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Als ich vor zwei Jahren als Gastprofessor in Oxford war, wurde mir eine Geschichte über den Effektiven Altruismus erzählt, die mir immer wieder in den Sinn kommt, wenn jemand Sam Bankman-Fried (einen der frühen Befürworter dieser Philosophie) oder die Kolonisierung des Mars (eine der Hauptobsessionen ihrer Anhänger) erwähnt.
Laut dieser Geschichte lieh eine Mitstudentin einem der lautstärksten Verfechter des Effektiven Altruismus ihren Toaster, während sie beide in Oxford studierten. Sie erinnerte ihn nach einer Woche, einem Monat und nochmal nach drei Monaten daran, ihn zurückzugeben – vergebens. Schließlich, als sie zu einem geselligen Treffen in seine Wohnung eingeladen wurde, entdeckte sie den Toaster auf der Küchentheke, bedeckt mit Schimmel.
"Warum zur Hölle hast du mir den Toaster nicht zurückgegeben?", fragte sie frustriert.
"Ich habe es durchgerechnet", erwiderte er. "Wenn ich Gutes in der Welt bewirken möchte, ist meine Zeit besser in meine Doktorarbeit investiert."
„Hättest du das verdammte Ding nicht wenigstens reinigen können?“
„Aus moralischer Sicht bin ich mir ziemlich sicher, dass die Antwort nein ist.“
Ob die Geschichte wahr ist, weiß ich nicht. Da sie etwas zu perfekt scheint, vermute ich, dass sie wahrscheinlich übertrieben und möglicherweise frei erfunden ist. Ich teile sie dennoch, da die Haltung, die sie verkörpert, den Kern dessen widerspiegelt, wie der Effektive Altruismus in die falsche Richtung geraten ist – und weshalb die ursprüngliche Intuition, die ihn einst inspiriert hat, trotzdem eine Wiederbelebung verdient.
Lassen Sie mich das erklären.
Die überzeugende Intuition hinter dem Effektiven Altruismus
Effektiver Altruismus ist im Kern eine einfache Idee. Viele Menschen sind motiviert, Gutes in der Welt zu tun: Sie engagieren sich ehrenamtlich, spenden und beteiligen sich an verschiedenen Aktivitäten, die wirklich altruistisch gemeint sind.
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass viele dieser Aktivitäten wenig bewirken oder schlicht sinnlos sind. Menschen engagieren sich in Organisationen, die die Ziele, für die sie sich angeblich einsetzen, nicht wirklich fördern. Sie spenden an das örtliche Katzenheim, obwohl es in ihrem wohlhabenden Viertel bereits genügend Orte gibt, die sich um streunende Haustiere kümmern. Sie spenden ihrer Alma Mater ein neues, luxuriöses Fitnessstudio, obwohl der Campus bereits über modernste Einrichtungen verfügt.
All dies ist umso ärgerlicher, weil der gleiche Betrag, sinnvoller eingesetzt, einen viel größeren Unterschied machen könnte. In den USA, Deutschland, Chile oder Südkorea könnte selbst ein Bürger mit einem durchschnittlichen Job, wenn er regelmäßig einen bescheidenen Teil seines Einkommens an eine NGO spendet, die Menschen in Malariagebieten mit Moskitonetzen oder in wurmbefallenen Regionen mit Medikamenten versorgen, Menschenleben retten. Laut einigen Berechnungen benötigen die effektivsten NGOs dafür nur etwa 3500 Dollar pro gerettetem Menschenleben.1
Die Quintessenz, so argumentieren Effektive Altruisten, ist einfach: Wenn jeder von uns mit geringem Aufwand oder bescheidener Großzügigkeit ein Menschenleben retten kann, ist es unlauter, dies nicht zu tun. Und wenn wir beschließen, altruistische Aktivitäten zu verfolgen, sollten wir das auf effektive Weise machen. Warum sollte man viel Geld für eine Herzensangelegenheit ausgeben, wenn dieselbe Summe einen viel größeren Unterschied zur Verbesserung des menschlichen Wohlergehens machen könnte?
