfolgt hatte, war offensichtlich: Im besten Fall war dieser Mann ungebildet und völlig unvorbereitet, die Bundesregierung zu führen – und im schlimmsten Fall würde er ganz gezielt versuchen, die Grundlagen der amerikanischen Demokratie zu untergraben. Und genau das war einer der Hauptgründe, warum ich überhaupt in die Regierung gegangen bin.
Normalerweise nimmt man einen Job in einer Präsidialverwaltung aus positiveren Motiven an. Man schätzt die Person, hält sie für fähig, ist begeistert davon, ihr politisches Programm umzusetzen. Viele, die damals mit Trump in die Regierung gingen – Leute, die in der Republikanischen Partei oder unter George W. Bush gedient hatten –, taten das aus Sorge. Aus Sorge, dass Donald Trump der Aufgabe nicht gewachsen war.
In meinem Fall kam hinzu: Ich hatte viele Jahre im Bereich nationale Sicherheit gearbeitet, und Trump hatte jemanden als Heimatschutzminister nominiert, zu dem ich lange aufgesehen hatte – John Kelly, der später Trumps Stabschef im Weißen Haus wurde. Ich sprach mit Kelly, damals war ich noch im Kongress tätig, auf dem Capitol Hill. Kelly hatte den Posten als Minister bereits angenommen und sagte sinngemäß: „Miles, es ist nicht nur so schlimm, wie es von außen aussieht – es ist viel schlimmer.“ Er wollte damit ein deutliches Signal senden: Die Zustände in der Regierung waren chaotisch, und viele der frühen politischen Ernennungen taten sich schwer damit, Trumps regelmäßige rechtswidrige Impulse auszubremsen.
Es ging dabei nicht darum, Trump an legalen Entscheidungen zu hindern. Es ging darum, ihn davon abzuhalten, gegen das Gesetz zu verstoßen – weil sein erster Impuls regelmäßig rechtswidrig war.
Mounk: Hast du ein paar Beispiele? Erzähl uns ein bisschen mehr über die Art von Dingen, um die es konkret ging.
Taylor: Nur wenige Tage nach Amtsantritt hat Donald Trump seinen ersten sogenannten Travel Ban unterzeichnet – ein Einreiseverbot. Und wenn man sich den Text dieses ersten Erlasses genau durchlas, dann wurde damit sogar Menschen mit gültiger Green Card die Wiedereinreise in die USA verweigert. Wenn du also etwa aus Nordafrika kamst und seit zwei Jahren legal mit Green Card in den USA lebtest, dann durftest du plötzlich nicht mehr ins Land zurück.
Der Erlass war schlampig formuliert. Und er war ausgesprochen verantwortungslos. Von Anfang an war klar: Da war ein Team am Werk, das weder das Recht verstand noch wusste, was erlaubt war – und schon gar nicht, wie man ein Land regiert. Das setzte sich dann fort in eine ganze Reihe anderer Vorhaben, etwa Trumps Wunsch, die Südgrenze zu schließen oder Migranten ohne Habeas-Corpus-Recht festzuhalten – alles Dinge, die gegen geltendes Recht verstießen.
John Kelly und andere sind damals in diese Regierung gegangen, um Stabilität zu schaffen, um ein funktionierendes Team aufzubauen. Viele von uns hatten von Anfang an massive Bedenken. Uns war auch bewusst, dass so ein Schritt möglicherweise das berufliche Aus bedeuten würde. Aber viele von uns waren nach dem 11. September in den Staatsdienst gegangen, weil wir unserem Land dienen wollten. Und wir wollten nicht mitansehen, wie das nationale Sicherheitsapparat der Vereinigten Staaten zu einer Waffe gegen politische Gegner des Präsidenten umfunktioniert wird – genau das wollten wir verhindern. Heute, in seiner zweiten Amtszeit, ist Trump geradezu besessen davon, dieses Ziel doch noch umzusetzen.
Mounk: Ja. Ich habe in den letzten Monaten manchmal im Scherz gesagt, wir schulden den „Erwachsenen im Raum“ aus der ersten Trump-Regierung eigentlich eine Entschuldigung. Damals hat man sich gerne über sie lustig gemacht – dieses „Wir sind da, um den Schaden zu begrenzen“, wir halten Trump davon ab, all diese verrückten Dinge zu tun. Und klar, es gab auch in der ersten Amtszeit genug alarmierende Entwicklungen – gerade außenpolitisch, wenn man etwa an seine offen zur Schau gestellte Geringschätzung für die NATO oder sein Umgang mit amerikanischen Verbündeten denkt.
Viele Menschen machten sich damals lustig über diejenigen, die in der Trump-Regierung dienten und gleichzeitig moralische Anerkennung dafür einforderten, dass sie die schlimmsten Auswüchse verhindert hätten. Wenn man heute jedoch den Unterschied betrachtet: wie viel Einfluss Trump in den ersten vier Jahren hatte – und wie viel schneller, radikaler und weiter er in den ersten sechs Monaten seiner zweiten Amtszeit vorangeschritten ist –, dann zeigt das vielleicht doch, dass die „Erwachsenen im Raum“ auf vielen Ebenen tatsächlich mäßigend gewirkt haben.
Wie sah das konkret aus? Wie spielte sich dieser Konflikt zwischen einem Präsidenten, der klare Vorstellungen hatte – und immerhin demokratisch legitimiert war, auch wenn er die Mehrheit der Stimmen nicht gewonnen hatte –, und einem Stab ab, der sich in erster Linie der Verfassung und den politischen Grundprinzipien der amerikanischen Republik verpflichtet fühlte? Gab Trump einfach einen Befehl, und der Stab verzögerte die Umsetzung? Sagte man ihm: „Mr. President, das können wir nicht machen, das ist illegal“? Wie sah das im Alltag aus?
Taylor: Ich muss zugeben: Ich war einer der Hauptvertreter dieser „Erwachsenen-im-Raum“-These. Tatsächlich habe ich zu Beginn der Trump-Regierung sogar mitgeholfen, den Begriff axis of adults zu prägen. Ich sprach damals mit einem Journalisten aus dem Inneren der Trump-Regierung und sagte: Die Amerikaner müssen nicht völlig in Panik verfallen – es gibt diese Achse der Erwachsenen: John Kelly, Jim Mattis als Verteidigungsminister, Mike Pompeo bei der CIA und Rex Tillerson im Außenministerium. Sie alle sehen, wie turbulent es zugeht, und versuchen mit aller Kraft, den Präsidenten zu einem einigermaßen geordneten Regieren zu bewegen.
