The Good Fight Club: Waffenruhe in Gaza, US-Regierungsstillstand und Amerikas langsamer Weg in den Autoritarismus
Garry Kasparov, Russ Muirhead, Quico Toro und Yascha Mounk ordnen gemeinsam die Nachrichten der Woche ein.
Wenn dir meine Artikel und Podcasts gefallen, abonniere dich jetzt – oder leite sie an Freunde weiter –, damit dieser Substack weiter wachsen kann!
In dieser Folge von The Good Fight Club sprechen Yascha Mounk, Garry Kasparov, Russ Muirhead und Quico Toro über den Waffenstillstand im Gazastreifen, die Folgen des Regierungsstillstands in den USA und darüber, inwieweit Amerika unter Trump Russland und Venezuela ähnelt.
Garry Kasparov ist Vorsitzender und Gründer der Renew Democracy Initiative (RDI), die das Substack Magazin The Next Move veröffentlicht.
Russell Muirhead lehrt Politikwissenschaft am Dartmouth College. Gemeinsam mit Nancy Rosenblum ist er Autor von Ungoverning: The Attack on the Administrative State and the Politics of Chaos. Außerdem ist er Abgeordneter im Repräsentantenhaus von New Hampshire, wo er sich auf Wahlrechtspolitik konzentriert.
Quico Toro ist leitender Redakteur bei Persuasion, Direktor für Climate Repair am Anthropocene Institute und Autor des Substacks One Percent Brighter.
Das Transkript wurde gekürzt und zur besseren Verständlichkeit leicht bearbeitet.
Yascha Mounk: Willkommen zur achten Ausgabe des Good Fight Club. Ich freue mich heute besonders, Garry Kasparov begrüßen zu dürfen – er ist natürlich Schachweltmeister und Gründer sowie Vorsitzender der Renew Democracy Initiative. Ebenfalls zurück beim Good Fight Club ist Russell Muirhead, Professor am Dartmouth College, wo er politische Theorie lehrt, und Abgeordneter im Repräsentantenhaus von New Hampshire. Und schließlich freue ich mich, Quico Toro wieder im Podcast zu haben – diesmal zum ersten Mal im Good Fight Club. Er ist aus Japan gekommen – wo die Zeitzone es ihm sonst schwer macht, dabei zu sein – und momentan in den USA. Er ist leitender Redakteur bei Persuasion und Direktor für Climate Repair am Anthropocene Institute.
Nach etwas mehr als zwei Jahren eines schrecklichen Kriegs im Nahen Osten, der mit dem Hamas-Terroranschlag am 7. Oktober 2023 begann und zeitweise drohte, zu einem echten regionalen Konflikt zu werden – mit dem Tod vieler Menschen im Gazastreifen –, scheint es nun so, als könnte dieser Konflikt endlich, zumindest vorläufig, zu Ende gehen. Die letzten noch lebenden Geiseln werden gerade nach Israel zurückgebracht, Israel entlässt eine Reihe palästinensischer Gefangener, und es scheint Bewegung hin zu einem zumindest kurzfristigen Frieden zu geben. Garry, wie blickst du auf diesen politischen Moment im Nahen Osten?
Garry Kasparov: Ich glaube nicht, dass wir von Frieden sprechen können. Es ist sehr wichtig, dass die Geiseln zurückkehren, auch wenn diese Zahl gering ist im Vergleich zu jenen, die vor zwei Jahren von der Hamas entführt und gefoltert wurden. Ich denke, wir sollten eher von verdeckten Verhandlungen sprechen – zwischen Trump, Katar und anderen Akteuren im Nahen Osten. Es bleibt abzuwarten, welche Folgen dieses neue Kräfteverhältnis in der Region und wahrscheinlich auch global haben wird.
Mounk: Russ, es war bemerkenswert, am Sonntagabend zu sehen, wie Steve Witkoff und Jared Kushner in Tel Aviv ausgebuht wurden, als sie Benjamin Netanjahu erwähnten – aber als sie Donald Trump nannten, brach Applaus aus. Ist das der bisher beste Moment von Trumps Präsidentschaft?
Russ Muirhead: Ich glaube, es ist tatsächlich ein beeindruckender Erfolg für die Trump-Regierung. Ein Merkmal der amerikanischen Politik im Moment ist, dass wir uns gegenseitig so sehr hassen, dass wir der anderen Seite niemals Anerkennung geben können – nicht einmal dafür, im Regen einen Schirm aufzuspannen. Ich finde, wir müssen der Trump-Regierung hier wirklich Anerkennung zollen und können auch ein Stück weit stolz auf diesen Erfolg sein. Es war außergewöhnlich zu sehen, wie Trump in der israelischen Knesset empfangen wurde. Ich denke, auf gewisse Weise rettet er Israel vor sich selbst – und das erforderte durchaus Urteilsvermögen.
Quico Toro: Das Interessante daran ist, dass wir als aufgeklärte, liberal denkende Menschen gerne glauben wollten, wir hätten das 19. Jahrhundert hinter uns gelassen – dass wir in einer regelbasierten internationalen Ordnung leben, all diese schönen Dinge. Trump hat es zu seiner politischen Marke gemacht zu sagen, das sei eine Illusion, das habe nie wirklich existiert, und wir sollten uns keine Illusionen machen. Meistens liegt er damit falsch, aber der Nahostkonflikt ist einer der wenigen Bereiche, in denen wir tatsächlich noch im 19. Jahrhundert leben. Macht ist, was zählt – und das versteht Trump auf eine Weise, die Menschen mit einem anderen ideologischen Hintergrund vielleicht schwerer begreifen.
Muirhead: Quico, sollte Jared Kushner den Friedensnobelpreis bekommen?
Toro: Nun, dieses Jahr wohl eher nicht. Welch ein Grauen!
Mounk: Das wäre in gewisser Weise die ultimative Retourkutsche an Trump – seinem Schwiegersohn statt ihm den Nobelpreis zu verleihen. Das wäre bemerkenswert.
Muirhead: Angesichts von Jareds Arbeit in dieser Sache ist das tatsächlich etwas, worüber das Nobelkomitee nachdenken sollte.
Mounk: Wo steht Israel in diesem Moment? Nach dem 7. Oktober erlebte das Land ein enormes nationales Trauma – verständlich angesichts der Brutalität des Angriffs. Gleichzeitig gab es, rein politisch betrachtet, die Sorge, dass Israel seine Abschreckungskraft verloren haben könnte. Seither hat Israel diese Abschreckung eindeutig wiederhergestellt. Militärisch war es sehr erfolgreich: Es hat die Hisbollah weitgehend entwaffnet, die Hamas deutlich geschwächt und viele der Tunnel und Strukturen zerstört, die Israel zuvor großen Schaden zufügten. Zudem hat es Irans Atomprogramm durch gezielte Schläge zurückgeworfen. In militärischer Hinsicht war das alles erstaunlich erfolgreich.
Gleichzeitig scheint der Preis dieses Erfolgs in Bezug auf internationale Unterstützung und Israels globales Ansehen extrem hoch gewesen zu sein. Das Land sieht sich nicht nur mit wachsender Feindseligkeit aus Europa konfrontiert, das im Konflikt ohnehin immer gespalten war, sondern zunehmend auch mit einer skeptischen jungen Generation in den USA – mit dem Risiko, Amerika irgendwann als Verbündeten zu verlieren. Ist Israel kurzfristig sicherer, aber mittelfristig und langfristig gefährdeter als je zuvor?
