Warum Trump Europa hasst
Die Europhobie der Regierung lässt sich auf eine enttäuschte Liebe zurückführen.
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Donald Trumps zweite Amtszeit ist bislang deutlich radikaler als seine erste. Doch selbst im breiten Spektrum extremer Maßnahmen – von Hochschulpolitik bis Migration – fällt besonders die offenkundige Feindseligkeit gegenüber Europa auf. Diese scheinbare Abneigung sorgte in den vergangenen Tagen erneut für Schlagzeilen, als Trump damit drohte, ab dem 1. August Zölle von 30 % auf EU-Waren zu erheben.
Schon in seiner ersten Amtszeit war Trump kaum ein Freund Europas. Seine Abneigung gegenüber gemäßigten Führungspersönlichkeiten wie Angela Merkel war spürbar, seine Andeutungen, Amerika könne die NATO verlassen, waren ein ständiges Gesprächsthema. Doch in seiner zweiten Amtszeit hat sich die Feindseligkeit gegenüber dem Kontinent noch einmal verschärft. Trump hat mehrfach gedroht, das autonome dänische Territorium Grönland zu annektieren. Im Februar wies er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem berüchtigten Treffen im Oval Office scharf zurecht. Und selbst vor der jüngsten Zollandrohung hatte Trump in Handelsfragen gegenüber Europa einen besonders harten Kurs eingeschlagen.
Trumps Vizepräsident ist sogar noch feindseliger aufgetreten. J.D. Vance hatte zwar nicht ganz Unrecht, als er im Februar davor warnte, wie leichtfertig europäische Staaten inzwischen Bürger wegen Äußerungen in sozialen Medien ins Gefängnis schicken. Doch der Ton, mit dem er sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz an sein Publikum wandte, sein demonstratives Schweigen zu drängenden Themen wie der Bedrohung durch Russland und seine offene Unterstützung rechtsextremer Parteien wie der AfD schockierten seine Gastgeber verständlicherweise. Besonders bemerkenswert waren wohl die privaten Nachrichten, die Vance einen Monat später in einem durchgesickerten Gruppenchat hochrangiger Regierungsmitarbeiter verschickte. Was europäische Diplomaten wirklich erschütterte, war nicht etwa, dass er es nicht als Argument sah, Luftschläge gegen die Huthis durchzuführen, weil sie Amerikas langjährigen Verbündeten nützen könnten; sondern dass er sich aktiv dagegen sträubte – eben weil sie letztlich Europa zugutekämen.
In den letzten Wochen gab es einige vorsichtig optimistische Signale. Eine Charmeoffensive und unverhohlene Schmeicheleien europäischer Staats- und Regierungschefs beim jüngsten NATO-Gipfel in Den Haag scheinen zu einem etwas besseren Arbeitsverhältnis mit ihrem amerikanischen Gegenüber geführt zu haben. Und da Trump allmählich einzusehen scheint, dass Wladimir Putin nie ernsthaft an einem Friedensabkommen interessiert war, zeigte sich der Präsident in den vergangenen Tagen sogar ungewöhnlich unterstützend gegenüber der Ukraine.
Doch trotz dieser zarten Hoffnungsschimmer war Trumps Ungeduld mit Europa in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit derart konstant, dass mich auf einer kürzlichen Reise durch den Kontinent so gut wie jeder darauf ansprach. Vom ehemaligen Staatsoberhaupt bei hochrangigen Treffen bis zum Nachbarn im kleinen italienischen Dorf – alle wollten wissen, was wohl hinter Trumps unerbittlicher Feindseligkeit gegenüber Europa stecken könnte.
Die derzeit gängigste Erklärung auf dem Kontinent lautet, dass Trump an einer Art Europhobie leidet. Demnach hegt der Präsident einfach eine irrationale Abneigung gegen Europa. So simpel und einleuchtend diese Erklärung auch erscheinen mag – die Wahrheit ist komplizierter. Um wirklich zu verstehen, was hinter Trumps Groll gegen Europa steckt – und das ist entscheidend, wenn man sein Verhalten in den verbleibenden drei Jahren und sechs Monaten seiner Präsidentschaft voraussagen will – muss man subtilere Faktoren in den Blick nehmen.