Ich wusste schon damals, dass diese These Spott auf sich ziehen würde. Klar, es klingt wie eine Rechtfertigung: Du bist Teil der Regierung und willst behaupten, alles sei halb so schlimm. Aber es war wichtig, dieses Signal zu senden – weil einige von Trumps Ideen tatsächlich abgrundtief widerwärtig waren. Ich kann das ganz konkret machen. Es gab etwa Besprechungen mit ihm zum Thema Migration an der Grenze. Trump war geradezu besessen von diesem Thema. Und er schlug vor, Migranten zu erschießen, um sie an der Einreise zu hindern. Ich war oft an der Südgrenze – da sind viele Frauen und Kinder unterwegs. Für Donald Trump wäre es akzeptabel gewesen, auf sie zu schießen. Wenn man protestierte, sagte er: „Ich meine ja nicht, dass man sie töten muss. Schießt ihnen halt ins Bein.“ Man muss sich das einmal vorstellen: Der Präsident der Vereinigten Staaten sitzt im Oval Office und erwägt ernsthaft, schwangeren Müttern in die Beine schießen zu lassen, damit sie nicht über die Grenze kommen.
Das ist nicht nur moralisch abstoßend – das ist eindeutig illegal. Die erste Reaktion ist dann: „Mr. President, das ist gegen das Gesetz. Das dürfen Sie nicht.“ Aber er ließ nicht locker, brachte diese Ideen immer wieder aufs Tapet. Ich erinnere mich an einen Flug nach New York mit dem Minister – wir hatten Trump bereits gesagt: „Nein, Mr. President, Sie dürfen keine unschuldigen Menschen an der Grenze erschießen.“ Und dann geht er im Fernsehen und sagt genau das: Wenn Migranten mit Steinen werfen, schießen wir mit Gewehren zurück. Wir haben damals den Verteidigungsminister, Jim Mattis, angerufen und gesagt: „Er versteht es offenbar nicht. Du musst ihn anrufen und ihm klarmachen, dass es ein Bruch des Kriegsvölkerrechts wäre, unbewaffnete Zivilisten zu erschießen.“ Wir müssen das notfalls öffentlich sagen – auch wenn wir damit dem Präsidenten widersprechen. Denn manchmal lief das Ganze hinter verschlossenen Türen – man erklärte Trump, was er als Oberbefehlshaber darf und was nicht. Aber manchmal musste man eben auch öffentlich widersprechen, weil er unbeirrt eine unmoralische Idee verfolgte.
Im ersten Jahr der Trump-Regierung waren diese internen Abwehrversuche oft noch relativ erfolgreich. Im zweiten Jahr allerdings setzte er immer mehr von dem um, was wir zuvor noch hatten verhindern können. Etwa die systematische Familientrennung an der Grenze – trotz aller internen Warnungen. Da wurde mir klar: Unsere Möglichkeiten, ihn im Zaum zu halten, sind begrenzt.
Mounk: Was hat diesen Wandel ausgelöst? Lag es nur daran, dass er zu Beginn keine politische Erfahrung hatte und die Maschinerie nicht kannte? Oder wurde ihm bewusst, dass seine Anordnungen systematisch blockiert wurden, und er fand dann Wege, um sich Gehör zu verschaffen? Oder lag es daran, dass er zunehmend Leute beförderte, die seine Anweisungen ohne Rücksicht auf Moral oder Gesetz ausführten?
Was hilft uns zu verstehen, wie es zu diesem Bruch kam – zu einer zweiten Amtszeit mit einem loyalen Team, das bereit ist, seine Anweisungen kompromisslos umzusetzen?
Taylor: Zunächst einmal: Trump ist vollkommen gleichgültig gegenüber dem Recht. Wirklich. Er interessiert sich nicht für die Verfassung der Vereinigten Staaten. Ihm ist das Gesetz egal. Wichtig ist ihm nur, dass er weiterhin die Unterstützung seiner Basis behält. Darüber hinaus ist ihm Recht oder Unrecht völlig schnuppe. Das habe ich über Jahre hinweg immer wieder erlebt – und heute ist es auch öffentlich klar zu sehen. Er hat kein moralisches Fundament – außer seinem persönlichen Eigeninteresse.
Zweitens: Als ihm klar wurde, dass sich in seinem Umfeld Menschen mit Gewissen befanden, begann er ab dem zweiten Jahr systematisch, diese Leute loszuwerden – ob durch Entlassungen, Druck oder subtile Ausgrenzung. Es begann Anfang 2018 mit seinem Nationalen Sicherheitsberater H. R. McMaster. Kurz darauf war der Chefjurist im Weißen Haus dran. Im Laufe des Jahres traf es dann nach und nach fast alle Minister, die ich zur „Achse der Erwachsenen“ gezählt hatte: den Heimatschutzminister, den Verteidigungsminister, Außenminister Rex Tillerson – und schließlich sogar den Geheimdienstdirektor Dan Coats.
Trump ging diese Leute einzeln an – oft im Oval Office, unter vier Augen – und drängte sie zum Rücktritt oder feuerte sie. Er ersetzte sie durch „amtierende“ Minister, die nie vom Senat bestätigt worden waren. Er sagte uns offen: „Ich mag Interimsbeamte.“ Warum? Weil sie sich bei ihm bewähren mussten. Sie wollten das „amtierend“ loswerden und zur festen Besetzung aufsteigen – also verhielten sie sich gefügiger.
Das war die Grundlage für die zweite Amtszeit. Trump hatte in den vier Jahren außerhalb des Weißen Hauses viel Zeit, um ein Auswahlverfahren zu etablieren, das sicherstellte: Wer künftig in seine Regierung kommt, muss nicht nur loyal sein, sondern auch bereit, Dinge zu tun, die erfahrene Beamte niemals tun würden.
