Die heimliche Männerquote
Bei der Zulassung liegt die Messlatte für Frauen an amerikanischen Unis deutlich höher.
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Über weite Strecken der amerikanischen Geschichte wurde die Hochschulbildung von Männern dominiert. Doch im Verlauf der vergangenen vier Jahrzehnte hat sich diese Dominanz nicht nur abgeschwächt; weitgehend unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit haben Frauen begonnen, Männer deutlich zu übertreffen.
Schon in den 1980er Jahren überholten Frauen Männer beim Abitur- und Hochschulabschluss, seit den 2000er Jahren erlangen sie auch die Mehrheit der Doktortitel. Heute entfallen rund zwei Drittel der besten zehn Prozent eines Abschlussjahrgangs in der Oberstufe auf Mädchen, während Jungen etwa zwei Drittel der schwächsten zehn Prozent stellen.
Die Folgewirkungen für die Hochschulbildung sind enorm. An amerikanischen Bachelor-Studiengängen sind derzeit 8,9 Millionen Frauen eingeschrieben, aber nur 6,5 Millionen Männer. Im Jahr 2021 entfielen lediglich 42 Prozent aller Bachelorabschlüsse in den Vereinigten Staaten auf Männer. Eine ähnlich ausgeprägte Geschlechterungleichheit unter Studierenden gab es zuletzt Ende der 1960er-Jahre, als etwa drei von fünf Studierenden männlich waren.
Diese Veränderungen sind auf nahezu allen Arten von Universitäten sichtbar. Community Colleges, historisch schwarze Hochschulen und große staatliche Universitäten sind heute stark weiblich geprägt. Zunehmend gilt das auch für die selektivsten privaten Universitäten des Landes. An jeder Hochschule der Ivy League außer Dartmouth stellen Frauen inzwischen die Mehrheit der Studienanfänger.
Würden diese Eliteuniversitäten Bewerber aufnehmen, ohne ihr Geschlecht zu berücksichtigen, hätten ihre neuen Jahrgänge einen noch höheren Frauenanteil, als sie ihn ohnehin schon haben. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sie daher begonnen, eine Lösung für dieses vermeintliche Problem zu übernehmen, die einfach, effektiv und offenkundig ungerecht ist: positive Diskriminierung für Männer.
Es ist unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, wie offen die gegenwärtigen Formen der Diskriminierung weiblicher Bewerber tatsächlich sind.
Die Hochschulen haben kein Interesse an einer breiteren öffentlichen Debatte über ein derart sensibles Thema. Entsprechend sorgfältig hüten sie jene Daten – etwa die durchschnittlichen SAT-Ergebnisse zugelassener Männer und Frauen –, die es Außenstehenden erlauben würden, einzuschätzen, wie groß der Bonus ist, den männliche Bewerber erhalten. Diese mangelnde Transparenz sollte für sich genommen bereits als handfester Skandal gelten.
Doch trotz der spärlichen öffentlich zugänglichen Daten gibt es gute Gründe anzunehmen, dass diese Praxis weit verbreitet ist. Die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Zulassungsquoten, die einige Hochschulen veröffentlichen, zeigen in der Regel höhere Quoten für Männer als für Frauen. Im Bewerbungszyklus 2024/25 etwa bewarben sich 29.917 Frauen an der Brown University, von denen 1.309 einen Studienplatz erhielten – eine Zulassungsquote von 4,4 Prozent. Die Zahl der männlichen Bewerber lag deutlich niedriger: 18.960. Dennoch erhielten 1.326 Männer einen Platz, also sogar etwas mehr als Frauen, was für Männer eine deutlich höhere Zulassungsquote von 7 Prozent bedeutet.