Es gibt Bereiche, in denen sich alle jüngeren US-Präsidenten – ob Demokraten oder Republikaner – zunehmend von Europa genervt zeigten. Die Lasten, die Amerikas Beziehung zum Kontinent mit sich bringt, wachsen stetig, während Wirtschaft und Bevölkerung der Vereinigten Staaten schneller zulegen als die der Europäischen Union – ein Umstand, der Trump mit seiner Nullsummenlogik besonders ins Auge sticht. Hinzu kommt ein persönlicher Groll darüber, von den europäischen Eliten herabgewürdigt zu werden – ganz ähnlich wie er die alten New Yorker Geldaristokraten verachtet, die im Vorstand des Metropolitan Museum of Art sitzen. Und schließlich verbindet ihn eine besondere Beziehung zu jenem Kontinent, aus dem seine Vorfahren stammen – eine Verbindung, die ihn paradoxerweise umso wütender auf das macht, was er als den Verrat der europäischen Eliten an ihrem eigenen Erbe empfindet.
Seit Langem stellt Amerika den Löwenanteil an Ausgaben und Personal für die Verteidigung des europäischen Kontinents. Eine ganze Reihe von US-Präsidenten – von Bill Clinton und George W. Bush bis Barack Obama und Joe Biden – hat europäische Regierungschefs dazu gedrängt, mehr in ihre eigenen Streitkräfte zu investieren. Doch über weite Strecken der vergangenen 25 Jahre waren die Fortschritte erstaunlich langsam.
Beim NATO-Gipfel 2006 im lettischen Riga verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten, zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. In den folgenden 15 Jahren wurde dieses Versprechen – trotz wiederholter amerikanischer Mahnungen – eher ignoriert als erfüllt. Erst seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 beginnen europäische Regierungen, militärische Ausgaben gegenüber konkurrierenden Haushaltsprioritäten in den Vordergrund zu stellen.
Der schleppende Fortschritt in Sachen Verteidigungsausgaben war lange einer von Trumps Hauptstreitpunkten mit Europa. Und es liegt zum Teil daran, dass er glaubhaft drohen konnte, Amerika könne aufhören, als Sicherheitsgarant des Kontinents zu fungieren, dass sich europäische Staats- und Regierungschefs beim jüngsten NATO-Gipfel in Den Haag zu einem historischen Maßnahmenpaket durchgerungen haben. Zumindest auf dem Papier verpflichten sich die europäischen Staaten nun dazu, ihre kombinierten Ausgaben für direkte militärische Bedürfnisse und ein breiteres Spektrum verteidigungsrelevanter Bereiche wie technologische Innovationen auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen.
Trumps Ungeduld mit Europa spiegelt aber auch tiefere Verschiebungen wider: Ökonomische und demografische Entwicklungen machen das transatlantische Verhältnis zunehmend unausgewogen. Noch vor wenigen Jahrzehnten hatte die Europäische Union deutlich mehr Einwohner als die Vereinigten Staaten und eine etwa gleich große Wirtschaft. In den 1980er-Jahren war das BIP Westeuropas identisch mit dem der USA. Und bis vor Kurzem war die Bevölkerung der EU deutlich größer als die der Vereinigten Staaten. Doch diese grundlegenden Fakten der transatlantischen Partnerschaft verändern sich rasant. Laut IWF liegt das BIP pro Kopf in den USA mittlerweile 50 Prozent über dem Europas; setzt sich der aktuelle Trend fort, könnte die westeuropäische Wirtschaft bis 2050 weniger als halb so groß sein wie die der Vereinigten Staaten. Auch die demografische Lücke schrumpft stetig. Im Jahr 2000 machte die Bevölkerung der USA zwei Drittel der europäischen aus. Heute sind es bereits drei Viertel. Und da die Geburtenraten auf dem Kontinent weiterhin deutlich niedriger sind, dürfte Amerikas Bevölkerung Europa mit jedem Jahr weiter einholen.