Einer von Trumps wichtigsten Personalverantwortlichen – also jemand, der die politischen Ernennungen überprüft – sagte mir noch während meiner Zeit in der ersten Regierung, bevor ich aus Protest ging: „In der zweiten Amtszeit schicken wir die Leute durch ein verdammtes Bootcamp.“ Gemeint war: Es würde ein viel härteres Screening geben, um nur noch „Hardliner“ durchzulassen – Leute, die Steve Bannon später als „eine Truppe von Auftragskillern“ bezeichnete. So sah man den Typus Mensch, der für eine zweite Trump-Regierung gebraucht würde: Sturmtruppen, die die Befehle des Präsidenten ohne zu zögern ausführen. Und ich denke, sie waren ziemlich erfolgreich darin, genau diese Leute zu rekrutieren.
Mounk: Es klingt so, als hättest du während eines Großteils der ersten Trump-Amtszeit Journalisten im Hintergrund über die Achse der Erwachsenen informiert. Du hast dem Präsidenten direkt gesagt, dass manches, was er vorhatte, illegal war. Und manchmal habt ihr offenbar einfach Zeit geschunden oder Dinge ausgebremst.
Dann hast du einen Meinungsbeitrag geschrieben – wahrscheinlich einen der meistgelesenen und meistdiskutierten Gastbeiträge, die je in der New York Times erschienen sind. Und du hast ihn anonym veröffentlicht. Du hast erklärt, dass du Teil eines internen Widerstands innerhalb der Trump-Regierung warst. Erzähl uns, wie du zu diesem Schritt gekommen bist – und was du damit erreichen wolltest.
Taylor: Ich habe das in den letzten sieben Jahren oft gesagt – und ich finde nach wie vor, dass man völlig zu Recht fragen kann, warum jemand so einen Text anonym aus dem Inneren der Regierung veröffentlicht. Die naheliegende Vermutung ist: Der Autor hatte schlicht zu viel Angst, seinen Namen zu nennen. Ich hatte immer vor, irgendwann an die Öffentlichkeit zu gehen – was ich ja dann auch getan habe. Aber ich habe den Text aus einem ganz bestimmten, sehr, sehr wichtigen Grund anonym veröffentlicht.
Ich wusste, dass er viel Aufmerksamkeit bekommen würde. Und ich war überzeugt: Es gab kein dringlicheres Problem in den Vereinigten Staaten als die Tatsache, dass selbst Trumps eigenes Team ihn für ungeeignet hielt – und ihn zum Teil als akute Gefahr für die nationale Sicherheit ansah. Man muss sich das einmal vor Augen führen: In der Geschichte der westlichen Demokratien hat es noch nie einen Fall gegeben, in dem so viele Regierungsmitglieder unter einem gewählten Staatschef arbeiteten und gleichzeitig derart tiefgreifende Zweifel an dessen geistiger Stabilität und Gefährlichkeit hegten. Innerhalb der Trump-Regierung wurde das hinter verschlossenen Türen offen diskutiert – seine engsten Berater, Kabinettsmitglieder, alle trafen sich im Geheimen und sagten: Der Präsident ist so instabil, dass wir womöglich den 25. Verfassungszusatz anwenden müssen – also ihn per Kabinettsbeschluss vorübergehend entmachten. Das ist sehr ernst. Und meiner Ansicht nach gehört so etwas nicht in Hinterzimmer in Washington. Die amerikanische Öffentlichkeit muss wissen, wie ernst die Lage war. Meine Idee war daher: Ich schreibe eine anonyme Warnung, um Trump die Möglichkeit zu nehmen, sich an mir als Person abzuarbeiten – und ihn stattdessen zu zwingen, sich mit der Botschaft auseinanderzusetzen, nicht mit dem Boten. Und die Botschaft lautete: Das engste Umfeld des Präsidenten ist überzeugt, dass er sich kontinuierlich fehlverhält – und dass er womöglich eine Gefahr für das Land darstellt.
Der unmittelbare Anlass war folgender: Ich war damals gerade in Australien, bei einem Treffen mit der Five Eyes Intelligence Community – also Amerikas engsten Geheimdienstpartnern. Da kam ein Anruf aus den USA: Senator John McCain war gestorben. Es ist in solchen Fällen Tradition, landesweit die Fahnen auf Halbmast zu setzen, um einem verdienten Staatsdiener die letzte Ehre zu erweisen. Doch das Weiße Haus meldete sich mit dem Befehl: Die Fahnen sollen wieder hoch. Trump mochte McCain nicht – und wollte ihm gezielt die Ehre verweigern. Yascha, es gab viele Gründe, während der Trump-Zeit auszurasten. Aber John McCain war ein persönlicher Mentor für mich. Und ich sah, wie ein schlechter Mensch auf dem Grab eines guten Menschen herumtrampelte. Da fragte ich mich: Warum schweigen wir eigentlich? Warum sagt niemand etwas? Ich kontaktierte die New York Times, fragte, ob sie einen anonymen Meinungsbeitrag veröffentlichen würden – und sie stimmten zu.
Aber eines ist mir wichtig klarzustellen: Ich sprach damals von einem „Widerstand“ innerhalb der Regierung – und das wurde vielfach missverstanden. Was ich meinte, war nicht eine Gruppe von Leuten, die sich pauschal gegen alle legalen Anordnungen des Präsidenten stellte.
Donald Trump hatte die Wahl gewonnen – er war legitim gewählter Oberbefehlshaber und hatte das Recht, legale Entscheidungen umzusetzen. Was ich in dem Beitrag sagte, war: Es gab eine Gruppe von Menschen, die sich seinen illegalen Anordnungen widersetzte. Er versuchte, Dinge durchzusetzen, die unmoralisch, rechtswidrig oder sogar verfassungswidrig waren – und es musste Leute geben, die ihm die Wahrheit sagten. Das geschah auf viele Arten: Indem man ihm persönlich widersprach, indem Juristen sich einmischten, indem man den Kongress informierte, wenn Trump wieder etwas Illegales plante. Irgendwann erkannte er, dass es in seinem Umfeld Menschen gab, die ihn einschränkten – und er begann, diese systematisch loszuwerden. Auch mich. Wenige Monate nach dem Essay trat ich aus Protest zurück. Und schließlich trat ich öffentlich mit meinem Namen auf, um offen erzählen zu können, was ich in der Regierung erlebt hatte.