Zum anderen haben hochrangige Verwaltungsmitarbeiter an den Universitäten diese Praxis öffentlich eingeräumt. „Geschlechterparität ist für die meisten privaten Colleges und Universitäten in den Vereinigten Staaten eine institutionelle Priorität“, sagte Sara Harberson, ehemalige Dekanin für Zulassung und Studienfinanzierung am Franklin & Marshall College, kürzlich. Shayna Medley, frühere Zulassungsbeauftragte an der Brandeis University, formulierte es noch deutlicher: „Die Maßstäbe lagen für männliche Studierende eindeutig niedriger.“
Mit anderen Worten: In Zulassungskreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass viele hochselektive Universitäten inzwischen kräftig zugunsten männlicher Bewerber nachhelfen und so den Anteil von Frauen an der Studierendenschaft künstlich nach unten drücken. Wie Susan Dominus in einem ausführlichen Artikel zu diesem Thema im New York Times Magazine resümiert: „Der einfachste Weg für viele wettbewerbsorientierte Hochschulen, ihre Geschlechterverhältnisse zu korrigieren, liegt im Auswahlverfahren – in dem Zulassungsbeauftragte männliche Bewerber häufig informell bevorzugen.“
Diskriminierung wird häufig von Animosität oder Vorurteilen getragen. Doch so unmöglich es auch ist, auszuschließen, dass irgendwo im Land ein Zulassungsdekan eine persönliche Neigung zugunsten männlicher Bewerber hegt, dürfte dies kaum der Grund dafür sein, wie verbreitet diese Praxis inzwischen ist. Stattdessen handeln die Universitäten aus nüchtern kalkuliertem Eigeninteresse – und in dem Bewusstsein, dass diese Verfahren zwar moralisch fragwürdig, rechtlich jedoch völlig zulässig sind.
Hochschulen haben sich daran gewöhnt, ihre Studierenden als zahlende Kunden zu betrachten, deren Wünsche – von opulenten Verpflegungsangeboten bis hin zu wohlwollender Notenvergabe – um nahezu jeden Preis erfüllt werden müssen. Und da viele Studieninteressierte, Männer wie Frauen, einen klaren Wunsch nach einem Campus mit annähernder Geschlechterparität äußern, bemühen sich die Universitäten, diesen Erwartungen so gut wie möglich zu entsprechen.
Die Einsätze sind für die Hochschulen umso höher, als sie traditionell großen Wert auf den Anteil der zugelassenen Bewerber legen, die sich tatsächlich für ihre Institution entscheiden. Würde eine Universität aufhören, Frauen zu benachteiligen, während ihre Konkurrenz dies weiterhin täte, würde sich das Geschlechterverhältnis auf diesem Campus rasch und deutlich verschieben. Sollte dies wiederum einige der Zugelassenen dazu veranlassen, sich anderswo einzuschreiben, würde das die begehrte Einschreibequote der Universität beeinträchtigen.
Viele Leser dürften vermuten, dass es für Universitäten illegal sein müsse, Frauen in dieser offenen Weise zu benachteiligen. Schließlich verbieten die Bürgerrechtsgesetze der Nachkriegszeit Hochschulen in zahlreichen anderen Bereichen ausdrücklich, Studierende aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren. So ist es Colleges etwa untersagt, männlichen Studierenden unverhältnismäßig großzügige Sportstipendien zu gewähren. Müssten ähnliche Beschränkungen dann nicht auch für das Zulassungsverfahren gelten?
Keineswegs. Als diese Bürgerrechtsgesetze ausgearbeitet wurden, waren viele der führenden Universitäten des Landes noch nach Geschlechtern getrennt. Elite-Colleges kämpften mit Zähnen und Klauen dafür, Ausnahmeregelungen in die Gesetzgebung aufzunehmen, um sicherzustellen, dass private Hochschulen weiterhin deutlich mehr Männer als Frauen aufnehmen konnten, wenn sie das wollten. Genau diese Ausnahmen machen das neue System der bevorzugten Berücksichtigung von Männern an privaten Colleges heute grundsätzlich rechtmäßig.
Die Anreize, die das Verhalten der Universitäten prägen, sind real, und das geltende Recht scheint solche Praktiken nicht zu untersagen. Doch das macht es moralisch keineswegs gerechtfertigt, wenn Hochschulen einen weniger qualifizierten männlichen Bewerber einer besser qualifizierten Bewerberin vorziehen.