Muirhead: Wenn man heute mit Studenten arbeitet, merkt man, dass der Krieg in Gaza das prägende Generationsthema für etwa 20-Jährige ist. Und das betrifft nicht nur eine Seite des politischen Spektrums. Diese nüchterne Realpolitik, die aus der Betrachtung von Machtpolitik im 19. Jahrhundert entsteht, ist nicht die Art, wie junge Menschen heute die Welt sehen. Sie betrachten sie viel moralischer. Ich denke, die Nachwirkungen dieses Kriegs werden – zumindest in den Augen junger Amerikaner – für die amerikanische wie auch die israelische Regierung noch viele Jahre spürbar bleiben.
Kasparov: Habe ich da „moralisch“ gehört?
Muirhead: Ich glaube, die Generation, die gerade erwachsen wird, denkt Politik nicht in Machtkategorien, sondern in moralischen Begriffen.
Kasparov: Das heißt also, man unterstützt einen genozidalen Terroranschlag vom 7. Oktober, der auf Video festgehalten wurde, leugnet die Fakten und wiederholt die Lügen über Holocaust und Völkermord. Wir leben in einer Welt voller Informationen – man streicht mit dem Finger über das Handy und hat alle Daten. Ich bin wirklich schockiert. Ich stimme dir zu – leider. Es ist eine indoktrinierte Generation, Teil dieser bankrotten Politik der extremen Linken, die Gaza zu ihrem Hauptthema gemacht hat.
Wir haben globale Probleme. Laut den Vereinten Nationen leiden 900 Millionen Menschen an Mangelernährung und Hunger, wahrscheinlich mehr. Nicht weit von Gaza entfernt liegt der Sudan – eine Tragödie jenseits der Vorstellungskraft –, und niemand spricht darüber. Ich stimme dir erneut zu, leider – das wird Auswirkungen haben, weil diese Generation alles durch die Propagandalinsen betrachtet, die von katarischem Geld und wohl auch von anderen Quellen finanziert werden, die die extreme Linke unterstützen. Ich wäre nicht überrascht, dort auch russisches Geld zu finden.
Natürlich hat Israel – wie schon oft – den Krieg auf dem Schlachtfeld gewonnen, aber den ideologischen Kampf verloren. Der Krieg in Gaza, so unvollkommen er auch war, hatte ein erstaunliches Verhältnis von Zivilisten zu Kämpfern – etwa eins zu sieben. Eine unglaubliche Zahl. Die freie Welt, die nie gezögert hat, ihre Feinde in Schutt und Asche zu bomben, greift nun Israel an, das alles getan hat, um Zivilisten zu schützen.
Schaut euch Gaza jetzt an. Es ist vorbei. Die Menschen dort haben wieder Handys und feiern. Das Erste, was sie getan haben, war, das Café Nova zu eröffnen. Sie eröffneten das Café Nova. Und in Amerika gibt es Menschen, die für Me Too, LGBTQ-, Trans- und DEI-Themen brennen – und dieselben Menschen unterstützen Hamas, eine Organisation, die sie alle für ihre Werte ohne zu zögern töten würde. Es ist Wahnsinn.
Und obwohl mich wohl niemand verdächtigt, Netanjahu besonders freundlich gegenüberzustehen, ist das ein großes Problem für Israel. Israel kämpft um sein Überleben. Wie Golda Meir sagte: Die Welt sieht lieber schwache Juden, die verfolgt werden, als starke Juden, die sich verteidigen. Israel hat großartige Arbeit geleistet. Ironischerweise hat es heute mehr Unterstützung von arabischen Monarchien – obwohl ich kein Freund der Saudis oder Emiratis bin – als von Demokratien.
Israel ist eine Demokratie, eine blühende Demokratie. Eine liberale Demokratie, eine Marktwirtschaft und eines der technologisch fortschrittlichsten Länder der Welt. Es ist bemerkenswert, dass gerade dieser Staat – der viele Werte der modernen Welt verkörpert – von jenen geächtet wird, die in dieser Welt leben, zugunsten mittelalterlicher, genozidaler Mörder.
Toro: In gewisser Weise ist das Uninteressanteste an alldem die alberne amerikanische Campus-Politik. Sie ist immerhin ein gutes Kriterium: Wer als Trans- oder LGBT-Aktivist für Hamas eintritt, muss nie wieder ernst genommen werden, weil er dieses Recht verwirkt hat. Aber das ist nicht das wirklich Spannende.
Das eigentlich Interessante ist die Frage, ob Israel durch das Ergebnis dieses Kriegs tatsächlich sicherer geworden ist. Es ist unbefriedigend, das zu sagen, aber wir wissen es nicht. Wir wissen es nicht, weil die zentrale strategische Frage, die Israel vor zwei Jahren und fünf Tagen beschäftigte, dieselbe ist wie heute: Wir wissen nicht, wie weit der Iran von nuklearer Handlungsfähigkeit entfernt ist. Wir wissen es immer noch nicht. Diese Frage wurde unter den Teppich gekehrt. Ich verstehe, dass es dazu Diskussionen in Geheimdienstkreisen gibt, zu denen wir natürlich keinen Zugang haben, aber ich glaube nicht, dass sie es wissen.
Es ist völlig vorstellbar, dass man im Jahr 2100 auf diesen Moment zurückblickt und sagt: Das war die Zeit, in der die Israelis glaubten, sie seien sicher – ohne zu ahnen, dass sie 2028 oder 2029 in eine nukleare Konfrontation mit Iran geraten würden, die außer Kontrolle geriet. Dieses Risiko wiegt unendlich schwerer als die Meinung irgendeiner Person mit pinken Haaren auf einem Campus irgendwo. Darauf sollten wir uns nicht konzentrieren.
Mounk: Lass mich hier bewusst eine Gegenposition einnehmen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es eine Form von Campus-Aktivismus gibt, die die moralischen Realitäten vor Ort völlig verkennt. Wer Hamas feiert, sie für einen Verbündeten sozialer Gerechtigkeit hält oder glaubt, sie sei in irgendeiner Weise eine legitime Organisation – weder in dem, wie sie Israel angreift, noch in dem, wie sie Gaza regiert –, der irrt sich zutiefst. Eines der auffälligsten Dinge der letzten Tage war, wie Hamas-Kämpfer offen auf den Straßen Menschen ermordeten, die sie als politische Feinde betrachteten – offenbar mit der Unterstützung Donald Trumps, wenn man einem Kommentar glauben darf, den er in der Air Force One gemacht hat. Das ist vollkommen irre, und ich denke, darin sind wir uns einig.
Trotzdem lassen sich – strategisch wie moralisch – Fragen zur Kriegsführung Israels in den letzten zwölf Monaten stellen. Moralisch betrachtet haben mehrere ehemalige Premierminister und hochrangige Mitglieder des israelischen Sicherheitsapparats – Menschen, die gewiss keine Idealisten sind und Israels Sicherheitsinteressen stets kompromisslos verteidigt haben – schon früh gesagt, dass das Land seine realistischen Kriegsziele erreicht habe. Viele Raketen und Tunnel seien zerstört, wenn auch nicht alle. Hamas völlig auszulöschen, sei wohl ohnehin nie möglich gewesen – und tatsächlich ist das auch nicht geschehen. Es sieht nun sehr danach aus, dass Hamas zumindest auf absehbare Zeit weiter den Gazastreifen kontrollieren wird.
Rein strategisch scheint Netanjahu – wie Sam Kahn am Montag in Persuasion schrieb – den Geist Spartas zu verkörpern. Seine Haltung scheint zu sein: Israel wird auf der Weltbühne so sehr gehasst, dass es sich nun zu einem kleinen Sparta machen müsse. Doch das ist eine sehr riskante Strategie. Sind die sicherheitspolitischen Gewinne Israels der letzten zwölf Monate den dramatischen Verlust an internationalem Rückhalt, das wachsende Risiko eines Bruchs mit den USA und die tiefer werdende Feindseligkeit Europas wirklich wert?