Diese Prämisse kann kaum als umfassende Anleitung dienen, wie man die Welt zu einem besseren Ort macht. Es gibt alle möglichen intelligenten Einwände, die man dagegen vorbringen könnte – und die tatsächlich auch vorgebracht wurden. Aber in ihrer ursprünglichen Einfachheit hat diese Prämisse sicherlich viel an sich. Warum also ist der Effektive Altruismus im Laufe der letzten Jahre so in Verruf geraten?
Wie der Effektive Altruismus in Verruf fiel
Der einflussreichste Evangelist des Effektiven Altruismus war niemand Geringeres als Sam Bankman-Fried, der Krypto-Unternehmer, der sich als großzügiger Philanthrop und politischer Spender einen Namen machte. Doch „SBF“, wie er bald genannt wurde, entpuppte sich als doppelter Betrüger: Er veruntreute einen großen Teil des Geldes, das die Nutzer seiner Kryptowährungsbörse FTX ihm anvertraut hatten – und gab trotz öffentlicher Bekundungen großer persönlicher Bescheidenheit enorme Summen für seinen luxuriösen Lebensstil aus.
Der Schaden, den SBFs Fall für das Image des Effektiven Altruismus anrichtete, war auch deshalb so groß, weil viele der intellektuellen Anführer der Bewegung enge Freunde von ihm waren. Zusätzlich waren die meisten ihrer Kerninstitutionen auf seine Spenden angewiesen. Der FTX Future Fund (in dessen Vorstand Will MacAskill, einer der Gründer der Effektiven-Altruismus-Bewegung, bis 2022 saß) hat allein 30 Millionen Dollar an eine britische NGO gespendet, die sich den Zwecken des Effektiven Altruismus widmet (und deren Vorstand MacAskill leitete).2
Seit SBF vor weniger als einem Jahr zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sind zwei gegensätzliche Interpretationen des moralischen Absturzes dieser Philosophie entstanden. Die Gegner des Effektiven Altruismus behaupten, dass die unmoralischen Handlungen seiner prominentesten Verfechter ein tieferes Scheitern im Kern der Philosophie offenbaren. Die Verteidiger des Effektiven Altruismus argumentieren, dass wir Gefahr laufen, das Kind mit dem Bade auszuschütten, indem wir eine aufschlussreiche moralische Perspektive aufgrund des unglücklichen Umstands verurteilen, dass sie von jemandem vertreten wurde, der sich als Betrüger entpuppt hat.
Die Wahrheit liegt meiner Meinung nach irgendwo dazwischen. Den Effektiven Altruismus abzulehnen, weil SBF ein Betrüger ist, ist zu einfach. Und doch hilft SBFs Fall, einige (wenn auch nicht alle) der grundlegenden Mängel des Effektiven Altruismus aufzuzeigen.
Warum der Effektive Altruismus scheiterte
Von Anfang an ließen die Anführer des Effektiven Altruismus ihren moralischen Eifer jede ernsthafte Auseinandersetzung mit den Komplexitäten der realen Welt verdrängen. Getrieben von der Überzeugung, den cleversten Weg gefunden zu haben, um überall und jederzeit Leiden zu lindern, vergaßen sie es, grundlegende Fragen darüber zu stellen, was Menschen motiviert, wie gut wir die Auswirkungen unserer eigenen Handlungen vorhersagen können, und ob wir Ereignisse in ferner Zukunft in irgendeiner sinnvollen Weise beeinflussen können.
Infolgedessen geriet der Effektive Altruismus in die klassische Falle, der alle utopischen Bewegungen zum Opfer fallen: So gut gemeint viele der Taten und Vorsätze ihrer Anführer auch gewesen sein mögen, funktionierten ihre Versuche, diese idealistischen Vorstellungen der krummen Natur der Menschheit aufzuzwingen, nur selten - und endeten manchmal gar in einer Katastrophe. Drei grundlegende spezifische Mängel erklären, warum der Effektive Altruismus letztlich scheiterte: das Problem der Psychologie, das Problem der Prognose und das Problem des Providentialismus.