Ein Teil des Problems der gegenwärtigen Praxis besteht darin, dass sie individuell rational, kollektiv jedoch wirkungslos ist. Es gibt schlicht nicht genügend junge Männer, die motiviert und ausreichend vorbereitet sind, um im Studium zu glänzen. Indem die besten Hochschulen des Landes männlichen Bewerbern einen erheblichen Vorteil verschaffen, können sie den Anteil männlicher Studierender auf dem eigenen Campus künstlich erhöhen. Doch das führt bloß dazu, dass etwas weniger selektive Hochschulen am Ende mit noch stärker verzerrten Geschlechterverhältnissen dastehen. Anstatt das wachsende Ungleichgewicht in der Hochschulbildung insgesamt zu beheben, mildert die bevorzugte Berücksichtigung von Männern das Problem an den Spitzenuniversitäten allenfalls ab – und verschärft es überall sonst.
Ein noch gravierenderer Aspekt der aktuellen Praxis ist ihre Unethik. Ein zentrales Argument für die Meritokratie lautet, dass sie einer Institution, die eine begrenzte Zahl begehrter Plätze unter einer großen Zahl von Bewerbern vergeben muss, eine Begründung liefert, die sie den Abgewiesenen mit gutem Gewissen vortragen kann. Bewerber, die von ihrer Wunschhochschule abgelehnt werden, werden immer enttäuscht sein. Doch wenn ein College ihnen wahrheitsgemäß sagen kann, dass andere Bewerber bessere Noten oder höhere SAT-Ergebnisse vorweisen konnten, sollten sie erkennen können, dass die Entscheidung nach fairen Kriterien getroffen wurde. Würde die Hochschule ihnen hingegen offen mitteilen, sie seien allein deshalb abgelehnt worden, weil sie weiblich sind, hätten sie allen Grund, diese Entscheidung als zutiefst ungerecht zu empfinden.
In der Tat hat es, wenn man kurz darüber nachdenkt, etwas grundlegend Anstößiges, dass Hochschulverwaltungen der Geschlechterverteilung auf dem Campus ein derart großes Gewicht beimessen. Es mag durchaus zutreffen, dass viele Bewerber Colleges mit annähernd gleichen Anteilen von Männern und Frauen bevorzugen – nicht zuletzt aus Sorge um das Datingleben auf dem Campus. Doch ist es wirklich Aufgabe von Zulassungsbeauftragten, dafür zu sorgen, dass Studierende über eine ausreichende Zahl potenzieller romantischer Partner verfügen?
Und ließen sich manche der weiterreichenden Probleme der akademischen Welt – etwa die Tatsache, dass sie zunehmend zur Ausbildungsstätte einer professionell-manageriellen Klasse geworden ist, die den Kontakt zum Rest des Landes verloren hat – nicht womöglich eher mildern, wenn einige Studierende gelegentlich einen Anlass hätten, den Campus zu verlassen, um außerhalb nach einem möglichen Date zu suchen?
Für die Feminisierung der Hochschulen gibt es einen positiven Grund: Frauen verfügen heute über weit mehr Möglichkeiten als früher – und sie arbeiten entschlossen daran, diese zu nutzen. Daneben gibt es jedoch auch einen negativen Grund: Ein wachsender Anteil von Männern gerät ins Hintertreffen, wobei eine beträchtliche Minderheit ohne klare Ziele oder Ambitionen bleibt.
Besonders deutlich treten die Schwierigkeiten von Jungen auf der Oberstufenebene zutage. Nach Angaben des American Institute for Boys and Men ist die Wahrscheinlichkeit, von der Schule verwiesen zu werden, für sie dreimal so hoch wie für Mädchen. Zugleich sind die Reihen junger Männer, die weder ein Studium aufnehmen noch formell erwerbstätig sind oder an einer beruflichen Ausbildung teilnehmen, bedenklich angewachsen: Ihr Anteil ist seit Beginn des Jahrhunderts um etwa ein Drittel gestiegen.
Wie Richard Reeves in den vergangenen Jahren eindringlich gezeigt hat, ist das Zurückfallen von Jungen ein ernstes gesellschaftliches Problem. Dass immer mehr Männer aus dem Bildungssystem ausscheiden, schadet nicht nur dem wirtschaftlichen Wohlstand; es kündigt auch einen Anstieg von Krankheit und Einsamkeit, von Kriminalität und sogar von Todesfällen aus Verzweiflung an. Eine gesunde Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass sowohl Jungen als auch Mädchen gedeihen.