Sowohl moralisch als auch strategisch – und das sage ich als jemand, der diesen Konflikt nicht täglich verfolgt, aber davon tief bewegt ist – bin ich in beiden Punkten äußerst unsicher.
Kasparov: Ich glaube nicht, dass man eine direkte Verbindung ziehen muss zwischen der wachsenden Feindseligkeit Europas auf offizieller Ebene und den Massendemonstrationen, die wir weiterhin sehen. Menschen, die einst gegen den Krieg protestierten und einen Waffenstillstand forderten, sind nun gegen den Waffenstillstand. Sie sind einfach gegen Israel – gegen die bloße Existenz Israels. Auf vielen Landkarten in Amerika und Europa existiert Israel gar nicht mehr; da gibt es nur noch einen Staat: Palästina.
Es gibt einen wachsenden Anteil muslimischer Bevölkerung, und in Ländern wie Großbritannien oder Frankreich haben wir sehr schwache Zentralregierungen, die innenpolitisch lavieren müssen. Das wiederum führt zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen, die für dieselben Anliegen keinerlei Sympathie haben werden. Das ist reine Politik – billige Politik – und wieder einmal gut finanziert.
Die Proteste gegen Israel begannen in Amerika am 8. Oktober. Viele Leichen lagen da noch auf dem Boden, und doch demonstrierten die Menschen bereits – mit industriell gefertigten Fahnen. Das bedeutet, die gesamte Kampagne – bis hin zu den Flugblättern für die Universitäten – war im Voraus vorbereitet. Das sagt alles über die Koordination und das Geld dahinter – erneut aus Katar und anderen Quellen, die massiv in diese Kampagne investiert haben.
Toro: Sicher. Aber Garry, was wir sehen, ist Folgendes: Am 7. Oktober geschah ein grauenhaftes Massaker. Am 8. Oktober gab es Feiern. Und am 9. Oktober sahen bestimmte politische Akteure in Israel darin eine einmalige Gelegenheit. Wegen dieser Reaktionen – selbst am Tag, an dem der Krieg endet – werden viele in Israel sagen: Seht ihr? Jetzt können wir loslegen. Wir können tun, was wir wollen.
Ich denke, der Grund, warum das für Israel politisch so kostspielig war – in Europa, Nordamerika, Japan und großen Teilen der Welt –, liegt darin, dass es so offensichtlich war, dass Netanjahus Strategie nicht von strategischen Überlegungen, sondern einzig vom Versuch getragen war, an der Macht zu bleiben und Figuren in seiner Regierung zu besänftigen, mit denen kein anständiger Mensch je die Hand schütteln sollte.
Es ist sinnlos zu leugnen, dass es in der israelischen Rechten eine extrem aggressive, offen fremdenfeindliche Strömung gibt. Wir können nicht so tun, als gäbe es sie nicht.
Kasparov: Schau, da gibt es keinen Widerspruch – es geht ausschließlich um Macht. Das habe ich gleich zu Beginn gesagt. Es geht nicht um ein Friedensabkommen, sondern um ein finanzielles Geschäft. Jared Kushner könnte den Nobelpreis für Wirtschaft verdienen, denn er verdient daran Unsummen. All das wurde hinter verschlossenen Türen entschieden. Ich rede von Geld, das im Geheimen gemacht wird. Es geht um Trump, der mit Katar verhandelt, Katar Sicherheitsgarantien anbietet. Es geht darum, dass Israel ein paar Raketen auf Hamas schießt – vielleicht nur, um eine Botschaft an Katar, den Emir und dessen Umfeld zu senden. Wir kennen nicht alle Details, aber am Ende könnte etwas zutage treten – etwa ein katarischer Luftwaffenstützpunkt in Idaho. Es läuft auf eines hinaus: Entweder fliegt ein katarisches Flugzeug zu Trump, oder Amerika gibt Katar Garantien.
Möchten Sie (oder jemand, den Sie kennen) meine Artikel und Interviews auf Englisch oder Französisch lesen? Abonnieren Sie sich gerne bei meinen entsprechenden Substacks!
Katar ist der entscheidende Akteur. Hamas kann ohne Geld nicht existieren. Iran hat kaum Geld – also muss man nach den Quellen suchen. Ein Teil kommt aus Europa, über milliardenschwere Zuwendungen, aber das eigentliche Geld kam aus Katar. Katar hat dieses Spiel gespielt. Man muss sich das Kräfteverhältnis zwischen Katar und den Saudis ansehen. Die Saudis und die Emirate stehen klar auf der Seite Israels. Es ist ein sehr komplexes, vielschichtiges Spiel – aber ja, im Kern geht es um Macht.
Das ist es, was mich wirklich krank macht. Denn hier geht es um das Leben der ersten Geiseln – und nun um ein noch größeres Bild, das auch die einfachen Menschen in Gaza einschließt. Sie alle sind nur Figuren in einem Spiel, geopfert für Macht. Auch die Demonstrationen drehen sich nur um Macht. Die Linke versucht, ihre Macht zu bewahren, indem sie Massenproteste organisiert. Das ist das Einzige, was sie tun kann – und es wird vermutlich damit enden, dass Farage Premierminister in Großbritannien wird. Es ist tragisch. Der Nahe Osten wird als Spielfeld für eine Politik benutzt, die weit über die Region hinausgeht.
Mounk: Russ, da du deine Studierenden erwähnt hast: Ich glaube, es gibt auf beiden Seiten – und vielleicht besonders auf einer – Extremisten und Stammesdenker. Es gab Menschen, die auf den Campussen und auf den Straßen von New York direkt nach dem 7. Oktober gefeiert haben. Aber insgesamt war die amerikanische öffentliche Meinung vor zwei Jahren recht klar auf Israels Seite, und seither ist sie viel gespaltenener geworden.
Ich glaube, Harry Enten hat kürzlich bei CNN eine Umfrage vorgestellt, in der zum ersten Mal – wenn man die Leute fragte, ob sie eher mit den Palästinensern oder mit den Israelis sympathisieren – eine knappe Mehrheit, um einen Punkt, eher auf der Seite der Palästinenser war. Denkst du, das wird sich mit der Zeit wieder ändern? Sehen einige deiner Studierenden beide Seiten in gewisser Weise? Glaubst du, dass nach dem Ende dieses Kriegs die aufgeheizte Atmosphäre auf den Campussen etwas abflauen wird? Oder ist das ein echter Wendepunkt darin, wie junge Menschen die Region sehen, Russ?
Muirhead: Die Meinung junger Menschen, so wie die der Öffentlichkeit insgesamt, besteht zum größten Teil aus Menschen, die gar nicht wissen, was sie denken sollen. Die Zahl derer, die wissen, was sie denken, wenn sie eine Schlagzeile lesen, ist immer sehr klein. Wenn ich von meinen Studierenden spreche, meine ich nicht das kleine Prozent – vielleicht ein Prozent –, das auf Demos geht und deren Parolen besonders einfältig oder beleidigend sind. Ich meine die breitere Gruppe, die auf die Bilder reagiert, die sie in den sozialen Medien sieht – Bilder, die für sie wie Kriegsverbrechen aussehen.
Ich glaube, sie reagieren so, wie Garry es beschrieben hat – von Mensch zu Mensch. Sie machen keine strategische Analyse der Machtspiele. Ich würde sagen, ein Großteil der gemäßigten Öffentlichkeit reagiert auf ähnliche Weise auf Ereignisse. Sie wissen nicht, auf wessen Seite sie stehen sollen, und wenn sie genug Bilder sehen, die für sie wie Kriegsverbrechen aussehen, verlieren sie Mitgefühl für Israel. Aber sie sind keine Partisanen in einem Nahostkonflikt; sie reagieren einfach menschlich.