Mounk: Wenn ich das alles höre, bin ich – das muss ich zugeben – innerlich ein Stück weit hin- und hergerissen. So wie du habe auch ich früh öffentlich gesagt: Donald Trump ist eine Gefahr für die amerikanische Republik – und das ist er bis heute. Eines der beeindruckendsten Elemente der amerikanischen Tradition des öffentlichen Dienstes – gerade auch beim Militär – ist ja, dass man nicht auf eine Person vereidigt wird, sondern auf die Verfassung. Und viele Beamte und Offiziere nehmen das sehr ernst – zu Recht. Ich kann mir gut vorstellen, wie man sich verpflichtet fühlt einzugreifen, wenn man sieht, dass der Präsident, wie du es geschildert hast, tatsächlich erwägt, auf Migranten zu schießen – und man alles tun muss, um solche Gräueltaten zu verhindern.
Gleichzeitig beschäftigt mich etwas anderes: Trump hat von Anfang an behauptet, es gebe diesen „deep state“, der systematisch versuche, den Willen des gewählten Präsidenten zu hintertreiben. Und da sehe ich zwei zentrale Fragen – eine inhaltliche und eine stilistische.
Inhaltlich ist es eine komplizierte Debatte: Was darf ein gewählter Präsident – und was nicht? Ich stimme dir zu, dass es klare rechtliche Grenzen gibt. Wenn diese überschritten werden, müssen Mitarbeiter der Regierung einschreiten – es ist ihre verfassungsrechtliche Pflicht. Aber es gibt auch viele Entscheidungen, die wir als moralisch verwerflich oder politisch katastrophal empfinden, die aber vom politischen System gedeckt sind – weil der Präsident eben das Mandat hat, solche Entscheidungen zu treffen. Und da stellt sich die Frage: In einem Land mit so vielen politischen Ernennungen – weit mehr als in anderen Demokratien – und einem hochkomplexen, aber durchaus effektiven Staatsapparat: Was gibt einem Einzelnen das Recht, sein Urteil über das des gewählten Präsidenten zu stellen – selbst wenn man persönlich glaubt, dieser liege völlig falsch? Es ist schwer, diese Grenze zu ziehen: Wann ist etwas so eindeutig illegal oder verfassungswidrig, dass man sagen muss: „Das kann und darf ich nicht tun – das verstößt gegen meinen Amtseid“? Und wann ist es ein moralisches Urteil, das man eigentlich politisch akzeptieren müsste – so sehr man es auch ablehnt?
Und dann gibt es, wie gesagt, auch eine stilistische Frage: Wenn man sich schon intern gegen bestimmte Dinge stemmt – warum geht man dann so an die Öffentlichkeit, in einer Art und Weise, die viele Leser der New York Times begeistern mag, aber gleichzeitig Trump und seine Anhänger erst recht aufbringt? Die sagen dann: „Seht ihr? Genau das meinen wir. Da ist er, der deep state, der sich als Widerstand gegen den Präsidenten inszeniert. Verräter, die sich gegen den Volkswillen stellen.“ In gewisser Weise liefert man ihnen damit genau das Narrativ, das sie propagieren wollen. Deshalb meine Frage an dich, jetzt – sieben Jahre später – mit etwas Abstand: Wie denkst du heute über diese beiden Ebenen – die inhaltliche und die stilistische?
Taylor: Ja, das ist eine große Herausforderung. Ich will zunächst auf deinen ersten Punkt eingehen: Da steckt eine Menge moralischer Fragen drin. Und ehrlich gesagt – ich würde gerne die Person kennenlernen, die damals einen besseren Weg gefunden hätte. Zu deinem Punkt mit der „Entschuldigung“ an die axis of adults: Ich möchte, dass sich jeder mal kurz vorstellt, was passiert wäre, wenn es in der ersten Trump-Regierung keine Menschen gegeben hätte, die versucht haben, dem Präsidenten illegale Maßnahmen auszureden. Dann hätten wir schon viel früher genau das erlebt, was wir jetzt in der zweiten Trump-Amtszeit sehen. Der Schaden – nicht nur für die amerikanische, sondern auch für die internationale Sicherheit – wäre um ein Vielfaches größer gewesen. Wenn diese Gruppe nicht in die Regierung gegangen wäre, dann sage ich dir ganz klar: Die USA wären heute nicht mehr in der NATO. Die USA hätten schon viel früher massive Handelsbarrieren errichtet. Wahrscheinlich hätte das eine weltweite Rezession ausgelöst. Ich behaupte: Millionen von Menschen wären durch den Wegfall amerikanischer Entwicklungshilfe gestorben – das ist nur ein kleiner Ausschnitt einer sehr, sehr langen Liste potenzieller Katastrophen.
War die axis of adults erfolgreich? Nein. Am Ende denke ich: Sie war nicht erfolgreich. Alles, was sie – was wir – erreicht haben, war, Donald Trump aufzuhalten, seine schlimmsten Pläne hinauszuzögern. Die bittere und moralisch schwierige Wahrheit ist: Ja, man füttert damit Trumps Narrativ vom „deep state“. Aber ich glaube, dieses Narrativ war grundsätzlich falsch gezeichnet. Es wurde dargestellt als eine Verschwörergruppe, die aus dem Schatten heraus dem Präsidenten alles verbietet.
Da will ich dir widersprechen: Was wir nicht getan haben, war, dem Präsidenten legale Maßnahmen zu verwehren. Er hat Dinge getan, die legal und einfach nur dumm waren. Manchmal muss man einen Präsidenten eben machen lassen – auch wenn es legaler und verdammt dummer Unsinn ist. Dann soll er es eben durchziehen und daraus lernen. Denn ja, ein Präsident hat das Recht, legale und verdammt dumme Entscheidungen zu treffen. Und wie jeder sich erinnern kann: Das kam in Trumps erster Amtszeit ziemlich oft vor. Er hat viele dumme Dinge getan und gesagt. Aber es war nicht meine Aufgabe, ihn vor jeder Dummheit zu schützen. Es war meine Aufgabe als Staatsdiener, ihm zu sagen: „Mr. President, das ist eine dumme Idee“ – ihn zu warnen. Und wenn er es trotzdem durchzieht, dann ist das eben so. Aber wenn der Präsident etwas Illegales tun will, dann ist es nicht nur unsere Pflicht, ihm zu widersprechen – sondern, wenn er es trotzdem tut, das auch den zuständigen Behörden und der amerikanischen Öffentlichkeit mitzuteilen.