Die Lösung dieses Problems sollte daher eine zentrale politische Priorität sein. Und wie Reeves argumentiert, gibt es durchaus substanzielle Reformen, die dazu beitragen können, dass Jungen häufiger erfolgreich sind. Ein Beispiel: Schulen von der Grundschule bis zur Oberstufe sollten erwägen, stärker auf Formen des aktiven Lernens zu setzen, die nach Einschätzung einiger führender Bildungsforscher den Lernstilen junger Jungen eher entsprechen.
Naiv wäre es jedoch zu glauben, Universitäten könnten – oder sollten – dieses Problem entlang der Bildungskette beheben. Wenn Grund- und weiterführende Schulen Jungen in einem Ausmaß scheitern lassen, dass selbst einige der begabtesten jungen Männer aus dem System fallen, dann bedarf es dort tiefgreifender Reformen. Den verlorenen Jungen ist jedoch in keiner Weise geholfen, wenn ein männlicher Bewerber, der ohnehin auf einem guten Lebensweg ist, im Bewerbungsverfahren einen unfairen Vorteil gegenüber einer besser qualifizierten Bewerberin erhält, nur weil sich beide bei Harvard bewerben.
Es ist bemerkenswert, wie wenig Aufmerksamkeit diesem stillen Skandal geschenkt worden ist, der sich tagtäglich in den Zulassungsbüros im ganzen Land abspielt.
Ein Teil der Erklärung für dieses stille Hinnehmen liegt, so meine ich, darin, dass das Land seit Langem vom Streit über rassenspezifische Fördermaßnahmen absorbiert ist. Ein weiterer Teil liegt in der Geheimhaltung, mit der Colleges diese Praktiken eingeführt haben, was es den Betroffenen erschwert, die ihnen widerfahrene Ungerechtigkeit überhaupt zu erkennen. Der wohl wichtigste Grund jedoch liegt in einer Hintergrundannahme, die so fest im amerikanischen Alltag verankert ist, dass wir für ihre grundlegende Merkwürdigkeit blind geworden sind.
Zulassungsbeauftragte an Elitehochschulen haben sich längst davon überzeugt, dass es zu ihren Aufgaben gehört, den „perfekten“ neuen Jahrgang sozial zu konstruieren. Sie glauben, sicherstellen zu müssen, dass jede Kohorte von Studienanfängern die „richtige“ ethnische Zusammensetzung aufweist; dass jemand dabei ist, der im Universitätsorchester die zweite Geige spielen kann; dass sich eine ausreichende Zahl von Studierenden darunter befindet, die später Geld verdienen – oder besser noch erben – und es der Universität spenden könnten; und offenbar auch, dass das Verhältnis von Männern zu Frauen in etwa ausgeglichen sein sollte.
Diese Annahme dürfte den meisten Menschen in anderen Ländern ausgesprochen befremdlich erscheinen. In Cambridge und Oxford führen Professoren persönliche Gespräche mit Bewerbern, bei denen im Mittelpunkt steht, ob die Studieninteressierten akademisch herausragende Leistungen erbringen dürften. In China und Südkorea qualifizieren sich Studierende für Plätze an Spitzenuniversitäten über landesweite Prüfungen, die ihnen eine numerische Punktzahl zuweisen. Auch wenn keine dieser Hochschulen einen Zulassungsdekan hat, der vorgibt, die geheime Formel für den „perfekten“ Jahrgang zu kennen, gelingt es all ihren Orchestern dennoch irgendwie, einen zweiten Geiger zu finden, der der Aufgabe gewachsen ist.
Die Suche nach einem „ausgewogenen“ Jahrgang ist nichts anderes als sprachliche Kosmetik für Rangdiskriminierung. Sie ist falsch, wenn sie dazu führt, dass asiatische Bewerber überproportional abgelehnt werden – eine Praxis, die trotz ihres inzwischen offiziellen Verbots weiterhin verbreitet ist. Und sie ist ebenso falsch, wenn sie dazu führt, dass Frauen überproportional zurückgewiesen werden.
Idealerweise würden Universitäten von selbst erkennen, wie unhaltbar diese Praxis ist. Tun sie das nicht, sollte der Bund eingreifen. Denn selbst wenn sie mitunter von den besten Absichten getragen sein mag, ist die Suche nach dem perfekt ausbalancierten Studienjahrgang schlicht kein hinreichender Grund, Bewerber aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren.
Dieser Text wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.