Diese Entwicklungen drängen Amerika in die Rolle eines „grollenden Hegemons“. Allein aufgrund seiner wirtschaftlichen und demografischen Überlegenheit werden die Vereinigten Staaten zu einem immer dominanteren Partner in der transatlantischen Beziehung – und tragen damit auch mit Abstand den größten Teil zur kollektiven Sicherheit bei. Die Europäer wiederum reagieren zunehmend verärgert darauf, auf den Status eines Juniorpartners herabgestuft zu werden – etwas, das selbst Führungspersönlichkeiten wie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron wurmte, als noch deutlich transatlantischer gesinnte Präsidenten wie Joe Biden im Weißen Haus saßen.
Neu ist all das nicht. Amerikanische Präsidenten waren schon lange vor Trumps Wahl von Europas laschem Engagement in Verteidigungsfragen genervt. Und auch die strukturellen Veränderungen, die die USA in die Rolle eines grollenden Hegemons und Europa in die eines missmutigen Klienten drängen, werden weit über Trumps Amtszeit hinaus Bestand haben. Dennoch gibt es gute Gründe dafür, dass Trump auf genau diese Faktoren besonders empfindlich reagiert – Gründe, die tief in seiner Psyche und seinem Weltbild verwurzelt sind.
Amerikas Rolle in der Welt bringt dem Land sowohl besondere Pflichten als auch besondere Privilegien. Es übernimmt einen unverhältnismäßig großen Teil der Last bei der Bereitstellung sogenannter „öffentlicher Güter“ – also Maßnahmen, von denen auch andere Länder profitieren, etwa den Einsatz militärischer Mittel, um internationale Schifffahrtsrouten offen zu halten. (Daher die Luftschläge gegen die Huthis.) Gleichzeitig kann Amerika die Spielregeln der internationalen Ordnung nach seinen strategischen Interessen gestalten und profitiert erheblich davon, dass der Dollar die globale Leitwährung ist. Die Lasten sind real – aber die meisten amerikanischen Präsidenten gingen bisher davon aus, dass die Vorteile langfristig überwiegen.
Trump sieht das anders. Um zu verstehen, wie Amerikas globale Führungsrolle dem Land nützt, muss man offen sein für sogenannte Win-win-Situationen – für Kooperationsmodelle, bei denen alle Seiten profitieren. Doch Trump hat – von seinem Privatleben bis zu seinen Geschäftsbeziehungen – die Welt immer durch eine Nullsummenbrille gesehen: Für ihn steht fest, dass man nur gewinnen kann, wenn ein anderer verliert.
Diese Denkweise macht ihn zutiefst misstrauisch gegenüber Amerikas herausgehobener Rolle im internationalen System. Viele seiner Brüche mit dem traditionellen demokratischen und republikanischen Establishment sind in der Überzeugung verwurzelt, dass beide Seiten zugelassen haben, dass Amerikas traditionelle Verbündete das Land ausnutzen. Und weil die Allianz mit den europäischen Staaten traditionell besonders eng ist, prägt gerade diese Partnerschaft seine Sorge, Amerika könne übers Ohr gehauen werden. Viele europäische Politiker zeigen sich im privaten Gespräch bis heute fassungslos, dass Trump sie mit solcher Feindseligkeit behandelt – obwohl sie doch zu Amerikas engsten Partnern zählen. Dabei übersehen sie, dass Trump – in seiner eigenen Vorstellung – gerade deshalb so hart zu Europa ist, weil die transatlantische Beziehung historisch so eng war.
Es gibt auch noch eine andere, weitaus paradoxer wirkende Erklärung dafür, warum Trump geradezu besessen von Europa ist.
Eine Konstante bei Trump ist: Er hasst jene, die ihn hassen – und liebt jene, die ihn lieben. Daraus ergibt sich ein naheliegender Grund für Trumps Abneigung gegen Europa: Die meisten Europäer können ihn schlichtweg nicht ausstehen.