Mounk: Aber einige der Dinge, die du selbst in die Kategorie „legal, aber dumm“ gesteckt hast – etwa der Austritt aus der NATO oder die Einführung von Handelsbarrieren: Ich lehne beides ab. Ich halte die NATO für zentral wichtig. Und ich finde, freier Handel ist von großer Bedeutung – die Zölle, die Trump eingeführt hat, schaden sowohl der US-Wirtschaft als auch der Weltwirtschaft. Aber das sind doch – zumindest rechtlich – zulässige Entscheidungen, oder?
Taylor: Ja. Aber ich behaupte nicht, dass wir uns in diesen Fällen über seine Anordnungen hinweggesetzt hätten. In diesen Fällen haben wir ihn schlicht umgestimmt. Trump hat sich nicht aus der NATO zurückgezogen, weil wir uns geweigert hätten, seinen Befehl umzusetzen – sondern weil wir ihn überzeugt haben, es nicht zu tun. Und genau das ist wichtig für jeden Staatsbediensteten – egal ob unter Obama, Bush oder Trump: Man hat die Pflicht, dem Präsidenten die Wahrheit zu sagen und ihn zu überzeugen, wenn man glaubt, dass er einen Fehler machen will. Hätte Donald Trump sich über uns hinweggesetzt und trotzdem aus der NATO austreten wollen – gut, dann wäre es meine Aufgabe gewesen, zurückzutreten. Aber in diesen Fällen ist es uns gelungen, ihn davon abzubringen, legale, aber dumme Entscheidungen zu treffen.
Was deine andere Frage betrifft – ob es richtig war, anonym Alarm zu schlagen –: Ja, das hat mich beschäftigt. Eine Option wäre gewesen, einfach aus Protest zurückzutreten und dann offen zu sagen, was ich über Trump wusste. Aber ich sage dir, was dann passiert wäre – weil wir es dutzendfach erlebt haben: Trump hätte sich auf den Überbringer der Botschaft gestürzt. Es wäre eine Eintages-Meldung gewesen. Und niemand hätte sich ernsthaft mit dem Inhalt der Vorwürfe befasst. Indem ich ihm die Möglichkeit nahm, auf den Boten loszugehen, zwang ich ihn – und das Land – dazu, sich mit der Botschaft zu beschäftigen. Und das auf einem ganz anderen Niveau.
Ich mache jetzt mal einen Vergleich – nicht zwischen mir und den Gründervätern, sondern zwischen Taktiken. Als die Gründungsväter in den 1780er-Jahren die neue Verfassung der Vereinigten Staaten unter das Volk bringen wollten, entschieden sie sich, ihre Essays anonym zu schreiben. Sie wählten das Pseudonym Publius. Nicht weil sie Angst hatten, ihre Namen zu nennen. Sondern weil sie wussten: So entsteht ein öffentlicher Fokus auf die Sache, nicht auf die Autoren. Ich bin Geschichtsfan – und das war tatsächlich mein Vorbild, als ich den New York Times-Text anonym schrieb. Genau wie bei den Federalist Papers sollte die Debatte um den Inhalt gehen – nicht um die Person. Und das hat funktioniert: Die Leute haben hingehört.
Aber mir war auch klar, wie wichtig es sein würde, irgendwann selbst zu dieser Botschaft zu stehen. Ich hätte bis heute anonym bleiben können. Aber ehrlich gesagt: Das wäre feige gewesen – und ich hätte das selbst als feige empfunden. Mir war wichtig, die Öffentlichkeit wachzurütteln mit der Aussage: Trumps eigenes Team hält ihn für so instabil, dass er womöglich nicht regierungsfähig ist. Aber irgendwann muss man auch mit Namen auftreten, um die Dinge genauer erklären zu können – so genau, wie es eben nur geht, wenn man keine Maske trägt. Und das war notwendig.
Gleichzeitig hast du natürlich recht: Der Präsident nutzte genau das, um sein Narrativ vom „deep state“ auszuschlachten. Und ja – er hat dieses Bild sehr geschickt bedient. Es gibt also keine einfache moralische Antwort. Ich glaube, die amerikanische Öffentlichkeit wollte wissen, was in dieser Regierung wirklich vorging. Und ich glaube, dass das eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, dass Trump 2020 nicht wiedergewählt wurde – weil so viele aus seiner eigenen Regierung den Mut hatten, über das zu sprechen, was sie gesehen hatten. Jake Tapper sagte damals: Es war die größte Gruppe ehemaliger Regierungsbeamter in der Geschichte der USA, die sich öffentlich gegen den Präsidenten wandte, dem sie einst gedient hatten. Ich denke, das hat ihm die Wiederwahl gekostet. Aber: Das Gedächtnis ist kurz. Und jetzt hat er seine zweite Amtszeit.
Mounk: Eines der Dinge, die mich in der Politik beschäftigen – auch in der Frage, wie man als politischer Akteur seine Ziele überhaupt wirksam verfolgen kann – sind die Nebenfolgen, die zweiten und dritten Ordnungseffekte des eigenen Handelns.
Ein Beispiel dafür war in der Frühphase der Pandemie zu beobachten: Damals erklärten viele Gesundheitsbehörden öffentlich, dass persönliche Schutzausrüstung für normale Bürger eigentlich nicht wirke – nur für medizinisches Personal, das wisse, wie man damit umgeht. Ich denke, ein Grund für diese Kommunikation war der massive Mangel an Schutzmaterial. Man wollte sicherstellen, dass Ärzte und Pflegekräfte vorrangig versorgt werden. Das war nachvollziehbar – aber es führte dazu, dass man nicht nur eine etwas irreführende Botschaft sendete, sondern dass auch viele Unternehmen zu spät umstellten, um mehr Schutzausrüstung zu produzieren. Die Verantwortlichen dachten nicht wie Ökonomen, sondern wie Epidemiologen – und haben die wirtschaftlichen Nebenfolgen ihrer Kommunikation nicht bedacht.