Das Problem der Psychologie
Als SBF Student am MIT war, durchlebte er eine Sinnkrise. Als talentierter Physiker zog er ernsthaft eine akademische Karriere in Betracht. Dann kam er mit dem Konzept des Effektiven Altruismus in Berührung und begann darüber nachzudenken, wie er einen größeren Einfluss auf die Welt haben könnte. Schließlich war es eine der Schlüsselideen der frühen Bewegung des Effektiven Altruismus, die ihn auf seinen Lebensweg brachte: die Idee des „Earn to Give“ (verdienen, um zu geben).
Die Idee des „Earn to Give“ steht im Mittelpunkt einer einflussreichen Organisation, die von MacAskill gegründet wurde. Benannt nach der durchschnittlichen Anzahl von Stunden, die ein Berufstätiger während seiner Karriere arbeitet, bot „80.000 Stunden“ Studenten und jungen Berufstätigen Ratschläge, wie sie ihr Leben gestalten sollten. Man könnte erwarten, dass solche Karrieretipps idealistische Menschen dazu anstiften würden, als Lehrer oder Entwicklungshelfer zu arbeiten. Stattdessen lautete die Empfehlung dieser Organisation jedoch oft, in den Finanzbereich oder in andere lukrative Branchen einzusteigen.
Der durchschnittliche Lehrer oder Entwicklungshelfer, so die Gründer von 80.000 Stunden, kann nur einen bescheidenen Beitrag zum Wohl der Menschheit leisten. Ein reicher Mensch, der an die richtigen Zwecke spendet, kann hingegen einen transformativen Einfluss haben. Ihr Rat lautete daher, so viel Geld wie möglich zu verdienen, um später in maximalem Umfang spenden zu können.3
Das Problem ist, dass hinter dieser scheinbar klugen Empfehlung ein großes psychologisches Defizit steckt. „Earn to Give“ geht stillschweigend davon aus, dass ein 22-Jähriger, der sich aus rein altruistischen Gründen dem Geldverdienen widmet, auch in dreißig oder sechzig Jahren noch von demselben Wunsch, Gutes zu tun, geleitet wird. Doch das berücksichtigt nicht, wie stark die Weltsicht der meisten Menschen durch ihre Umgebung geprägt wird.
Es ist leicht zu erkennen, wie die Werte eines jungen Idealisten, der an die Wall Street geht, sich mit der Zeit abschwächen oder verwandeln - und schließlich vielleicht gar unerkennbar werden können. „Mir ist es eigentlich egal, ob ich einen teuren Anzug trage“, sagt sich unser Held am Anfang seiner Karriere, „aber wenn ich in der Firma aufsteigen will, muss ich entsprechend aussehen.“ „Mir ist es eigentlich egal, ob ich ein Haus in den Hamptons besitze“, denkt er, wenn er ein paar Stufen höher gestiegen ist, „aber wenn ich nicht zu den richtigen Dinnerpartys gehe, werde ich nie Finanzchef.“ „Mir ist der luxuriöse Lebensstil, den wir uns aufgebaut haben, eigentlich egal“, sagt er sich gegen Ende seiner Karriere, „aber meine Frau und Kinder haben sich schon daran gewöhnt.“
Bevor er sich versieht, ähnelt unser Held dem leitenden Bänker in dem Film Margin Call, der lose auf dem Zusammenbruch von Lehman Brothers basiert. „Haben Sie letztes Jahr wirklich zweieinhalb Millionen Dollar verdient? Was machen Sie mit all diesem Geld?“, fragt ihn ein jüngerer Kollege. „Keine Ahnung“, antwortet der Bänker. „Es ist schnell weg. Man lernt, das auszugeben, was man in der Tasche hat.“4
Diese Art von persönlicher Transformation muss nicht einmal Jahrzehnte dauern. Bei denen, die es schaffen, reich zu werden – und das sind die Menschen, die für die moralische Kalkulation hinter 80.000 Stunden am wichtigsten sind – können schon wenige Jahre außergewöhnlichen Reichtums ausreichen, um ihre Prioritäten zu verschieben. Denken Sie an SBF. So verlockend es auch sein mag, im Nachhinein an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln, scheinen alle biografischen Berichte über sein frühes Leben darauf hinzudeuten, dass der Wunsch, das nötige Geld anzuhäufen, um Gutes in der Welt zu tun, ein wesentlicher Grund dafür war, warum er seine akademischen Ambitionen aufgab, um zu Jane Street, einer Firma für Hochfrequenzhandel, zu wechseln.