Es ist sehr schwer zu wissen, was die richtige menschliche Reaktion auf einen solchen Konflikt ist. Ich glaube, die öffentliche Meinung hat sich nicht wegen Desinformation verändert, nicht, weil Menschen manipuliert wurden, und nicht, weil eine extreme Bewegung eine Generation vereinnahmt hat, sondern weil eine menschliche Reaktion sie in eine bestimmte Richtung getrieben hat. Das Ende des Kriegs könnte den Menschen die Gelegenheit geben, wieder etwas anders zu reagieren.
Mounk: Ich liebe es immer, wenn es im Good Fight Club eine echte Debatte gibt – und die hatten wir jetzt seit etwa zwanzig Minuten. Aber es war eine respektvolle, und sie hat mir auf jeden Fall geholfen, beide Seiten des Arguments besser zu verstehen.
Kommen wir zu einer anderen Nachricht, die erstaunlich wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Bei jedem Regierungsstillstand vor 2025 war das das Topthema in jeder Zeitung und auf jedem Nachrichtensender – Tag für Tag. Jetzt haben wir diesen seltsamen „Zombie“-Shutdown der Regierung. Natürlich wurde darüber berichtet – ich erzähle hier nichts völlig Neues –, aber er hat die öffentliche Aufmerksamkeit nicht wirklich ergriffen. Bei all den anderen Ereignissen, im Nahen Osten und im Inland, scheint das fast nur ein Nebenschauplatz zu sein.
Wir befinden uns nun in der merkwürdigen Realität, dass Regierungsschließungen etwas geworden sind, das wir regelmäßig erwarten. Wir sind am vierzehnten Tag des aktuellen Shutdowns. Oft sind es die Republikaner, die sich für einen Shutdown entscheiden – teils, weil sie der Regierung kritischer gegenüberstehen und sich weniger um deren Dienstleistungen kümmern. Diesmal waren es jedoch die Demokraten, die eine Linie gezogen haben.
Sie taten das nicht wegen Fragen der Demokratie. Sie taten es nicht wegen ICE in Chicago oder Ähnlichem. Sie entschieden sich für den Punkt, dass laut aktuellem Haushaltsplan die Krankenversicherungsprämien für Menschen, die Obamacare nutzen, deutlich steigen würden.
Russ, wo stehen wir an Tag vierzehn des Shutdowns? Haben die Demokraten hier auf das richtige Pferd gesetzt? Können sie diesen Kampf gewinnen? Was wird passieren?
Muirhead: Wir sind verloren. Das ist der Shutdown, über den niemand sprechen will und bei dem niemand ein Ende sieht. Im Kern geht es für die Demokraten um die Steuervergünstigungen für Obamacare-Prämien, die 2021 durch den American Rescue Act eingeführt wurden. Sie machen die Krankenversicherungsprämien auf den Obamacare-Börsen viel erschwinglicher – für arme Menschen, die arbeitende Mittelschicht, und Familien mit bis zu etwa 130.000 Dollar Jahreseinkommen.
Etwa zehn Prozent der Erwachsenen im Land profitieren von diesen Zuschüssen, also ein riesiger Teil der Bevölkerung. Ohne sie könnten sich viele keine Krankenversicherung leisten. Es ist ein politisches Thema, das technisch klingt, aber tatsächlich für einen großen Teil der Erwachsenen relevant ist – nicht nur für demokratische Wähler. Die Gesamtkosten dieser Zuschüsse liegen bei rund 40 Milliarden Dollar pro Jahr, also etwa einem halben Prozent des US-Haushalts. Das sollte eigentlich leicht zu lösen sein.
Ja, das Land befindet sich in einer katastrophalen fiskalischen Lage, aber selbst wenn man das beiseitelässt, dürfte das nicht schwierig sein. Die Republikaner wollen einerseits den Filibuster nicht abschaffen. Sie könnten ihn abschaffen und die Regierung morgen wieder öffnen. Aber sie wollen den Filibuster auch nicht so nutzen, wie er gedacht war – nämlich die Parteien zum Reden und zum Kompromiss zu zwingen. Inhaltlich ist der Kompromiss hier so einfach, dass es lächerlich ist.
Aber wenn man eine Politik betreibt, deren Ziel es ist, die andere Seite zu hassen und zu demütigen, werden selbst einfache Abmachungen unmöglich. Ich rechne tatsächlich damit, dass Trump irgendwann reinkommt und sagt: „Lasst uns einen Deal machen“, und er die Republikaner im Kongress dazu zwingt, mitzugehen, weil das wirklich nicht so schwer ist.
Toro: Merkwürdig war die zur Schau gestellte Weigerung, einen Deal zu wollen – die trumpistische Inszenierung, ein Leben ohne funktionierende Regierung zu lieben, TSA-Beschäftigte ohne Bezahlung zur Arbeit antreten zu lassen und auf eine ganz offensichtlich unhaltbare Weise zu leben. Die Versuchung ist groß, das in die allumfassende Theorie der trumpistischen Überdehnung einzuordnen.
Er ist schlicht nicht gut darin einzuschätzen, wie weit sein politisches Kapital reicht – oder er scheint von einer utopischen Vision berauscht, dass er diese Abwägungen nicht treffen müsse, weil er anders und besonders sei. Es wirkt sehr offensichtlich, dass ihn das einholen wird – der Shutdown ist Beispiel sieben von zweiundvierzig.
Mounk: Der Shutdown wurde in gewisser Weise von den Demokraten gewählt. Er wurde an einem Thema festgemacht, das für das Leben vieler Amerikaner wichtig ist. Aber mir ist nicht klar, dass in der PR-Schlacht um den Regierungsstillstand die Leute Trump die Schuld geben. Garry, wie liest du diesen Moment?
Kasparov: Zunächst einmal hat bei allem, was Trump tut, nur zweierlei Gewicht: Geld und persönlicher Ruhm. Verherrlichung und Monetarisierung treiben jede Entscheidung – ob Zölle, der Friedensprozess im Nahen Osten oder der Shutdown. Eine seiner Prioritäten in der amerikanischen Politik ist derzeit, eine Abstimmung über die Epstein-Akten zu vermeiden. Jede Geschichte, die das überlagert und die öffentliche Aufmerksamkeit ablenkt, ist großartig für ihn.
Anfangs, glaube ich, war Trump der Ansicht, dass sie den Kampf gewinnen würden. Deshalb hörten wir in den ersten Tagen alle Republikaner – von J. D. Vance abwärts – sagen, die Demokraten versuchten, Gesundheitsleistungen für illegale Einwanderer zu retten. Das war die Hauptlinie, der Talking Point. Sie haben verloren. Es scheint mir, sie haben verloren. Ich muss mir nicht einmal die Umfragen ansehen; sie haben einfach aufgehört, darüber zu reden.
Das zeigt, wie sehr Trump und sein Team die Erzählung kontrollieren. Wenn sie sie nicht gewinnen, ignorieren sie sie – und irgendwie verschwindet sie. Ich unterstütze voll und ganz – und habe es getan und tue es weiterhin –, dass die Demokraten eine Linie gezogen haben. Mir war egal, ob es um Demokratie oder um Gesundheit ging. Ich denke, Gesundheit war wahrscheinlich eine gute Wahl. Sie mussten Haltung zeigen; sie konnten Trump nicht einfach alles durchgehen lassen. Ich stimme auch zu, dass Trump bald einen Weg finden wird, zurückzurudern, weil er nicht gewinnt und den Regierungsstillstand nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten kann. Die Frustration wird wachsen.
Aber wir müssen anerkennen, dass dies eine neue Ära der amerikanischen Politik ist, denn es geht nur noch um die Kontrolle der Erzählung. Die Regierung kann zwei Wochen lang geschlossen sein, aber weil die Erzählung in eine andere Richtung gedrückt wird, reden am Ende alle über andere Dinge, die für ihr Leben weit weniger wichtig sind. Wir sprechen hier über zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung – von 335 Millionen Menschen – und doch geht das irgendwie in einem großen ideologischen Nebel unter.