Das ist ein seltsamer Vergleich, aber ich musste daran denken, als du gesprochen hast. Denn ich glaube tatsächlich, dass die „Erwachsenen im Raum“ in Trumps erster Amtszeit Schlimmeres verhindert haben. Ich glaube, sie waren im Großen und Ganzen patriotisch motiviert – geleitet von den Grundprinzipien des amerikanischen Regierungssystems.
Aber ich frage mich auch, ob sie damit nicht unbeabsichtigt Trumps Comeback ermöglicht haben. Er hat die Wahl 2020 verloren – aber bei seiner Kandidatur 2024 war eines seiner zentralen Argumente wieder die angebliche Existenz eines „deep state“. Vielleicht – so meine Sorge – hätte er, wenn er in seiner ersten Amtszeit mehr dummen Schaden hätte anrichten dürfen, wenn die Auswirkungen seines politischen Programms offensichtlicher geworden wären, an Zustimmung verloren. Man kann solche Kettenreaktionen nicht durchplanen – aber ich glaube, es gibt in den etablierten Kreisen eine gefährliche Tendenz zur Selbstüberschätzung: zu glauben, man könne die Barbaren dauerhaft vom Stadttor fernhalten, nur um dann festzustellen, dass man das Unvermeidliche nur aufgeschoben – und am Ende vielleicht noch verschlimmert – hat.
Taylor: Man wird es nie wissen. Das wäre, als würde ich sagen: Wenn wir Hitler früher die Juden hätten töten lassen, hätte der Krieg eher begonnen und man hätte mehr Menschen retten können. Aber man lässt Hitler nicht die Juden töten – Punkt.
In der ersten Trump-Regierung wäre niemandem geholfen gewesen, wenn Leute wie wir nicht da gewesen wären – und Trump einfach weitergemacht hätte. Wenn er schwangeren Frauen an der Grenze hätte in die Beine schießen lassen – ja, das hätte weltweit Entsetzen ausgelöst. Aber Trump hätte es trotzdem getan. Seine Rhetorik vom „deep state“ und dem Sumpf, den er trockenlegen wollte, existierte ja schon bevor es Leute in seiner Regierung gab, die ihm widersprochen haben. Ich bin ziemlich sicher: Egal was passiert wäre, Trump hätte dieses Narrativ in seiner Wiederwahlkampagne genutzt. Er hätte immer behauptet: „Ich konnte nicht regieren, weil der deep state mich behindert.“
Ich glaube, die eigentlich moralisch schwierige Frage lautet: Wenn du in der Lage bist, den Präsidenten davon abzuhalten, illegale Dinge zu tun – wann ist dann der richtige Zeitpunkt zu gehen? Vielleicht solltest du bleiben, solange du erfolgreich bist in dieser Rolle. Aber: Sobald du keine Wirkung mehr hast, ist es deine Verantwortung, andere Wege zu finden. Anders gesagt: Du bleibst nicht in der Regierung, nur um legale, aber schlechte Entscheidungen zu verhindern. Und du bleibst auch nicht, wenn der Präsident nicht mehr auf dich hört. Dann musst du gehen.
Genau das war der ständige Streit, den ich mit Leuten im Kabinett hatte. In privaten Gesprächen – abends bei Dinnern, im Büro des Stabschefs, an Bord von Air Force One, im Situation Room nach den Sitzungen mit dem Präsidenten – habe ich 2018 immer wieder gesagt: Wir müssen geschlossen zurücktreten. Niemand interessiert sich, wenn ich gehe. Ist mir auch egal. Aber wenn die Hälfte des Kabinetts auf einen Schlag zurücktritt – und das öffentlich mit dem begründet, was ich damals in meinem New York Times-Text geschrieben habe, und was alle zu dem Zeitpunkt teilten –, dann hätte das ein unübersehbares Signal gesetzt. Eine Botschaft an die Nation: „Wir haben zwei Jahre lang versucht, den Präsidenten zur Einhaltung des Rechts zu bewegen. Aber jetzt überschreitet er rote Linien. Also müssen wir, als gewissenhafte Staatsdiener, gemeinsam zurücktreten – und das Land warnen.“ Ich wollte diesen Schritt. Ich habe dafür geworben. Es gab sogar ein geheimes Treffen im ländlichen Virginia im Herbst 2018 mit hochrangigen Regierungsleuten, die genau darüber beraten wollten. Es ist am Ende gescheitert – aus Angst. Also bin ich gegangen.
Was mich aber hoffnungsvoll stimmt: Als wir uns der Wahl 2020 näherten, trauten sich immer mehr von denen, die 2018 noch gezögert hatten, an die Öffentlichkeit. Jim Mattis zum Beispiel veröffentlichte einen offenen Brief. Auch John Kelly äußerte sich später kritisch. Es kam verspätet – aber es kam. Ich hätte mir gewünscht, es wäre früher passiert.
Ich bin froh, dass du das Thema Pandemie angesprochen hast. Denn einige derjenigen, die 2018 fast zurückgetreten wären, blieben dann doch – vielleicht länger, als es moralisch vertretbar war. Und dann brach die Pandemie aus. Einige von ihnen waren sehr erfahrene Beamte, die versucht haben, noch Schlimmeres zu verhindern – und standen vor einem moralischen Dilemma: Bleibe ich im Hintergrund und versuche, den Präsidenten vor weiteren Fehlentscheidungen zu bewahren, um Tausende – vielleicht Millionen – Menschenleben zu retten? Oder trete ich zurück, gehe an die Öffentlichkeit und warne die Amerikaner davor, wie rücksichtslos der Präsident in seinem Pandemiemanagement agiert?
Eine dieser Personen war Olivia Troye, mit der ich zusammengearbeitet hatte. Sie war Sicherheitsberaterin des Vizepräsidenten. Olivia hat gerungen mit dieser Frage – und sich am Ende entschieden, die Regierung zu verlassen und sich öffentlich zu äußern. Aus ihrer Sicht war die Arbeit im Hintergrund zwar nicht umsonst – sie konnte manches verbessern. Aber sie erkannte: Wenn Trump wiedergewählt wird und die Pandemie anhält, wird es katastrophal. Also trat sie zurück. Und ich bin bis heute sehr stolz auf sie. Sie hat das Richtige getan. Yascha, du hast völlig recht: Das sind keine einfachen moralischen Entscheidungen. Wenn man es mit einem Möchtegern-Autokraten zu tun hat, geraten alle, die Verantwortung tragen, in diesen moralischen Nebel. Und niemand kommt da sauber wieder raus.