SBF war 22 Jahre alt, als er zu Jane Street ging. Mit 27 gründete er seine Kryptobörse, begann ernsthaft reich zu werden, und gewöhnte sich an einen luxuriösen Lebensstil. Am Tag seiner Verhaftung wegen massiven Betrugs war er 31.5
Das Problem der Prognose
Anfangs konzentrierten sich MacAskill und andere Effektive Altruisten auf Wohltätigkeit in weit entfernten Gegenden. Sie glaubten, dass Bürger wohlhabender Länder in den ärmsten Regionen der Welt zahlreiche Menschenleben retten könnten. Angelehnt an ein berühmtes Gedankenexperiment von Peter Singer aus dem Jahr 1972 argumentierten sie, dass unsere moralische Verpflichtung, dies zu tun, durch die geografische Distanz nicht gemindert werde.6 Das war die „Moskitonetze“-Phase der Bewegung, in der praktische Anliegen wie die Bekämpfung von Malaria im Mittelpunkt standen.
In einer späteren Phase begannen MacAskill und andere Effektive Altruisten jedoch, den Fokus darauf zu richten, Gutes in weit entfernten Zeiten zu tun. Unter dem Einfluss des Philosophen Derek Parfit machen sie sich zwei provokative Ideen zu eigen. Die erste ist, dass die Verbesserung des Lebens eines Menschen, der in 10.000 Jahren lebt, genauso moralisch bedeutsam ist wie die eines Menschen, der heute lebt. Die zweite ist, dass es uns nicht nur um die Lebensqualität bereits existierender Menschen gehen sollte, sondern auch um die Neuschaffung von Menschen, die ein erfülltes Leben führen werden. Dies war der Impuls hinter der „Mars-Kolonisierung“-Phase des Effektiven Altruismus: In den Köpfen der Anführer der Bewegung begann die Bedeutung, Millionen Menschen heute vor Malaria zu retten, im Vergleich zur Bedeutung, die gesamte Menschheit in ferner Zukunft vor den Risiken eines nuklearen Winters oder einer KI-Apokalypse zu bewahren, zu verblassen.
Die meisten Kritiker dieses Wandels fokussieren sich auf ethische Einwände. Manche argumentieren, es gebe gute Gründe, das Leben unserer Zeitgenossen höher zu schätzen als jenes unserer fernen Nachfahren. Viele stellen in Frage, ob das Schaffen eines weiteren, noch nicht existierenden Menschen überhaupt einen moralischen Wert hat. Doch meiner Meinung nach verpasst dies das Hauptproblem, das der Effektive Altruismus mit seinem „Longtermismus“ hat.
Das Problem mit dem Longtermismus ist nicht, dass wir uns nicht darum kümmern sollten, ein nukleares Unglück zu verhindern, das die Menschheit in 10.000 Jahren auslöschen könnte. Es ist vielmehr, dass wir viel zu wenig darüber wissen, wie die soziale Welt funktioniert – insbesondere über so weite Zeiträume hinweg –, um überhaupt sinnvolle Maßnahmen ergreifen zu können, die der Menschheit langfristig helfen würden.
Menschen vor schweren, aber behandelbaren Krankheiten zu retten, ohne dabei Schaden anzurichten, ist schon schwierig genug. Die meisten wohlmeinenden Interventionen scheitern. Selbst wenn sie erfolgreich sind, können sie unbeabsichtigte Folgen haben. In einigen Gegenden Afrikas beispielsweise haben Bemühungen, die Verbreitung von AIDS zu verringern, so viele Ressourcen und die Aufmerksamkeit so vieler lokaler Ärzte auf den Kampf gegen diese eine tödliche Krankheit gelenkt, dass die Sterblichkeit durch andere Ursachen in die Höhe schnellte. Und dann besteht auch noch das Risiko, dass eine übermäßige Abhängigkeit von ausländischen Spenden die Korruption fördert, die Forderungen nach Rechenschaft von lokalen Eliten schwächt und somit die ausbeuterischen politischen und wirtschaftlichen Strukturen aufrechterhält, die die eigentliche Ursache der extremen Armut sind.