Muirhead: Wir reden nicht über Politik im engeren Sinne – es ist etwas ganz anderes. Es gibt so viele Menschen in roten Bundesstaaten, die von diesen Programmen profitieren, dass es schwer sein wird, die derzeitige Haltung durchzuhalten. Die Position der Republikaner lautet aktuell: Öffnen wir die Regierung wieder, und dann machen wir einen Deal zur Gesundheitspolitik. Die Demokraten sagen: Machen wir einen Deal zur Gesundheitspolitik, und dann öffnen wir die Regierung wieder. Diese Positionen liegen so nah beieinander, dass es kaum zu fassen ist, dass man sich nicht einigen kann.
Im Hintergrund steht jedoch ein aggregiertes Bundesdefizit von 38 Billionen Dollar. Beim Haushalt bewegen wir uns jährlich von elf Prozent Zinsausgaben auf siebzehn Prozent in nur wenigen Jahren. Die fiskalische Realität ist düster. Was wir sehen, ist eine Führungsschicht, die schlicht nicht regieren kann – und die, grob gesagt seit 2010, jegliches Gefühl für Haushaltsdisziplin abgelegt hat. Es ist nicht nur eine Partei.
Mounk: Gibt es ein allgemeines Wettrennen nach unten in der amerikanischen Politik? Das heißt nicht, dass Demokraten und Republikaner gleich sind oder dass der nächste demokratische Kandidat so schlecht sein wird wie Donald Trump. Aber wir sehen es im Ton. Gavin Newsom ist nun der wahrscheinliche demokratische Kandidat, weil er beschlossen hat, Trump in den sozialen Medien zu verspotten und alles zu imitieren, was Trump tut.
Wir sehen es auch in der Budgetsubstanz. Manche Politikwissenschaftler haben argumentiert, dass in den 1980ern, 1990ern, 2000ern und 2010ern die Republikaner zwar viel über Haushaltsdisziplin redeten, tatsächlich aber viele Gesetze verabschiedeten, die den Bundeshaushalt stark ausweiteten. Die Demokraten waren derweil die langweiligen, verantwortlichen, die sagten: „Auch wenn uns Umverteilung und Sozialprogramme wichtig sind, werden wir tun, was nötig ist, um den Haushalt auszugleichen.“ Das Defizit wuchs unter George W. Bush und ging unter Barack Obama zurück.
Jetzt haben die Demokraten offensichtlich beschlossen, dass Michelle Obama unrecht hatte, als sie sagte: „When they go low, we go high” (Wenn sie tief schlagen, bleiben wir erhoben). Wenn die anderen tief sinken, gehen die Demokraten inzwischen auch tief. Sie haben entschieden, dass, wenn die Republikaner vorgeben, Haushaltsdisziplin zu wollen, es in der Praxis aber nicht tun, sie selbst es auch nicht tun werden.
Russ fragt, ob das gut enden wird, denn es gibt reale Budgetbeschränkungen in der Welt. Ich verstehe, warum Demokraten sagen: Wenn diese Leute ständig ausgeben, warum sollten wir es nicht auch tun? Wenn sich alle darauf einigen, sich nicht darum zu kümmern, mag das kurzfristig politisch opportun sein, aber in Summe ist es verheerend. Quico, du hältst dir da drüben verzweifelt den Kopf. Erinnert dich das an dein Herkunftsland, über das du ungern sprichst?
Toro: Mir fällt immer das Orwell-Zitat ein, dass eine falsche Überzeugung früher oder später auf die harte Realität trifft. Die USA befinden sich in einer sehr seltsamen Lage – ich habe in Persuasion darüber geschrieben –, weil sie die Weltreservewährung emittieren. Es gibt kein anderes Land, das seine Makroökonomie so steuern könnte wie die Amerikaner. In jedem anderen Land gäbe es massiven Kapitalabfluss, eine Währungskrise und am Ende einen Gang zum IWF.
Die USA haben diese einzigartige Position, in der sie im Grunde Gold ausgeben – oder das, was im internationalen Zahlungsverkehr für Gold steht. Da der Dollar nicht gegen sich selbst abwerten kann, ist der natürliche Stoppunkt, an dem die harte Realität normalerweise zuschlägt, ausgeblieben. Die USA können weitermachen, als gäbe es keine Realität. Das ist ein sehr gefährlicher Ort, denn irgendwann holt die Realität einen ein – wir wissen nur nicht, in welcher Form.
Das ist buchstäblich noch nie passiert. Das Land, das die Weltreservewährung ausgibt, ist noch nie in eine Zahlungsbilanzkrise geraten. Ich weiß nicht, was passieren wird – ich bin kein Ökonom –, aber gut kann es nicht sein.
Kasparov: Da stimme ich zu, aber das Problem reicht noch tiefer. Der Dollar ist aus einem Grund Reservewährung. Er ist Teil des globalen Arrangements, das seit der Abschaffung des Goldstandards 1971 besteht. Dieses System ruht auf einer Kombination aus wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Faktoren.
Als Donald Trump diese Handelskriege begann und Zölle propagierte, brach er im Grunde Amerikas Verpflichtungen. Die USA genießen eine einzigartige Stellung – sie können de facto Gold emittieren und ihre Defizite finanzieren, während andere US-Staatsanleihen kaufen, weil Amerika ein Bündel globaler „Goodies“ angeboten hat, etwa kostenlosen Schutz für Europa.
Wenn Trump sagt, wir hatten schlechte Handelsabkommen; wir müssen Europa nicht verteidigen, verkennt er den Kern. Die USA müssen Europa nicht verteidigen – aber dann muss Europa Amerikas Schulden auch nicht kaufen. Das ist das Herzstück des globalen Systems, und es ist sehr instabil.
Ich könnte nicht mehr zustimmen – das wird nicht gut enden. Die Risse sind bereits sichtbar, die ersten kalten Schläge der Realität. Wir können uns noch etwas Schminke auflegen, um die blauen Flecken zu kaschieren, aber die Flecken sind da.
Muirhead: Zölle werden wir wahrscheinlich nie wieder los, denn sie sind effektiv eine Steuer. Sie bringen, so habe ich gelesen, über zehn Jahre mehr als drei Billionen Dollar ein. Wir können es uns nicht leisten, sie abzuschaffen. Du hast gesagt, Garry, der Präsident werde von zwei Dingen getrieben – Geld und Ruhm, oder vielleicht Geld und konzentrierter persönlicher Macht. Unter diesen Umständen ist niemand motiviert, tatsächlich zu regieren.
Blickt man zurück – Yascha, du hast die 1980er und 1990er erwähnt –: Ende der 80er ging George Herbert Walker Bush zu einem Haushaltsgipfel, sehr besorgt über das Defizit, und stimmte Steuererhöhungen zu, nachdem er gesagt hatte: „Read my lips: no new taxes.“ Er opferte seine Wiederwahl zu einem großen Teil wegen dieser Entscheidung – es war die Wahl, die fiskalische Gesundheit des Landes an erste Stelle zu setzen.
Ihm folgte Bill Clinton. Die Demokraten hatten lange auf die einheitliche Kontrolle gewartet, begierig, neue Leistungen wie eine Gesundheitsreform zu schaffen. Doch Clinton folgte Lloyd Bentsen und den Fiskalkonservativen in seiner Regierung statt Robert Reich und knüpfte an den Präzedenzfall von George H. W. Bush an. Das Ergebnis waren Ende der 1990er ausgeglichene Haushalte.
Man kann das als eine Art überparteilichen, sukzessiven Moment der Kooperation lesen, der bis 2000 zu ausgeglichenen Budgets führte. Solche Führung brauchen wir wieder – und wenn Führung weiterhin von Geld und Ruhm berauscht ist, werden wir kein echtes Regieren erleben.