Das zeigen internationale Umfragen deutlich. In Ländern wie Indien, Kenia oder Nigeria ist Trump mitunter erstaunlich beliebt – dort äußert eine Mehrheit der Befragten Vertrauen in ihn. In großen europäischen Ländern wie Spanien oder Deutschland hingegen liegt sein Zustimmungswert in einem konstanten Tief – meist finden weniger als ein Fünftel der Menschen dort positive Worte für ihn.
Ein Großteil von Trumps Wut auf das amerikanische Establishment speiste sich von Anfang an aus der Tatsache, dass ihn trotz all seines Reichtums die wahre Elite New Yorks verachtete. Ganz ähnlich verhält es sich mit seiner Wut auf europäische Staats- und Regierungschefs: Trotz all seiner Macht wurde er von der eigentlichen Elite der Europäischen Union nie ernst genommen. Das äußerte sich mal in subtilen Spitzen führender europäischer Politiker – wie etwa, als Donald Tusk, damals Präsident des Europäischen Rates, spöttisch fragte: „Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?“ –, mal grenzte es an offenen Hohn, etwa als Macron, Boris Johnson und andere Politiker beim NATO-Gipfel 2019 in London unbeabsichtigt beim Lästern über Trump auf einem offenen Mikrofon landeten.
Damit kommen wir zu einer letzten Erklärung für Trumps Feindseligkeit gegenüber Europa. Auf Deutsch sagt man: „Was sich liebt, das neckt sich.“ Auf Französisch heißt es: „La proximité engendre le mépris.“ Und im Englischen kennt man den Satz: „You always hurt the ones you love.“ Alle drei Redewendungen kommen der wahren Ursache für die Haltung der Trump-Regierung gegenüber Europa erstaunlich nahe: Trump und Vance sind Europa nicht gleichgültig – vielmehr empfinden sie, dass ihre Zuneigung zum Kontinent verraten wurde.
Sowohl Trumps als auch Vances Vorfahren stammen aus Europa. Beide glauben, dass die europäische Zivilisation die unverzichtbare geschichtliche Grundlage für das amerikanische Projekt geliefert hat. Und beide fürchten, dass genau diese Zivilisation heute in Gefahr ist – und dass Europas politische Eliten an ihrer Zerstörung mitschuldig sind. Wie Trump bei einer seiner ersten großen Reden auf europäischem Boden im Sommer 2017 in Warschau sagte: „Die fundamentale Frage unserer Zeit lautet, ob der Westen den Willen hat, zu überleben. Haben wir genügend Vertrauen in unsere Werte, um sie um jeden Preis zu verteidigen? Haben wir genug Respekt vor unseren Bürgern, um unsere Grenzen zu schützen? Haben wir den Wunsch und den Mut, unsere Zivilisation gegen jene zu bewahren, die sie unterwandern und zerstören wollen?“
Aus Sicht des Weißen Hauses ist die europäische Kultur bedroht – durch Globalisierung, durch Massenmigration, durch den sozialen Liberalismus ihrer politischen Eliten. Die Führungsfiguren des Kontinents, so glauben Trump und Vance, versagen dabei, ihr kulturelles Erbe zu verteidigen. Sie seien mehr an ihrem eigenen Fortkommen interessiert als daran, das bedrohte kulturelle Fundament ihres Kontinents zu bewahren. Und wenn sie ihre Länder in dieser Weise verraten, dann schaden sie nicht einem Ort, der für die USA ohnehin von kleiner Bedeutung wäre – sondern einer Zivilisation, die Trump und Vance als Wurzel ihrer eigenen Identität begreifen.
Weit verbreitet ist die Vorstellung, Trumps besondere Feindseligkeit gegenüber Europa komme von Gleichgültigkeit oder gar echtem Hass. Paradoxerweise liegt die Wahrheit fast im Gegenteil: Trumps Verachtung für Europa entspringt jenem obsessiven Groll, zu dem nur enttäuschte Liebhaber fähig sind.
Dieser Text wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.