Mounk: Ich stimme dir vollkommen zu, dass eine der naheliegenden Handlungsoptionen in einer solchen Situation – auch wenn sie alles andere als leicht umzusetzen ist – ein öffentlicher Rücktritt aus Prinzip wäre. Wie wirkungsvoll das am Ende ist, steht natürlich zur Debatte. Ich will nur noch einmal betonen, wie ernst die Lage schon in Trumps erster Amtszeit war – und wie ernst sie heute wieder ist. Was den Vergleich mit dem Holocaust angeht: Persönlich halte ich es nicht für angemessen, da irgendeine Parallele zu ziehen – aber das können wir ja vielleicht ein andermal bei einem Bier diskutieren.
Lass uns ein wenig über die aktuelle Situation sprechen. Wohin, glaubst du, steuert dieser Zug – jetzt, da es keine axis of adults mehr gibt? Jetzt, da Donald Trump es offenkundig geschafft hat, sich mit Menschen zu umgeben, die seine ideologische Mission teilen? Jetzt, da er mehr politische Erfahrung hat? In vielerlei Hinsicht ist diese Regierung bisher überraschend effizient darin gewesen, ihren politischen Willen durchzusetzen. Sie verändert die Vereinigten Staaten – und deren Rolle in der Welt – in bemerkenswerter Weise. Gleichzeitig scheint es, als herrsche in manchen Bereichen eine seltsame Form von politischem Vabanquespiel. Er kündigt etwa extrem hohe Zölle an, geht dann aber ein Stück zurück – auf ein Niveau, das zwar immer noch einen fundamentalen Bruch mit der bisherigen Handelspolitik darstellt, das die US-Zölle auf historische Höchststände hebt und weithin als wirtschaftlicher Fehler gilt, aber eben doch weniger drastisch ist, als an jenem „Befreiungstag“ befürchtet wurde. Wie glaubst du, wird sich diese zweite Amtszeit in den verbleibenden dreieinhalb Jahren entwickeln?
Taylor: Donald Trump hat sich immer stärker auf eines konzentriert als auf alles andere: Macht durch Druckmittel. Dazu gleich mehr. Aber vorher will ich noch kurz etwas zum Holocaust-Vergleich sagen: Ich denke, man muss unterscheiden zwischen einer Analogie und einer Gleichsetzung. Trumps erste Amtszeit war natürlich nicht mit dem Holocaust gleichzusetzen. Und jeder intelligente Zuhörer weiß, dass ich nicht behauptet habe, Donald Trump hätte einen Holocaust begangen. Eine kluge Zuhörerin versteht, dass eine Analogie dazu dient, moralische Entscheidungssituationen scharf herauszuarbeiten.
In Trumps erster Amtszeit standen viele Menschen vor genau solchen moralischen Dilemmata: Soll ich bleiben, um Schlimmeres zu verhindern – oder gehe ich, auch wenn dann jemand nachrückt, der das Schlechte mit Sicherheit umsetzt? Es gab keine einfache Antwort. Und oft wussten die Leute sehr genau, was passieren würde, wenn sie ihren Job aufgeben würden. Denn Trump hatte ihnen ja bereits gesagt, was er tun wollte – und es waren Dinge, die illegal waren. Also holte man die Juristen dazu und blockierte es. Aber: „Wenn ich gehe, passiert X, Y und Z.“ Und dann muss man abwägen: Vielleicht ist es wichtig, ein moralisches Zeichen zu setzen und öffentlich zurückzutreten – aber X, Y und Z passieren dann trotzdem. Das ist die reale Last dieser Entscheidung.
Was die zweite Amtszeit betrifft – insbesondere die Außenpolitik: Die Zölle waren bisher weniger schlimm als befürchtet, weil Trump die gewünschte Verhandlungsmacht nicht bekommen hat. Es läuft auf einen selbstzerstörerischen Prozess hinaus: Er setzt Fristen, droht – nur um dann wieder zurückzurudern. Dadurch untergräbt er seine eigene Verhandlungsposition, weil alle sehen: Er zieht es nicht durch.
Wer verstehen will, wie Trump außenpolitisch denkt, dem erzähle ich immer wieder dieselbe Szene aus dem Oval Office. Sie sagt viel über sein Politikverständnis. Er sagte einmal zu mir: „In der Geschäftswelt habe ich eine wichtige Lektion gelernt: Du drohst niemandem mit einer Klage. Denn wenn du das tust, lachen sie dich aus und machen einfach weiter. Stattdessen klagst du sie einfach. Egal ob du gute Chancen hast oder nicht. Sobald du die Klage einreichst, wird man sich mit dir einigen.“ Damals fand ich das ziemlich schräg. Heute verstehe ich: Das ist sein gesamtes Politikverständnis. Selbst wenn er glaubt, dass ein europäischer Verbündeter nicht die USA über den Tisch zieht – spielt das keine Rolle. Er verhängt trotzdem Zölle. Dann hat er einen stärkeren Hebel. Das ist sein Grundmuster: erst die radikale Maßnahme, dann das Verhandlungsangebot.
Was mich über die Handelspolitik hinaus beunruhigt, ist: Wenn man diese Logik auf internationale Krisen überträgt, erhöht das das Risiko eines nuklearen Unfalls. Damals im Heimatschutzministerium waren wir gezwungen, erstmals überhaupt realitätsnahe Nuklearszenarien durchzuspielen – weil die Eskalationsrhetorik außer Kontrolle geriet. Das Ministerium hat mir erlaubt, darüber in meinem Buch Blowback zu schreiben. Mir war es wichtig, den Amerikanern klarzumachen: Ihr dachtet vielleicht, das sei alles wohlüberlegt gewesen – ein cleverer Schachzug, um Kim Jong-un an den Verhandlungstisch zu bringen. Aber das war es nicht. Trump hat uns an einen Punkt geführt, an dem wir ernsthaft fürchteten, dass er uns versehentlich in einen Atomkrieg steuert. Und das ist die Art außenpolitischer Verantwortungslosigkeit, die mir in dieser zweiten Amtszeit am meisten Sorgen macht.