Wenn die Häufigkeit solch unbeabsichtigten Folgen es schon schwer macht, Menschen hier und jetzt zu retten, ist es umso schwerer zu wissen, welche Handlungen einen sinnvollen Beitrag zum Schicksal der Menschheit in ferner Zukunft leisten könnten. Um effektiv handeln zu können, müsste man sich über die unmittelbare Wirkung der eigenen Arbeit im Klaren sein; die Möglichkeit ausschließen, dass sie katastrophale Nebenwirkungen hat; und voraussehen, ob sie eine Art Gegenreaktion auslösen könnte, die alle bisherigen Errungenschaften zunichte macht. Mit anderen Worten: Es würde eine erstaunliche Fähigkeit erfordern, sich die Zukunft auszumahlen. Vergangene Versuche, solche Vorhersagen aufzustellen, deuten darauf hin, dass wir zu solch einem Weitblick einfach nicht fähig sind.7
Ein einfaches Beispiel verdeutlicht, dass diese Bedenken keineswegs abstrakt sind. In den letzten zehn Jahren haben sich die Effektiven Altruisten verständlicherweise darauf konzentriert, das Risiko zu verringern, dass eine superintelligente KI die Menschheit zerstört. Da die Anführer und Anhänger der Bewegung nicht glaubten, dass es realistisch sei, die Entwicklung von KI zu stoppen, entschieden sie, dass der beste Weg darin bestehe, Pioniere mit ähnlichen moralischen Überzeugungen an die Spitze dieser Technologie zu stellen. So gründeten und finanzierten sie großzügig eine gemeinnützige Organisation, deren Aufgabe es sein sollte, die Technologie in verantwortungsvolle Gefilde zu lenken. Der Name dieser gemeinnützigen Organisation ist OpenAI - die Firma, die ChatGPT erfand und nun an der Spitze der KI-Revolution steht.
Doch die Dinge entwickelten sich nicht so, wie die Gründer von OpenAI es sich vorgestellt hatten. Trotz seiner Gründung als gemeinnützige Organisation agiert OpenAI heute de facto wie ein klassisches Unternehmen, das Profit und technologischen Fortschritt um jeden Preis verfolgt. Während der ursprüngliche Zweck der Organisation darin bestand, sich auf die Sicherheit von KI zu konzentrieren, hat die Notwendigkeit, im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu bestehen, ihre Anführer dazu veranlasst, alle Vorsicht über Bord zu werfen; laut Whistleblowern tut das Unternehmen kaum noch etwas, um die Risiken einzudämmen, aufgrund derer es ursprünglich gegründet wurde.
Das Problem des Providentialismus
Kehren wir für einen Moment zu dem berühmten Philosophen und dem Toaster zurück. Die Geschichte mag apokryphisch sein. Doch sie bringt ein anhaltendes Problem von Philosophien auf den Punkt, die ein großes Narrativ darüber pflegen, wie die Welt verbessert werden kann – ein Problem, das überraschenderweise sowohl auf den Effektiven Altruismus als auch auf Ideologien wie den Marxismus, die auf den ersten Blick völlig unterschiedlich erscheinen, zutrifft.
Sowohl der Marxismus als auch der Effektive Altruismus behaupten, dass sie den wahren Weg gefunden haben, um die Welt zu verbessern. Und beide schmeicheln ihren Anhängern damit, dass sie ihnen eine Schlüsselrolle in einer Bewegung zuschreiben, die historisch bedeutend sein wird.
Zusammengenommen bieten diese beiden Überzeugungen eine Rechtfertigung für unmoralisches Verhalten. Die angeblich wichtige Rolle, die ein jeder in der Umsetzung weltverändernder Ziele spielt, verleiht ihren Anhängern eine überhöhte Bedeutung. Gleichzeitig rechtfertigt die überhöhte Bedeutung der Ziele der Bewegung, dass ein jeder auf die Anforderungen der gewöhnlichen Moral verzichten kann.8
Dies ist die Logik, die hinter der angeblichen Weigerung des Doktoranden, den Toaster zurückzugeben, steckt. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass er von enormer Bedeutung für eine Sache ist, die einen ebenso großen Beitrag zum Wohlergehen der Menschheit leisten kann. Sicherlich, dachte er, muss es dann erlaubt sein, auf eine so triviale Tätigkeit wie das Reinigen von Käseresten aus einem ordinären Haushaltsgerät zu verzichten?