Mounk: Nur kurz zurück zu den politischen Implikationen: Nächstes Jahr stehen Midterms an. Sie könnten sehr wichtig sein, um Donald Trump einige Checks and Balances entgegenzusetzen. In der allgemeinen Debatte – und zum Teil auch bei euch dreien – höre ich die Annahme, dass Trump politisch in Schwierigkeiten ist und diesen Kampf um den Shutdown wohl verliert, dass er in erheblichem Maße verantwortlich gemacht wird.
Ich möchte da etwas Wasser in den Wein gießen. Schaue ich auf Nate Silvers Umfrageschnitt, hat Trump heute einen Netto-Zustimmungswert von minus 8,4. Etwas schlechter als vor drei Wochen (minus 7,5), etwas besser als vor einer Woche (minus 9,3). Deutlich besser als vor acht Jahren zu diesem Zeitpunkt. Zudem ist die Marke der Demokraten deutlich stärker beschädigt als vor acht Jahren. Die Ansichten über die Demokraten sind weiterhin viel schlechter.
Schaut man auf Wettmärkte – ich habe eben bei Kalshi geschaut –, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten 2026 das Repräsentantenhaus gewinnen, bei 63 Prozent. Das ist relativ gut, aber weit von sicher entfernt. Gleichzeitig liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Republikaner den Senat gewinnen, bei 71 Prozent. Es sieht nach leichten Vorteilen aus, dass die Demokraten knapp das Haus gewinnen. Wahrscheinlich verlieren sie den Senat. Sie könnten sehr leicht beides verlieren. Es gibt nur wenige Szenarien, in denen sie den Senat gewinnen, aber nicht das Haus.
Die Chance, dass Trump weitere zwei Jahre eine Trifecta hat, liegt wohl bei eins zu drei. Wo stehen wir? Warum haben die extremen Schritte der letzten zehn Monate Trump nicht unpopulärer gemacht? Wie sicher können wir sein, dass es irgendeinen nennenswerten Backlash gegen das, was Trump tut, gibt – im Shutdown oder generell?
Muirhead: Ich glaube nicht, dass die Leute ideologisch auf den Shutdown reagieren. Sie reagieren danach, was sie spüren. Wenn der Luftverkehr ernsthaft gestört wird, wenn das normale Leben durch eine buchstäblich stillgelegte Bundesregierung wirklich beeinträchtigt wird, werden die Menschen die gesamte Führungsklasse verantwortlich machen. Das wird für den Präsidenten nicht gut sein.
Schumer hat nicht den Status, den Donald Trump hat. In dieser Hinsicht wird Trump mehr Verantwortung tragen als Schumer oder die demokratische Führung. Niemand kennt überhaupt ihre Namen. Sie sind so irrelevant, und wo man sie kennt, sind sie nicht angesehen. Ihre Marke ist schon so schlecht, dass sie kaum noch schlechter werden kann.
Ich denke, die Regierungspartei – die Exekutive und Legislative kontrolliert – wird das lösen müssen. Wenn es im Alltag Bedingungen gibt, die vernünftige Bürger negativ reagieren lassen, dann wird das in den nächsten Wochen passieren, prognostiziere ich.
Mounk: Lassen wir es damit und kommen zur letzten Fragerunde: Welche internationalen Vergleiche helfen uns, diesen politischen Moment und die Gefahr für die demokratischen Institutionen in den USA zu verstehen? Gerade wurde der Friedensnobelpreis an eine venezolanische Friedensaktivistin verliehen, die mutig gegen das Regime von Nicolás Maduro organisiert und der Opposition eine Stimme gegeben hat – die aber selbst eine komplexe Figur ist und den Nobelpreis auf ziemlich absurde Weise demjenigen gewidmet hat, der ihn lieber selbst bekommen hätte: Donald Trump.
Quico, hast du derzeit in den USA ein Déjà-vu? Aus deiner Erfahrung in Venezuela – als Chávez und dann Maduro das Land übernahmen –: Befinden wir uns in dramatischem Terrain, was die demokratischen Institutionen der USA angeht, oder hinkt der Vergleich?
Toro: Darüber zu sprechen ist wirklich schmerzhaft, und noch schwerer ist es, darüber nachzudenken, weil das so emotional ist. Ich glaube, Garry weiß, wie sich das anfühlt – wenn man das Land, das man liebt und dem man so viel seines Lebens gewidmet hat, frei und demokratisch sehen will, und dann mit ansehen muss, wie es den Weg Venezuelas geht. Da ist klares Denken schwer. Ich habe ständig das Gefühl, amerikanische Zeitungen mit der auf elf gedrehten Amygdala zu lesen – das macht es schwer, nüchtern zu bleiben.
Offensichtlich sind Donald Trump und Hugo Chávez an der Oberfläche völlig unähnlich. Der eine ganz links, der andere ganz rechts. Ihre Wählerschaften sind unterschiedlich. Aber es gibt Dinge, die sie klar verbinden. Sie spielen permanent die Polarisierungskarte. Ihr Grundmuster, an der Macht zu bleiben, ist, die andere Seite zu dämonisieren, um jeden Machtzugriff zu rechtfertigen.
Wenn man die Bedrohungswahrnehmung dessen erhöht, was die andere Seite tun würde, falls sie je an die Macht käme, erweitert man jedes Mal die Rechtfertigung, außerhalb etablierter Normen zu handeln. In Venezuela war die Zündschnur sehr lang. In den USA scheint sie eher kurz. Donald Trump hat sehr aggressiv die Demokraten als Feinde des Landes bezeichnet – und kein vernünftiger Mensch würde erwägen, die Feinde des Landes das Land regieren zu lassen. Das wäre falsch. Allein die Rhetorik schafft eine Erlaubnisstruktur, außerhalb der institutionellen und verfassungsmäßigen Normen zu handeln. Ja, ich bin zutiefst besorgt um die USA. Ich habe diesen Film schon gesehen – nur lief er das letzte Mal auf Spanisch.
Mounk: Garry, hast du diesen Film schon auf Russisch gesehen – oder ist der Vergleich zu einfach?
Kasparov: Diesen Film habe ich gesehen. Es ist nicht exakt dasselbe Szenario, denn natürlich war und ist die Demokratie Russlands oder Venezuelas – wie vieler anderer Länder – der amerikanischen nicht gewachsen. Es gibt sehr tiefe historische Traditionen – fast 250 Jahre Staatlichkeit und weitere hundertplus Jahre britisch geprägter Traditionen der Selbstverwaltung.
Aber Donald Trump hat mehr als einmal gezeigt – eigentlich schon in seiner ersten Amtszeit –, dass diese Checks and Balances nicht unerschütterlich sind. Ja, sie stehen in der Verfassung, aber die Verfassung ist nur ein Stück Papier. Sie ist nur so stark wie die Menschen, die bereit sind, für sie zu kämpfen, vielleicht sogar für sie zu sterben. Viele Amerikaner glauben, Demokratie sei etwas Selbstverständliches, als wäre sie Gottes Geschenk an Amerika. Ist sie nicht.
Amerika gleitet auf einen autoritären Kurs. Donald Trump macht kein Geheimnis daraus, dass er von einem Ein-Parteien-System träumt. Stephen Miller spricht offen darüber. Das ist keine Spekulation – wir beziehen uns einfach auf das, was gesagt wird. Ich sage immer: Ich erzähle euch nicht von Putins Plänen; ich erfinde sie nicht. Ich übersetze nur aus dem Russischen ins Englische. Dasselbe gilt hier. Wir folgen nur dem, was sie selbst sagen.