Mounk: Ich habe vor Kurzem angefangen, ein bisschen Poker zu spielen, und eines der ersten Dinge, die man dabei lernt, ist: Man muss bluffen – zumindest manchmal. Wenn du nie bluffst, ist es für andere viel zu leicht, dein Blatt zu lesen, wenn es wirklich stark ist. Aber wenn du immer bluffst, fällt dein ganzes Spiel in sich zusammen – weil jeder schnell merkt, dass du eigentlich gar nichts in der Hand hast. Vielleicht bluffen manche Politiker zu wenig – aber Trump blufft definitiv viel zu viel, und das bringt jede Menge Risiken mit sich.
Was, glaubst du, wird der langfristige Effekt dieser Präsidentschaft auf die amerikanische Republik und den Rechtsstaat sein? Wir haben ja eingangs darüber gesprochen, wie massiv er politische Gegner angreift – und ich glaube, das hat den Widerstand gegen Trump in bestimmter Hinsicht geschwächt. Gleichzeitig gibt es immer noch viele Anwaltskanzleien im Land, die bereit sind, gegen die Trump-Regierung zu klagen. In direkten juristischen Auseinandersetzungen mit seiner Regierung haben die Kläger in der überwältigenden Mehrheit der Fälle gewonnen – was ziemlich ungewöhnlich ist.
Es gibt eindeutige Angriffe auf die freie Presse. Als du davon gesprochen hast, zuerst zu klagen, egal ob man ein Verfahren gewinnt oder nicht, musste ich an seine jüngste Klage gegen das Wall Street Journal denken. Und dennoch: Bislang wirkt es nicht so, als würden sich die New York Times, das Wall Street Journal oder andere große Medien allzu sehr davor scheuen, Trump zu kritisieren. Wird das alles am Ende „nur“ dazu führen, dass einzelne lautstarke Kritiker Trumps auf persönliche, zum Teil existenzielle Weise bestraft und eingeschüchtert werden – ohne dass das ganze Informationssystem zusammenbricht? Oder glaubst du, dass die USA 2028 einem Land wie Ungarn oder Indien ähneln könnten, in dem die Informationsordnung zunehmend gesteuert und kontrolliert wird von denen, die gerade an der Macht sind?
Taylor: Ich glaube, die Fragmentierung der Medienlandschaft ist wahrscheinlich der beste Schutz davor, dass es hier so kommt wie in Ungarn oder Indien. Trump versucht aus meiner Sicht vergeblich, große Medienhäuser gefügig zu machen. Selbst wenn ihm das vollständig gelänge – was ich nicht glaube –, gibt es heute eine Vielzahl unabhängiger Medien, die es praktisch unmöglich machen, so etwas durchzusetzen, ohne auf massive autoritäre Mittel zurückzugreifen. Insofern denke ich: Diesen Kampf wird er im Großen und Ganzen verlieren.
Was ihm aber bereits gelungen ist: Er hat eine viel stärkere Kultur der Angst in den USA etabliert – und den Preis für Widerspruch massiv erhöht. Er war sehr erfolgreich darin, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Das Problem ist nur: Das sieht man von außen kaum – weil man die Stimmen, die nicht mehr sprechen, eben nicht hört. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Viele derjenigen, die sich in Trumps erster Amtszeit offen gegen ihn gestellt haben, sind heute verstummt – aus Angst, wie ich oder Chris Krebs zu enden. Sie fürchten sich vor einem präsidialen Erlass, der sie ihren Job, ihr Haus oder die Sicherheit ihrer Familie kostet. Von ihnen hört man kaum noch etwas. Ich sage nicht, dass Liz Cheney dazugehört – aber man könnte sich schon fragen: Warum hören wir im Moment nichts von ihr? Warum schweigen so viele frühere Kabinettsmitglieder? Ich spreche regelmäßig mit einigen von ihnen – und viele sagen ganz offen: „Ich will mein Unternehmen nicht verlieren. Ich will nicht riskieren, dass er mich ins Gefängnis bringt.“
Zumindest aus Sicht der politischen Elite war Trump erstaunlich erfolgreich darin, seine schärfsten Kritiker aus dem republikanischen Lager zum Schweigen zu bringen – und genau das war ihm besonders wichtig. Denn das waren die Stimmen, die er für seine Wahlniederlage 2020 verantwortlich macht. Diese Leute verfolgt er nun mit systematischer Rachsucht – und viele von ihnen sind still geworden.
Ich glaube nicht, dass es ihm gelingen wird, die amerikanische Medienlandschaft im Ganzen zum Schweigen zu bringen. Aber die indirekten und langfristigen Folgen sind enorm. Selbstzensur ist schwer zu dokumentieren – man sieht sie meist nur anekdotisch. Aber es gibt sie. In vielen Redaktionen entscheiden sich Journalistinnen und Journalisten gegen bestimmte Recherchen, weil sie nicht ins Fadenkreuz geraten wollen. Das heißt nicht, dass keine kritische Berichterstattung mehr möglich ist – aber viele fangen an, sich selbst zu zensieren. Und das gilt nicht nur für die Medien.
Was mich fast noch mehr beunruhigt, sind andere Institutionen – zum Beispiel Universitäten. Ich war vor ein paar Wochen bei einem Treffen von Universitätspräsidenten, ganz privat – und dort wurde sehr klar gesagt: Man meidet bestimmte Forschungsfelder, äußert sich nicht mehr öffentlich zu bestimmten Themen, hält sich zurück, um nicht ins Visier der Bundesregierung zu geraten.
Wenn man sich den Demokratieabbau in anderen Ländern anschaut, sieht man oft genau dort die ersten Risse: Nicht durch spektakuläre Repression mit Feuerwerk und Verhaftungen, sondern durch flächendeckende Selbstzensur. Und ich kann nur sagen: Genau das erleben wir gerade in den USA – nicht nur in den Medien, sondern in vielen großen Institutionen. Menschen haben Angst, sich kritisch mit der Regierung auseinanderzusetzen – obwohl sie das früher ohne Zögern getan hätten.
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Dieses Transkript wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.