Es ist leicht zu erkennen, wie sich diese Logik ausweiten lässt. Auch die Sache, der SBF zu dienen glaubte, ist von enormer Bedeutung. Angesichts seines großen finanziellen Beitrags zu wichtigen wohltätigen Zwecken hatte er sogar noch mehr Gründe als der angehende Philosoph, an seine große Bedeutung für diese Sache zu glauben. Als er dann auf finanzielle Schwierigkeiten stieß, fiel es ihm leicht, sich selbst zu sagen: Sicherlich bin ich moralisch gerechtfertigt – vielleicht sogar verpflichtet! – auf solch alltägliche Einschränkungen wie die Regeln der U.S. Securities and Exchange Commission zum Umgang mit Kundeneinlagen zu verzichten.
Effektiver Altruismus ohne Hybris
Das Problem des Effektiven Altruismus war von Anfang an seine Hybris. Die Anführer der Bewegung behandelten das Gute-Tun als eine Art intellektuelles Spiel, das so stark von abstrakten Regeln über die Schaffung von Glück und die Beseitigung von Leiden geprägt ist, dass es auf solch „unordentliche“ Themen wie menschliche Psychologie oder die chaotischen Realitäten der politischen Welt verzichten kann.
Jeder Versuch, den Effektiven Altruismus vor diesen Fehlern zu retten, muss mit einer großen Portion Bescheidenheit beginnen. Es ist sehr schwer, vorherzusagen, wie sich jemand in dreißig Jahren verhalten wird und praktisch unmöglich zu wissen, welchen Herausforderungen die Menschheit in drei Jahrhunderten gegenüberstehen wird. Der erste Schritt, effektiv Gutes zu tun, ist es, ehrlich über unsere kognitiven Grenzen zu sein – und die stets bestehende Gefahr ernst zu nehmen, dass sich selbst die wohlmeinendsten und am gründlichsten „erforschten“ Eingriffe als kontraproduktiv entpuppen könnten.
Ein erneuerter Effektiver Altruismus muss seine langfristigen Ambitionen aufgeben. Er muss verstehen, dass die menschliche Psyche komplex und unberechenbar ist. Er muss sich auch von der technokratischen Haltung der allwissenden Weisen lösen, die überzeugt sind, dass sie ihren Mitmenschen überlegen sind und, wenn es darauf ankommt, vielleicht sogar gerechtfertigt sind, die gewöhnlichen Regeln der Moral zu ignorieren – eine Haltung, die gute Menschen in die Irre führt und das Risiko birgt, einige der schlimmsten Menschen für die Sache zu gewinnen.
Aber all dies ist kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Effektiven Altruisten haben recht, wenn sie sagen, dass Menschen jedes Jahr Milliarden von Dollar für wohltätige Zwecke spenden. Es stimmt, dass viel von diesem Geld für den Bau neuer Sporthallen an wohlhabenden Universitäten oder zur Unterstützung von Tierheimen für streunende Katzen verwendet wird. Und es ist schwer, dem Gedanken zu widersprechen, dass es – soweit möglich – besser wäre, die altruistischen Instinkte der Spender auf wirkungsvollere Ziele zu lenken, um das Leben tausender Menschen zu retten.
Selbst in dieser bescheideneren Form wird der Effektive Altruismus einigen ernsthaften empirischen Herausforderungen begegnen. Die Geschichte ist voll von scheinbar offensichtlichen Eingriffen, die unerwartet negative Konsequenzen hatten. Doch wenn man die Grundintention des Effektiven Altruismus auf das Wesentliche reduziert, hängt sie nicht von den zweifelhaften Annahmen über menschliche Psychologie oder unsere Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen, ab, die die führenden Exponenten des Effektiven Altruismus in die Irre geführt haben. Sie behauptet lediglich, dass wohltätige Spenden einen großen Einfluss auf die Welt haben können; dass dies Menschen, die global gesehen als wohlhabend gelten, einen guten Grund gibt, einen Teil ihres Einkommens zu spenden; und dass sie genau überlegen sollten, welche Art von Spenden am ehesten einen wahren Unterschied für Menschen in Not bewirken könnten.