Es geht nicht nur um Donald Trump und ein paar seiner Kumpane oder Handlanger aus dem inneren Kreis. Es betrifft die Republikanische Partei insgesamt und viele von Trumps Nominierten. Sehr aufschlussreich ist aus meiner Sicht, wie sich Leute wie Pam Bondi, Kash Patel oder Kristi Noem auf dem Senatsparkett verhalten – sie beleidigen amtierende Senatoren, also Menschen, die sie nominiert haben und die rein rechtlich ihre Zukunft in der Hand haben. Sie beleidigen sie und zeigen, dass es ihnen egal ist. Das alles ist eine Show für einen einzigen Zuschauer – sie haben ein Publikum von einer Person. Das ist wirklich schlimm.
Sie kommen an den Punkt, an dem sie womöglich keine Wahl mehr haben, als Trump bis zum bitteren Ende zu folgen, alle Brücken abzubrennen, alle roten Linien zu überschreiten. Dieser Moment könnte viel früher kommen, als viele denken – nicht 2028, sondern 2026 –, wenn für Kristi Noem, Pam Bondi, Kash Patel und viele andere unter ihnen der Gesetzesbruch im Gefolge Trumps weniger riskant erscheint als eine Wahlniederlage.
Artikel I der Verfassung sagt, dass der Kongress die Macht innehat, und den Kongress zu kontrollieren ist der Schlüssel. Stellt euch einen Moment vor, vier Republikaner würden heute die Seiten wechseln – das wäre das Ende, kein Trump mehr. Es wäre vorbei. In dem Moment, in dem man Mike Johnson absetzt und jemand anderen nach oben setzt, braucht man nur vier Stimmen. Das war’s. Trump kann es sich nicht leisten, das Repräsentantenhaus zu verlieren. Der Senat ist wichtig, aber das Haus ist der Schlüssel.
So wird alles zusammenbrechen. Es wäre buchstäblich der Einsturz eines Kartenhauses. Deshalb mache ich mir große Sorgen, was 2026 passieren wird, in den nächsten zwölf Monaten vor den Zwischenwahlen, denn ich fürchte, dass Justizministerium (DOJ), FBI und ICE sehr aktive Akteure in diesem Spiel sein werden.
Mounk: Russ, du verbringst jede Woche einen Teil deiner Zeit damit, in New Hampshire Gesetze voranzubringen. Du hast es mit einer Republikanischen Partei zu tun, die in den letzten zehn Jahren stark radikalisiert hat. Aber ich weiß, dass du trotzdem bewusst versuchst, mit republikanischen Abgeordneten zu sprechen, freundschaftlich zu sein und die Ausschussarbeit zu pflegen, die nötig ist, um Dinge zu verabschieden.
Ist die Republikanische Partei irreparabel? Ist sie vollständig von Trump durchdrungen, bis hinunter auf die Ebene eines relativ ruhigen Bundesstaats wie New Hampshire? Wie siehst du diesen Moment? Stimmst du der Alarmiertheit zu, die Quico und Garry so eindringlich formuliert haben?
Muirhead: Ich teile die Sorge, aber ich fühle mich auch verpflichtet, mit allem, was in mir ist, die Opposition als legitim zu betrachten. Das erfordert viel Selbstdisziplin und viel Übung. Je intensiver die Meinungsverschiedenheit, desto schwerer wird es. Wenn ich einem Gesetz gegenüberstehe, das die Wahlverwaltung betrifft und aus meiner Sicht dazu führt, dass ein wichtiger Bevölkerungsteil entrechtet wird – Ältere, Jüngere, Studierende, Menschen mit wenig Einkommen –, fällt es schwer, nicht wirklich wütend zu werden.
Es ist schwer, nicht Vorstellungen von den Gegnern zu entwickeln, die ihnen jede Respektabilität absprechen und sie als von dem Wunsch getrieben sehen, die Demokratie zu manipulieren – sie gewissermaßen als illegitim anzusehen. Und es ist für die Gegenseite ebenso leicht, uns so zu sehen. Auf beiden Seiten lassen sich solche Geschichten erzählen. Das klingt trivial oder oberflächlich, aber in der Politik ist guter Ton enorm wichtig.
Wenn ranghohe Präsidialbeauftragte und Kabinettsmitglieder auf dem Capitol Hill die Führer der Legislative mit tiefster, offener Verachtung belegen – „Missachtung“ ist zu schwach –, zeigt das, wie tief wir gesunken sind. Es ist so wichtig, erstens den Anstand zu wahren, die andere Seite buchstäblich in respektvollen Begriffen zu adressieren.
Zweitens ist es wichtig – wie Yascha sagte –, Zeit miteinander zu verbringen, mit Leuten zu reden und zu scherzen, selbst mitten in harter Auseinandersetzung. Das heißt nicht, dass man seine Meinung ändert oder sie die ihre, aber es ermöglicht, das Bewusstsein zu bewahren, dass es in der Politik im Kern darum geht, Menschen zur Kooperation zu bewegen – zu beiderseitigem Vorteil, trotz ihrer asozialen und antisozialen Tendenzen, die meist dominieren. Dieses Gefühl, dass wir da gemeinsam durch müssen, muss man wachhalten.
Toro: Eines der ausdrücklichsten und für mich schockierendsten Parallelen zu dem, was ich in Venezuela Anfang der 2000er sah, ist dieser Mechanismus negativer Auslese: Der angehende Autokrat beginnt damit, Leute zu ernennen – manche vernünftig, manche nicht – und testet dann ihre Loyalität, indem er jeden entfernt, der nicht bereit ist, jeden noch so verrückten Befehl auszuführen.
Vor diesem Hintergrund hat mich die Anordnung zur Abschaffung des Geburtsortsprinzips (birthright citizenship) wirklich erschreckt, weil sie offenkundig, offenkundig verfassungswidrig ist. Das ist in Wahrheit kein „Executive Order“ – es ist ein Loyalitätstest. Wenn man sieht, wie diese Logik der Loyalitätsprüfung den Staatsapparat erfasst, ist es nicht schwer zu erkennen, wohin das führt. Es endet mit einer Regierung, die ausschließlich von Jasagern und Nullen bevölkert ist – einer Kakistokratie, einer Regierung der Schlechtesten.
Muirhead: Einen US-Staatsanwalt zu feuern und dann den persönlichen Anwalt an seine Stelle zu setzen – in eklatanter Verletzung des Verfahrens, nach dem diese Personen ernannt und vom Senat bestätigt werden –, der dann die politischen Gegner verfolgt.
Der Weiße Haus-Shop verkauft „Trump ’28“-Kappen. Man könnte sagen, sie trollen, sie scherzen, man solle das nicht ernst nehmen, nicht wörtlich nehmen.
Die US-Verfassung hat damit gerechnet, dass Menschen mit außerordentlichem, ruhmsüchtigem Ehrgeiz zu den höchsten Ämtern streben, die sie geschaffen hat – wie das Präsidentenamt. Sie wollte diesen Ehrgeiz – außerordentlich, ungewöhnlich und gefährlich – auf das Gemeinwohl lenken, indem sie die Leute nötigt, Koalitionen zu schmieden, die breite Politikpakete mit breiten Zielen tragen, die breite Unterstützung finden können.
Jefferson amtierte acht Jahre, aber er herrschte vierundzwanzig, weil die Jeffersonianer ihm die nächsten sechzehn Jahre folgten. Um es von Trump zu entpersonalisieren: Es geht nicht um „Trump ’28“ – es ginge darum, dass er ein Programm, eine Plattform, einen Zweck und eine Partei hat, die ihm folgt. Das wäre immer noch alarmierend, wenn man nicht zustimmt, aber für die Demokratie viel sicherer.