So schlicht formuliert sind diese Grundannahmen nahezu unanfechtbar.
Es kommen natürlich ernste Fragen auf, ob diese Berechnungen korrekt sind. Für eine ausgezeichnete Kritik an den meisten Entwicklungshilfen, siehe mein Interview mit William Easterly.
Die Effektiven Altruisten mussten auch andere schwerwiegende Skandale überstehen. Der folgenreichste davon war die Entdeckung, dass Nick Bostrom, einer der zentralen Denker des Longtermismus (auf den ich später noch eingehen werde) und Gründer des Future of Humanity Institute an der Universität Oxford, teilweise Eugenik verteidigte und in den 1990er Jahren, während er Doktorand war, das N-Wort verwendete. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Universität kam zwar zu dem Schluss, dass er kein Rassist ist, dennoch schloss das Institut vor kurzem seine Türen.
Um fair zu sein, war der Rat der Organisation nicht immer so schwarz-weiß. Als ich selbst während meiner Promotion eine Sinnkrise durchlebte, bat ich die Organisation um Hilfe dabei, über verschiedene Optionen für meine Zukunft nachzudenken. Benjamin Todd, der zusammen mit MacAskill „80.000 Stunden“ gründete, antwortete freundlich mit einem durchdachten Rat, der sich nicht darauf reduzieren ließ (aber mir auch nicht davon abriet), zu McKinsey zu gehen. Vielleicht lag dies teilweise daran, dass Todd spürte, dass mein Potenzial, Geld zu verdienen, begrenzt war.
Es gibt auch ein einfacheres psychologisches Problem mit dem Effektiven Altruismus. Mitglieder der Bewegung sind motiviert, so viel Gutes wie möglich in der Welt zu tun. Doch sie berücksichtigen nicht, dass die meisten Menschen, die altruistische Handlungen vollziehen, nicht von denselben Motiven geleitet werden. Sie spenden nicht Geld oder engagieren sich ehrenamtlich, weil sie das Vergnügen- und Schmerz- gleichgewicht der Welt maximieren wollen – sondern weil sie eine Verbindung zu ihrer lokalen Gemeinschaft oder Dankbarkeit gegenüber ihrer Alma Mater verspüren. Ihnen zu sagen, dass sie ihren Altruismus auf effektivere Zwecke richten sollen, könnte einfach dazu führen, dass sie gar nicht spenden.
Mein Punkt ist, dass Effektive Altruisten naiv sind, was die zeitliche Entwicklung menschlicher Motivation auf individueller Ebene betrifft. Man könnte auch sagen, dass sie naiv sind, was die zeitliche Entwicklung institutioneller Anreize auf kollektiver Ebene betrifft. Sie glauben, dass man eine Bewegung wie den Effektiven Altruismus gründen und weiterhin Menschen mit echten, fremdnützigen Motiven dafür gewinnen kann; aber das unterschätzt die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Popularität irgendwann auch Menschen anzieht, die sich nur im moralischen Glanz der Bewegung sonnen wollen, oder die sich von der technokratischen Überlegenheit angezogen fühlen, die der Bewegung innewohnt. Genauso wie Individuen im Laufe der Zeit von ihrer Mission abweichen können, ist es wahrscheinlich, dass dies auch für solche Organisationen gilt.
Stellen Sie sich vor, fordert Peter Singer seine Leser in „Hunger, Wohlstand und Moral“ auf, einen Spaziergang im Park zu machen. Plötzlich sehen Sie ein kleines Mädchen, das im Teich zu ertrinken droht. Haben Sie die moralische Verpflichtung, es zu retten, auch wenn Ihr teurer Anzug dabei ruiniert werden könnte?
Die meisten Menschen zögern nicht, diese Frage zu bejahen, deswegen ändert dieses Gedankenexperiment wenig daran, wie wir über die Welt denken.
Aber ändern wir das Szenario ein wenig. Stellen Sie sich vor, das Mädchen hat eine andere Hautfarbe, ist Staatsbürgerin eines anderen Landes oder lebt weit von Ihnen entfernt. Sie ertrinkt nicht buchstäblich in einem Teich, aber sie ist vom Hungertod bedroht. Angenommen, Sie könnten ihr Leben retten, indem Sie Ihren Anzug opfern – oder einen Geldbetrag in ähnlicher Höhe. Macht die Tatsache, dass sie weiter entfernt ist, Ihre moralische Verpflichtung, sie zu retten, hinfällig?
Wie Singer glauben Effektive Altruisten, dass die Antwort nein lautet. Auch wenn es einfacher ist, unsere Verpflichtung gegenüber leidenden Menschen zu ignorieren, die geografisch weit entfernt sind, sind unsere Gründe, ihnen zu helfen, genauso stark. Effektive Altruisten schließen daraus nicht nur, dass wir starke moralische Gründe haben, echte persönliche Opfer zu bringen, um weit entfernten Menschen in fremden Ländern zu helfen, sondern auch, dass wir darüber nachdenken sollten, wie wir Menschen tatsächlich effektiv helfen können.
Science-Fiction ist mittlerweile seit vielen Jahrzehnten ein beliebtes Genre. Das verführt uns leicht dazu, zurückzublicken und darüber zu staunen, wie viele Vorhersagen sich als richtig herausgestellt haben. Doch das sollte uns nicht dazu verleiten zu glauben, dass wir erfolgreich die Zukunft vorhersagen können. Zum einen verzerrt der Fokus auf die Werke, die sich im Nachhinein als besonders vorausschauend herausgestellt haben, das Bild; schließlich konnten die Zeitgenossen nicht wissen, welche Szenarien zutreffen würden. Zum anderen ist auffällig, wie viel selbst die vorausschauendsten Science-Fiction-Romane der Vergangenheit falsch gemacht haben; selbst futuristische Werke aus der viktorianischen Zeit, die einige Aspekte der heutigen Zivilisation treffend beschreiben, gehen davon aus, dass unsere Welt noch immer von Dampfmaschinen angetrieben wird und Reisende sich in Heißluftballons fortbewegen.
Das brillanteste psychologische Porträt darüber, was diese beiden Annahmen mit dem moralischen Leben eines scheinbar mutigen und idealistischen Mannes anstellen können, hat Arthur Koestler in Sonnenfinsternis gezeichnet. Rubaschow, der tragische Protagonist des Romans, ist seit Langem davon überzeugt, dass das Ziel der Weltrevolution es erforderlich macht, auf solche „bürgerlichen“ Rücksichten wie das Verbot der Inhaftierung oder Hinrichtung von Unschuldigen zu verzichten. Er ist auch davon überzeugt, dass seine eigene führende Rolle in der Revolution es rechtfertigt, seine eigenen Genossen zu opfern, wenn sie ihm im Weg stehen oder seiner Sache nicht dienen. Schließlich fällt er selbst seinem eigenen Ideal zum Opfer: Er wird auf Grundlage fingierter Anschuldigungen verhaftet. Die Spannung im Roman dreht sich weniger um das Schicksal Rubaschows, das von der ersten Seite an unausweichlich scheint, sondern darum, ob und wie er die Behandlung rechtfertigen kann, der er selbst und viele seiner Genossen zuvor ausgesetzt waren.
Ich denke Effektive Altruisten sind sich den Grenzen bewusst die sie hier aufzeigen, z.B. bzgl des kaum noch praktizierten Earning to Give hier: https://80000hours.org/articles/earning-to-give/#power-corrupts Sie scheinen ja zu akzeptieren dass in der Zukumft großer moraischer Wert liegt und Unsicherheit sollte daran kaum was ändern sofern man nach seinen besten Erwartungen handelt. Der Fokus auf existentielle Risiken wie KI ist ja schon ein Eingestädnis der moralischen Unsicherheit, da man sich nur beschränkt das Aussterben der Menschheit zu verhindern und nicht die Gestaltung der Zukunft zu gestalten. Außerdem würde ich mich freuen, wenn Sie wie ich den 10% Pledge unterzeichnen und die NGOs unterstützen wo Sie denken dass diese am meisten Gutes bewirken: https://www.givingwhatwecan.org/pledge