Kasparov: Übrigens: Was wäre denn falsch an „Trump ’28“? Soweit ich weiß, hat er zwei Söhne, und sie reden von einer Dynastie. Er muss niemanden nominieren außer einen der Seinen. Nur so ein Gedanke. Wieder nur Stichelei, aber in jeder Stichelei steckt ein Körnchen Wahrheit. Für Trump beginnt alles mit dem Austesten. Wichtig ist: Trump wird die Macht nicht freiwillig abgeben.
Mounk: Da stimme ich dir zu, Garry. Ich habe immer gedacht, dass Donald Trump Jr. 2028 die viel wahrscheinlichere Option ist.
Kasparov: Am 6. Januar 2021 versuchte er, die Wahl zu stehlen, und hatte den Staatsapparat nicht hinter sich. Er musste sich auf einen Haufen Rowdys verlassen, die Proud Boys. Jetzt hätten wir dieselben Typen in ICE-Uniform, und sie kontrollieren DOJ und FBI. Nur so ein Gedanke.
Noch ein paar Gedanken. Einer zu María Corina Machado. Yascha, sie war keine Aktivistin und ist es nicht. Sie ist eine der Führungsfiguren der Opposition, die die Wahlen gewonnen hat. Das ist sehr wichtig. Sie haben eine großartige Kampagne gemacht und mit siebzig zu dreißig gewonnen. Sie haben Belege vorgelegt, und Maduro konnte sie nicht widerlegen. Er hat es versucht, aber selbst seinen Verbündeten in Amerika konnte er keinen Nachweis liefern, dass er die Wahl gewonnen hat. Maduro ist illegitim.
Für mich war es schmerzhaft, dass sie sagen musste: „Ich widme meinen Friedensnobelpreis Donald Trump.“ Das illustriert, wie die Menschen Amerika wahrnehmen. Sie sehen Amerika als Bananenrepublik. Sie brauchen Amerika, sie brauchen Amerikas Hilfe, und die einzige Möglichkeit, US-Unterstützung zu bekommen, ist nicht, vor dem Kongress auszusagen oder an das amerikanische Volk zu appellieren, sondern die unhöfliche Variante, dem Paten im Oval Office die Aufwartung zu machen. Das ist beschämend. Die Leute nehmen es hin. Natürlich hat sie das gesagt, und Trump ist stolz darauf. Ich halte es für die größte Beleidigung der amerikanischen Demokratie, dass jemand, der den Preis für enormen Mut und Leistungen erhält, dieses niedrigschwellige Spiel spielen muss, um amerikanische Unterstützung zu behalten.
Noch ein Punkt zu Demokratie und ihrer Dichotomie. Ein Zweiparteiensystem bedeutet: Wenn eine Partei sehr niedrige Zustimmungswerte hat – und die Demokraten sind definitiv nahe am Boden –, kann die andere ziemlich schlecht sein, aber am Ende geht es darum, welche weniger schlecht ist.
Mounk: Ja, die Unbeliebtheit beider Parteien erlaubt es der jeweils anderen, so radikal und so unpopulär zu sein.
Kasparov: Genau. Ich schlage vor, man könnte ein Experiment versuchen. Ich war immer sehr beeindruckt – und habe es mir mehrfach angesehen – von der ersten im Fernsehen übertragenen Präsidentschaftsdebatte der US-Geschichte: Nixon gegen Kennedy 1960. Eine großartige Debatte, denn wenn man über Anstand und Respekt spricht, geht es nicht nur darum, dass sie höflich waren. Sie waren sehr unterschiedlich, große Gegner. Es ist nicht so, dass sie befreundet gewesen wären.
Es war der Vizepräsident gegen den Senator, und es ist sehr wichtig, wie sie debattierten. Sie stritten nicht über das System oder große Pläne, sondern über Mechanismen, über die Instrumente, große amerikanische Ideen zu verwirklichen. Es gab so viel gemeinsamen Boden, selbst zwischen diesen zwei gegensätzlichen Personen. Das sollte man der jungen Generation zeigen und sie nach ihrer Meinung fragen, denn diese Art Debatte fehlt uns heute.
Mounk: Quico, möchtest du noch kurz zu Venezuela etwas sagen?
Toro: Ein wenig. Ich finde es sehr traurig, dass María Corina Machado in die Lage gebracht wird, dass ihre Wahl nur dann etwas zählt, wenn Gewalt zum Einsatz kommt. Da sie keine eigene Armee hat, gewinnt sie den Friedensnobelpreis und muss mit dem Auge zwinkern in Richtung einer US-Militärintervention.
Das wirft eine Frage auf: Wenn sich die USA in fünf oder zehn Jahren in einer Lage wie Venezuela heute wiederfinden, in der man die Regierung nicht mehr durch normale Entscheidungen loswerden kann – dann wird es für die Amerikaner keine äußere Macht geben, an die sie sich wenden könnten.
Mounk: Es war eine verrückte Woche, und das war ein wirklich schöner Weg, sie zu sortieren. Zum Schluss: Habt ihr in letzter Zeit etwas gemacht, gelesen oder gesehen – in der letzten Woche, dem letzten Monat, dem letzten Jahr –, das euch etwas Freude oder Trost gegeben hat? Irgendwelche Empfehlungen, um unsere aufgewühlten Hörer abzulenken?
Toro: Ja. Ich habe neulich im Flugzeug eine Dokumentation gesehen, die ich für perfekt halte. Sie heißt Going Varsity in Mariachi. Es geht um Highschool-Schüler im Rio-Grande-Tal – mexikanisch-amerikanische Kids, die sehr hart arbeiten, um in der mexikanischsten Sache der Welt auf die amerikanischste Art möglich gut zu werden.
Es ist in keiner Weise ein politischer Film. Er zeigt mexikanisch-amerikanische Jugendliche, die streben, hart an sich arbeiten, eine kohäsive Gruppe werden und gemeinsam etwas Großartiges schaffen. Auch wenn Politik darin keine Rolle spielt, sollte jeder Demokrat diesen Film sehen, weil er eine Botschaft über Streben, Selbstverbesserung und Freundschaft zwischen Anglos und Latinos an der Grenze vermittelt. Es ist das Wohltuendste überhaupt, und ich habe ihn geliebt.
Mounk: Garry, wie ist es bei dir?
Kasparov: Meine Tochter ist im ersten Jahr an der Columbia, und einer der Kurse, die sie belegt – weil sie zweisprachig ist –, beschäftigt sich mit sowjetischen Filmen. Es hat eine russische Komponente, aber der Schwerpunkt liegt auf Komödien. Wir haben darüber gesprochen, und der Film, den ich empfehlen würde – oder zum erneuten Anschauen –, ist The Death of Stalin. Eine großartige Komödie und eine Art zu verstehen, wie das alles funktionierte. Man lacht, aber tief drinnen denkt man: Mein Gott, wie kann so etwas passieren? Ich will nicht, dass das hier passiert.
Übrigens ist er ziemlich akkurat. Interessant ist, dass die Figuren – obwohl es eine Komödie ist – echten Personen sehr nahe kommen: Shukow, Stalins Sohn, Berija. Erstaunlich, aber in leichter Form präsentiert. Für Amerikaner ist es eine Warnung.
Muirhead: Ein Satz, den viele meiner Studierenden ernst nehmen – du hast ihn sicher gehört – ist „touch grass“. Bedeutet: Mit der Welt interagieren, ohne dass ein Bildschirm vermittelt.
Ich war gestern wandern. Ich lebe zwischen Bergen und Feldern. Es war eine kurze Tour, großartiger Gipfel, der Wind tobte – mit rund 40 Meilen pro Stunde um uns herum –, mit einer netten Gruppe von Freunden. Für eine kleine Weile schien die Politik weit weg.
Falls Sie meinen Podcast „The Good Fight” (auf Englisch) noch nicht abonniert haben, tun Sie das jetzt!
Dieses Transkript wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.